Neues Trashpop-Album von The Sex Organs: Altbewährtes Nippelzwicken

Das Trashpunk-Duo The Sex Organs zeigt mit dem Album „We’re Fucked – the ultimate Soundtrack to the Downfall“ der Apokalypse den Mittelfinger.

Verkleidet als Genitalien: The Sex Organs aus Zürich in einer Gaststube

Verkleidet als Frau Vulva und Herr Penis: The Sex Organs Foto: Voodoo Rhythm Records

Geschlechtsorgane werden oft synonym für Fortpflanzungsorgane verwendet. Fortpflanzung steht für Reproduktion und die wiederum steht für – um es abfällig zu formulieren – einen Abklatsch. So wie Kinder gewissermaßen ein Abbild ihrer Eltern sind, ist das Zürcher Duo The Sex Organs so etwas wie das ungehobelte Duplikat der kalifornischen Garagenpunkband The Mummies.

Nach zehn Jahren Erdenmission sind die Schweizerin Jackie Brutsche und der Niederländer Bone zur bittersüßen Erkenntnis gekommen, dass die Menschheit am Abgrund steht und es keine Hoffnung mehr auf Besserung gibt. Beim Sackenlassen dieser Analyse, hilft gleich mal das zweite Album der Sex Organs: Denn „We’re Fucked – the ultimate Soundtrack to the Downfall“ ist der bündig zusammengefasste Albumtitel zur Weltlage.

Konsequent verkleidet

Bei der Diagnose gehen die beiden Künst­le­r:In­nen konsequent verkleidet zur Sache: Brutsche ist die zähnefletschende Vulva, Bone der einäugige Penis. Ja, ja, infantiler Humor mag man denken. Aber es gerät in Vergessenheit, dass Punk immer auch bedeutet hat, sich nie zu ernst zu nehmen und vor allem, dabei Spaß zu haben. Bitte also diese Maxime bei der bevorstehenden Apokalypse nicht vergessen!

Denn die scheppernde Musik der Sex Organs steht sinnbildlich für trashigen LoFi-Rock-’n’-Roll und schmierige Bad-Taste-B-Movie-Ästhetik. Folgerichtig lassen sich die beiden Mu­si­ke­r:In­nen durch ihre menschlichen Sklaven – von ihrem Label Voodoo Rhythm Records – in genau diesem Science-Fiction-Spezifikum verkünden: Die zwölf Songs seien eine große Chance, die Menschheit doch noch vor dem Untergang zu retten!

The Sex Organs: „We're Fucked“ (Voodoo Rhythm)

Oder, wie Bone im Interview mit der taz durch die Blume sagt: „Das Klügste, was man tun kann: Entweder selbst ficken oder sich ficken lassen.“ Die Songs der Sex Organs sind ergo vollkommen durchsexualisiert, sie rufen zum „Let’s fuck around“ auf, beschweren sich über „Hair in my mouth“ und bestrafen die, die nicht zuhören mit dem „Nipple Twister“.

Ihr Leitmotiv ist eingängig und zwanglos: Hochrhythmische Klangentfaltungen, minimales, aber bärbeißiges Getrommel und rotzfreche, ungehobelte Texte. Da gibt es Wimpernschläge, bei denen man versucht ist, ein wenig müde mit den Augen zu rollen. Wobei „Where is My Dildo“ – eine Coverversion des Songs „I Want Candy“ von The Strangeloves – euphorisierend amüsiert. Aber ja, das überspitzte und direkte Songwriting ist primitiv – so wie die menschliche Faszination für Sex nun mal ist: Was soll denn der Song „Sexual Healing“ von Marvin Gaye auch sonst sein? Eben!

Das große Warum

Eine Frage stellt sich Bone dennoch: „Männer wollen immer die Drüse berühren und Frauen wollen immer ungefragt in die Vagina eintauchen. Warum?“ Gitarre, Schlagzeug, Gesang: Der Sound der Sex Organs ist auf das Wesentliche reduziert und funktioniert altbewährt.

Für die Aufnahmen sind sie ins südfranzösische Toulouse gereist, um im Swampland Studio mit Produzent Lo’Spider zu arbeiten. Ein finsterer Schattenboxer ist auch dieser Toningenieur und Musiker. Bereits 1999 hatte er als Mitglied der Jerry Spider Gang den Stooges-Song „Cock in My Pocket“ gecovert und damit vielleicht bereits das Vorspiel für The Sex Organs bereitet. Seine Arbeiten aus den Swamp­land Studios widmen sich dem Exotischen, dem Psychedelischen, dem tragischen Blues.

Das passt. The Sex Organs versuchen nicht, das Rad neu zu erfinden, sondern fügen ihm „besonderen Geruch und Flüssigkeit hinzu“, erklärt Bone. Alles sei hoffnungslos ernst, daher will das Duo seine Zeit auf dem Planeten für anderes nutzen.

So charmant The Sex Organs in ihrer DiY-Twanginess auch klingen, nichts davon passiert zufällig. Sie sind eine Konzeptband, die die Absurdität bis ins Äußerste reizt. Das Stop-Motion-Musikvideo zu „I Hate Underpants“, das Brettspiel zu ihrem Debütalbum „Intergalactic Sex-Tourists“, die Merchartikel – von Actionfiguren bis zu sexy Grußpostkarten. Alles ist liebevoll gestaltet und ins Detail verliebt.

Das mag an Brutsches Ausbildung liegen, sie studierte an der Zürcher Hochschule der Künste Modedesign und Film. Als interdisziplinäre Künstlerin überlässt sie nichts dem Copyshop, sie konstruiert. Das macht The Sex Organs zwar ein bisschen vorhersehbar, und man sehnt sich manchmal nach – nun ja – etwas ­weniger Altbewährtem.

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