Der WWF schlägt Alarm

68 Prozent weniger Wildtiere seit 1970 zeigt der neue „Living Planet Report“ als wichtiges Öko-Barometer. Zuletzt hat sich der Rückgang aber verlangsamt

Von Andrew Müller

Der Schwund bei rund 21.000 Populationen von wilden Säugetieren, Vögeln, Fischen, Amphibien und Reptilien zwischen 1970 und 2016 beträgt im Durchschnitt 68 Prozent. Das ist das dramatische Hauptergebnis des „Living Planet Report 2020“, den die Umweltstiftung WWF am Mittwoch in Berlin vorstellte.

Es ist die 13. Ausgabe des Berichts, einbezogen wurden Bestände von mehr als 4.400 Wirbeltierarten. Das sei nur ein kleiner Ausschnitt der biologischen Vielfalt, erläuterte Christoph Heinrich, Vorstand Naturschutz bei WWF. Zwar sagt die Studie somit nicht direkt etwas über den Artenschwund. Existieren aber von einer Art nur noch stark dezimierte Bestände, wird ihr Aussterben immer wahrscheinlicher. Besonders schlechte Werte kommen aus den Tropen. In Süd- und Zentralamerika sind demnach die Bestände mit 95 Prozent besonders stark geschrumpft. Als extrem gefährdete Tiere nennt der WWF den Östlichen Flachlandgorilla im Kongo, Lederschildkröten in Costa Rica und Störe im Jangtse – bei den Letztgenannten liege der Rückgang seit 1970 sogar bei 97 Prozent.

Diese Zahlen sind tatsächlich alarmierend, aber die genaue Interpretation birgt auch ihre Tücken. Wie Günter Mitlacher, Leiter Internationale Biodiversitätspolitik beim WWF Deutschland, erklärte, verändert sich der Datensatz von Bericht zu Bericht. So seien diesmal Messungen von etwa 4.000 zusätzlichen Beständen eingeflossen.

Das verstärkt einerseits die Aussagekraft, schmälert aber die Vergleichbarkeit der Reports. Der aktuelle zeigt nämlich einerseits einen Rückgang um 68 und damit erstaunliche 8 Prozent mehr als der von 2018. Das liegt aber offenbar an der ausgeweiteten Datenbasis. Wenn man auch für die Vergangenheit die neuen Daten einbezieht, zeigt sich, dass der Wert in den letzten vier Jahren etwa konstant blieb.

Die Datenbasis des Living Planet Report gilt trotz dieser Unzulänglichkeiten und Widersprüche als breit und solide. Dem Vorsitzenden des Instituts für Biodiversität, Axel Paulsch, zufolge handelt es sich um „eines der langfristigsten und zuverlässigsten Monitoringinstrumente“. Es bestätige den alarmierenden Trend, den auch andere Zustandsberichte zeigen.