In der Trauma-Hüpfburg

Die AutorInnentheatertage im DT präsentieren neue Dramen. Dabei ist ein Stück über einen jungen Soldaten, der sich selbst verbrennt

Szene mit Katrin Wichmann, Manolo Bertling aus „When There's Nothing Left To Burn You Have To Set Yourself On Fire“ Foto: Arno Declair

Von Katja Kollmann

Die Zerstörung, die hinter einem Einkaufszentrum steht, ist kaum zu fassen“, kontstatiert der Autor Chris Michalsky. Sein Stück „When there`s nothing left to burn you have to set yourself on fire“ hat das Paunsdorf Center im Leipziger Osten als Epizentrum. Für Petra, die Hauptfigur, ist das Einkaufszentrum Lebensinhalt, für Jan L. ist es der Ort, an dem er sich öffentlich verbrennt. Petra geht mit einem Videoblog, in dem sie nach den Ursachen der Selbstverbrennung forscht, an die Öffentlichkeit.

Michalskys Text gehört zu den drei Dramen, die einen Stückwettbewerb gewonnen haben und jetzt während der AutorInnentheatertage am Deutschen Theater, die noch bis Sonntag dauern, präsentiert werden. Zwei Uraufführungen, „White Passing“ von Sarah Kilter und „Ich, Wunderwerk und how much I love disturbing content“ von Amanda Lasker-Berlin, kommen an diesem Wochenende als Gastspiele vom Schauspiel Leipzig und aus Graz zu Besuch. Und ein alter Bekannter gesellt sich dazu. Denn das Stück mit dem langen englischen Titel wurde am Deutschen Theater von Tom Kühnel inszeniert und schon seit Anfang Juni open air hinter dem DT gespielt.

Katrin Wichmann hat also eine Hipstermütze auf, ihr Abbild erscheint auf einem türgroßen Handydisplay, das in einer Hofecke des Deutschen Theaters steht. Lawinenartig bricht das Videoblogger-Stakkato in diesen neu geschaffenen Theaterraum ein. Petras Sprache bewegt sich zwischen Empathie, Indiskretion, Hilfslosigkeit und inflationärem Product Placement. Katrin Wichmann stattet sie mit einer passgenauen, gerade noch nicht nervenden Stimme aus. Inzwischen wächst ein kohlschwarzes, mit Luft gefülltes Bühnenbild (Jo Schramm) in die Höhe. Auf diesem wackeligen Terrain empfängt Petra ihre Interviewgäste: den therapiebedürftigen Bruder von Jan, die aufräumwütige Mutter und die sächsisch-schlodrige, auf „Nomalität“ pochende Witwe sowie zwei Angehörige der Bundeswehr. Manolo Bertling und Anja Schneider springen gekonnt in diese Rollen. In der Regie von Tom Kühnel behalten alle Figuren ihre Würde. Schmunzeln ist außerdem erlaubt.

Irgendwann steht hoch über der Trauma-Hüpfburg, auf einer alten Mauer, Jan L. in der Tarnuniform der Bundeswehr, breitbeinig, bewaffnet. Das Publikum weiß inzwischen, dass Jan L. zwei Monate im Afghanistaneinsatz war und verändert zurückkam. In Petras Videoblog erinnert sich ein Offizier an den Soldaten Jan L., der Fußballtrikots für afghanische Kinder organisiert hatte. Der lächelnd inmitten der beschenkten Kinderschar stand, bis ein Kamerad in die Luft schoss und sich die Truppe zurückzog. Am nächsten Tag hingen die Trikots an Grabsteinen. Der Offizier kommentiert: „Wir wissen nicht, was der Unterschied ist zwischen dem Feind und den anderen. Uns fällt der Unterschied nicht auf.“ Fast ein Kommentar zur Stunde.

Nachdem sie sich in die Toilette des Paunsdorf Centers zurückgezogen hatte, wendet Petra sich an ihre Follower: „Checkt ihr es? Wie alles einfach so weitergehen kann? Wie uns die Dinge aushalten? Wir sind so verdammt verlaufen.“ Das schwarze Luftschloss liegt erschöpft am Boden. Der alte Baum wirft darüber seinen Schatten. Das Publikum geht.

Das Stück von Chris Michalski ist am 4. 9. um 17.30 und 20.30 Uhr zu sehen. Mehr zu den AutorInnentheatertagen:

www.deutschestheater.de