Debütalbum von OneTwoThree: Dreifach Schmackes vom Bass

Drei Bässe, drei unterschiedliche Biografien: Das Trio OneTwoThree aus Zürich rollt den Postpunkfaden aus feministischer Perspektive neu auf.

Die Zürcherinnen OneTwoThree

Bass erstaunt: OneTwoThree aus Zürich Foto: Jozo Palkovits

Its All About That Bass, oder noch besser: its all about drei Bässe. Die Schweizer Band OneTwoThree besteht aus drei Bassistinnen, von denen jede ein beachtliches musikalisches Erbe mitbringt. Klaudia Schifferle, heute Malerin und Bildhauerin, war bis 1983 Mitglied der legendären Postpunkband Kleenex, die sich aus namensrechtlichen Gründen in LiLiPUT umbenennen mussten. Kostümdesignerin Madlaina Peer spielte bei den in der Tat ziemlich unbekannt gebliebenen Noknows, von denen es leider keine Aufnahmen gibt.

Und Sara Schär stieg 1978 als 14-Jährige bei der Zürcher Punkband TNT als Sängerin ein, nachdem sie vorher schon in der Band Züri Selbstbefriedigungsgruppe („Züri SS“) Bass gespielt hatte. Schär ist von den dreien am ausdauerndsten musikalisch aktiv gewesen, sie war in den mittleren 1980ern Bassistin der Band The Kick, Sängerin von Souldawn und Jailbreak, die sich 2017 trennten.

Drei Künstlerinnen, die sich lange kennen, aber erst im fortgeschrittenen Alter ein gemeinsames Projekt ins Leben rufen: Kann das gutgehen? Knappe Antwort: Sehr gut sogar. Die Basis des OneTwoThree-Sounds liegt klar in der Tradition des Postpunk. Alle drei Musikerinnen spielen Bass, aber nicht gleichzeitig. Man hört jeweils individuelle Unterschiede und Spielweisen heraus, zusätzlich kommen Schlagzeug, Farfisa-Orgel, Synthies und Gitarre zum Einsatz, die für pointierte Details in den durchgängig tanzbaren Tracks sorgen.

Starke Musikerinnen

Spontan kommen einem/r Delta 5, Au Pairs, Pylon, The Raincoats, Bush Tetras in den Sinn, Kleenex/LiLiPUT sowieso, spätestens aber im gepfiffenen Teil von „Oh Boy“ – lauter Bands, die von starken Musikerinnen geprägt waren und den Bass ins Zentrum stellten. Im Postpunk befreiten sich die Frauen vom straight-maskulin dominierten Punkrock, könnte man sagen. Allen voran die mächtigen Slits, they heard it through the bass line, siehe und höre deren geniale Coverversion des Klassikers von Marvin Gaye.

OneTwoThree: „OneTwoThree“ (KillRockStars/Redeye)

Natürlich profitierten auch Männer vom freieren Ansatz des Postpunk, man denke an die Dub-Experimente von PIL, die funkverliebte Pop Group oder Andy Gills Gang of Four, die im Lauf ihrer wechselvollen Geschichte zwei herausragende Bassistinnen hatten, Sara Lee und Gail Ann Dorsey.

Kollektives Brodeln

Nun ist OneTwoThree aber kein retroseliges Feierabendhobby, sondern 2018 aus dem Drang entstanden, sich endlich wieder musikalisch zu artikulieren. Die Zeit war reif. Schifferle ergriff die Initiative, die beiden anderen mussten nicht lange überredet werden. „Es brodelte bei allen“, erklärte Schär kürzlich in einem Interview.

Und ­dieses Brodeln ist in allen elf Tracks dieses erstaunlichen späten Debütalbums spürbar, vom ersten Ton des elastischen Auftaktsongs „Perfect Illusions“ bis zum luxuriöse sechs Minuten dauernden Finale „Things“. Scheinbar assoziativ werden die unterschiedlichsten Dinge aneinandergereiht, „loud things, terrific things, tricky delicate wet things“, und „funky things, bril­liant things, sharp tickling noisy things“.

Auch „Bubble“, das auf der prägnanten Bassline von Cyndi Laupers „She Bop“ aufgebaut ist, dekliniert die Idee allgegenwärtiger, sich überlagernden Blasen durch, „bubbles crash, bubbles clash, bubbles mash“.

Der spielerische, klangverliebte Umgang mit Sprache verbindet One­TwoThree mit Schwestern im Geiste wie Chicks On Speed und Woog Riots (okay, bei dem Duo aus Darmstadt ist auch ein Bruder dabei), aber auch den MeisterInnen der „Wordy Rappinghood“, dem Tom Tom Club. Die Worte sollen aber nicht nur ästhetisch gut zueinanderpassen, Peer, Schär und Schifferle haben klare Ansichten und Anliegen.

Konsum, Konsum, Konsum

Konsum- und Kapitalismuskritik zum Beispiel: So wird in „Buy Buy“ streng und lapidar gefordert: „buy this and that and this and that“, während der Backgroundchor entrückt säuselt, „we want flowers from outer space“ – nichts ist unmöglich, oder? Die Message von „Fake“ ist so eindeutig wie punkig: von fake sugar über fake money bis zu fake drugs lässt man sich alles Mögliche andrehen und fühlt sich auch noch hip dabei. OneTwoThree singen Englisch, mit unkaschiert kehlig-harter Schweizer Intonation, was toll ist, weil gar nicht erst der Eindruck entsteht, es könne sich um Native Speakers handeln.

Englisch fungiert bei OneTwoThree als Chiffre einer selbstverständlichen Weltoffenheit, zu der es passt, dass das Album beim US-Label Kill Rock Stars veröffentlicht, das Riot-Grrrl-Bands wie Bikini Kill, Sleater-Kinney, Huggy Bear und Bratmobile betreut – und das Frühwerk von Kleenex/LiLiPUT vorbildlich wiederveröffentlicht hat, wodurch auch der Kontakt zu Klaudia Schifferle entstand. Eine grandiose Fügung, denn die Schweiz allein wäre viel zu eng(stirnig) für OneTwoThree.

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