Autobiografie von Barack Obama: Eher konservativ im Temperament

Ein Ereignis in 25 Sprachen: Barack Obama gibt sich in seiner Autobiografie bewährt cool. Interessant ist aber auch, welche Themen er ausspart.

Barack Obama hält eine Rede vor amerikanischer Flagge

Barack Obama unterstützt Joe Biden im Wahlkampf, hier in Orlando Foto: Eve Edelheit/reuters

Ein Präsident der USA – das ist in den zurückliegenden vier Jahren in Vergessenheit geraten – kann auch Nachdenklichkeit, Selbstzweifel, Einfühlungsvermögen zeigen, Geschichtswissen haben und ganze Sätze schreiben. Barack Obama hat das in dieser Woche mit seinem Buch „Ein verheißenes Land“ („A Promised Land“) in Erinnerung gebracht. Auf mehr als 700 Seiten (im englischen Original) beschreibt er sein Leben bis zur ersten Hälfte seiner Amtszeit im Weißen Haus.

Obama bietet eine – oft extrem detaillierte – Auseinandersetzung mit dem Rassismus in seinem Land, mit dem Populismus seines Nachfolgers und mit den Besonderheiten vieler US-Partner:innen auf der internationalen Bühne. Und er würzt das Ganze mit Einblicken in seine Kindheit, seine Ehe, seine Vaterschaft.

Aber der Kritik an der weit ins Lager von Konzernen und Wall Street und militärisch-industriellem Komplex abgedrifteten Demokratischen Partei geht er aus dem Weg. Er reflektiert auch nicht über seine eigene Verantwortung für die Enttäuschungen an der Basis.

Die Occupy-Wall-Street-Bewegung, die zumindest die Sprache in der Politik radikal verändert hat, kommt bei ihm gar nicht erst vor. Chelsea (ex-Bradley) Manning, die 2010 die bis dahin größte Enthüllung aus dem Militärapparat an die Öffentlichkeit brachte, erwähnt er nicht. Und auch der Machtkampf in der Demokratischen Partei ist kein Thema. Bernie Sanders, die zentrale Figur der Linken, wird in dem Buch nicht zitiert. Und Elizabeth Warren, die ebenfalls versucht hat, die Partei weiter links zu verorten, kommt nur ein einziges Mal vor.

Barack Obama: „Ein verheißenes Land“. Penguin Books, 1.024 S., 42 Euro

Immer noch jugendlich

Der inzwischen 59-jährige Obama war nach den Bush-Jahren der linke Hoffnungsträger. Vielleicht war das ein Missverständnis. In seinem Buch beschreibt er sich selbst als „Reformer“, „konservativ im Temperament“ und möglicherweise „auch in der Vision“.

Er ist immer noch jugendlich und cool. Wenn er in diesen Tagen Interviews gibt, stiehlt er seinem Nachfolger problemlos die Schau. So verhält es sich auch mit seinem ehemaligen Vizepräsidenten. In den letzten Tagen von Joe Bidens Wahlkampf ist Obama ein paarmal für ihn in die Bütt gestiegen. Bei den gemeinsamen Auftritten im Rust Belt und in Philadelphia ist Obama der Star. Der 18 Jahre ältere Präsidentschaftskandidat, der acht Jahre lang die zweite Nummer hinter Obama war, versucht gar nicht erst, zu glänzen.

Die beiden Männer sind Freunde. In „Ein verheißenes Land“ ist Biden eine häufig genannte Person. Aber er brilliert nicht. Er steht nicht einmal immer auf Obamas Seite. 2011, bei der Tötung von Osama bin Laden, ist der Vizepräsident ein Bremser. Der Biden von Oba­ma ist verlässlich, loyal und hat Anstand. Er habe, schreibt Obama, „ein gutes Herz, außenpolitisches Fachwissen“ und gefalle „der Arbeiterklasse“.

Konfrontiert mit Rassismus

Obamas Manuskript war drei Monate vor den Wahlen Anfang November fertig, bei denen 72 Millionen Menschen – darunter viele aus der Arbeiterklasse – für Donald Trump gestimmt haben. Als Hauptgrund für Trumps Erfolg sieht Obama den Rassismus, mit dem er selbst während seiner Amtszeit konfrontiert war.

Die Anfänge davon datiert er vor das Jahr 2011, als Trump die Lügenkampagne startete, die Obamas Geburt in den USA bestritt. Nach Obama begann es mit der Nominierung von Sarah Palin als Vizepräsidentschaftskandidatin von John McCain im Jahr 2008. Er betrachtet es als Wendepunkt, dass es der Mehrheit der Republikaner egal war, dass sie von den wichtigen Themen des Landes „nicht die geringste Ahnung“ hatte.

Das Mega-Buchgeschäft des Jahresendes

Bei Erscheinen des Buches ist Palin eine von wenigen Republikanern, die reagiert. Sie witzelt, sie sei stolz, dass Obama sich seit zwölf Jahren mit ihr beschäftigt.

„Ein verheißenes Land“, das gleichzeitig in 25 Sprachen erschien, ist das Mega-Buchgeschäft dieses Jahresendes. Es ist Obamas dritte Autobiografie. Und es ist noch lange nicht zu Ende. Im nächsten Band will er sich mit seinen Weiße-Haus-Jahren nach 2011 befassen.

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