Nicht nur nette Fanpost: Türkeiflaggen statt Argumente

Viel Hass und Hetze in der Post. Doch zum Abscheid nach einem Jahr Kolumne steht auch ein „Danke“ für alle herzlichen Nachrichten und klugen Anmerkungen.

Türkische Fahnen mit dem Konterfei von Erdogan

Flaggen, Flaggen, Flaggen: So zeigen sie sich, die Erdoğan-Fans, etwa hier 2017 in Oberhausen Foto: Wolfgang Rattay/Reuters

In einem Jahr Orientexpress sammelt sich viel Post an. Neben vielen herzerwärmenden Nachrichten und klugen Anmerkungen (danke!) gibt es auch Fanpost der besonderen Art. Beispielsweise, wenn es um die Deutsche Linke (Hallo Daniel! Hallo Anika!) oder um Islamismus geht (Betreff: Antimuslimischer Rassismus). Thematisiert die Kolumne die Türkei, Erdoğan oder Kurdistan, explodiert das Postfach. Erscheint sie vormittags um elf, kann man um halb zwölf schon mit Türkeiflaggen rechnen. Im Messenger kann man sich dann durchs rote Flaggenmeer scrollen. Wo Argumente fehlen, müssen Türkeiflaggen her! Türkeiflaggen in Kombination mit Wolfsemojis, Wolfsgrußemojis oder flotten Sprüchen wie: „Sogar Landliebe Jogurt hat mehr Land als ihr“.

Wird der Genozid an den Armenier*innen erwähnt, schlägt die Stunde der Ge­no­zid­leug­ner*innen. Sie schreiben, es hätte keinen Genozid an den Armenier*innen gegeben, wollen mich an einen dubiosen russischen Historiker vermitteln oder behaupten, andersrum sei es gewesen, die Armenier hätten die Türken massakriert.

Taucht das Wort Kurdistan in der Kolumne auf, wird auch das mit Türkeiflagge quittiert, diesmal mit dem Evergreen „Wo liegt es auf der Landkarte? KuRdIsTaN gIbT eS nIcHt!“.

Die bloße Erwähnung Kurdistans reicht schon für eine Anzeige bei den Türkischen Sicherheitsdiensten. Das wird mir auch stolz per Screenshot mitgeteilt. Das Anzeigen in der Türkei geht nämlich seit 2016 ganz easy per App. Die EGM-App ist im Apple-App-Store ab vier Jahren freigeben und kann kostenlos installiert werden, auch im Google Play Store, wo sie schon über 500.000 Mal heruntergeladen wurde. Denunzieren war noch nie so einfach: Ein Klick auf der App und der unliebsame Arbeitskollege wird bei der Einreise in die Türkei vom Flughafen wegverhaftet. Der Bundesregierung ist die App bekannt, verboten ist sie in Deutschland nicht.

Klassische Drohungen

Neben der Anzeige gibt es auch die klassische Drohung. Ramazan Akbas, ein Rechtsanwalt aus Wiesloch, Parteivorsitzender der „Allianz Deutscher Demokraten“, der auch eifrig Genozidleugnung betreibt und in seiner Twitter-Bio „eine unendliche Liebe zur Türkei. Und bedingungslose Loyalität für Reis, Baba, Başkan Erdoğan“ bekundet, droht als Reaktion auf eine Kolumne öffentlich: „Wartet ab. Irgendwann gibt es Auge um Auge für eure Provokationen.“ Seine zuständige Anwaltskammer Karlsruhe scheint das nicht zu stören.

Auch Attila Hildmann schreibt in seiner Telegramgruppe unter meine Kolumne: „Niemand bei Verstand sollte schlafende Wölfe wecken, danke für diesen Artikel liebe TAZ!“ Aber genug.

Ein Jahr Kolumne, die „Zionistin“, „AfD-Wählerin“, „Islamhasserin“, „Kafir“, „Lutz-Bachmann-Preisträgerin“, „PKK-Terroristin“, „Barzani-Anhängerin“, „Konservative“, „Schlampe“, „Miststück“, „Schwachmatin“ und „Hirntod-Patientin Ronya Othmann“ verabschiedet sich und sagt Danke!

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Kolumnistin, Autorin, Lyrikerin und Journalistin. Schreibt zusammen mit Cemile Sahin die Kolumne OrientExpress

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.