Kommentar von Michael Braun zur Regierungskrise in Italien
: Rom rückt nach rechts

Gestrauchelt war Italiens Ministerpräsident Mario Draghi über seinen Konflikt mit den ihn bisher stützenden Fünf Sternen. Gestürzt aber ist er vor allem dank der italienischen Rechten, dank Matteo Salvinis Lega und Silvio Berlusconis Forza Italia, die ebenfalls zu seiner Koalition der nationalen Einheit gehörten. Die Rechtspopulisten versuchten, dem Premierminister Konditionen zu diktieren, angefangen bei der Zusammensetzung des Kabinetts, was einen kräftigen Rechtsruck bedeutet hätte. Und beide handelten im Wissen, dass der Rechtsblock bei einem Scheitern dieses Versuchs eine valide Auffanglösung parat hat: Neuwahlen, bei denen ihr Lager klar favorisiert wird.

Zu diesen Neuwahlen wird es voraussichtlich am 2. Oktober kommen. Dass jetzt gegenüber dem regulären Wahltermin im März 2023 sechs Monate früher gewählt wird, ist für sich genommen kein Drama. Ein Drama allerdings, für Italien und für Europa, ist der zu erwartende Wahlausgang: ein Sieg, womöglich gar ein Kantersieg der klar populistisch dominierten Rechten.

Zwei Kräfte geben in ihr den Ton an. Vorne liegt mittlerweile die postfaschistische und stramm nationalistische Kraft Fratelli d’Italia (FdI, Brüder Italiens) unter Giorgia Meloni. Sie stand immer in Opposition zu Draghi, und sie kommt in den Umfragen auf 22 bis 24 Prozent. Salvinis Lega dagegen ist auf nur noch 15 Prozent abgestiegen.

Salvini und Meloni wetteifern in ihrer Fremdenfeindlichkeit genauso wie in ihrem EU-Ba­shing, sie rühmen sich ihrer Freundschaften mit Viktor Orbán, Marine Le Pen und Jarosław Kaczyński. Und sie schicken sich an, nicht irgendein EU-Land zu übernehmen, sondern die drittgrößte Volkswirtschaft – zugleich aber auch die Volkswirtschaft mit den größten Problemen in der EU und der Eurozone. Italiens Staatsverschuldung liegt bei 150 Prozent, und jetzt – bei wieder anziehenden Zinsen – wird diese Verschuldung erneut Thema auf den „Märkten“, die noch kritischer hinschauen werden, wie das Land seiner Schwierigkeiten Herr werden will. Und ob es in der Lage und bereit ist, seine Reformagenda umzusetzen.

Natürlich war Draghi nicht die Lösung des Problems – doch er galt als Bürge für eine Politik, die auf Stabilität auch in instabilen Zeiten zielte. Gleiches lässt sich über Meloni und Salvini keinesfalls behaupten: Einmal an der Regierung, hätten sie das Zeug dazu, große Sprengkraft für die EU und den Euro zu entfalten.

Stramm rechtspopulistische Regierungen kannten wir bisher nur aus Osteuropa, aus Polen oder Ungarn. Wir sollten uns mit dem Gedanken vertraut machen, dass eine solche Regierung jetzt auch in Italien droht.