Ceta-Abkommen
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Zu wenig staatliche Kontrolle

Viele Grüne haben einst dagegen protestiert, jetzt haben sie mit für die Ratifizierung des Ceta-Abkommens gestimmt. Warum ist das problematisch – und wie geht’s jetzt weiter? Ein Q&A

Ein aufblasbares braunes Pferd in Überlebendgröße trägt ein Anti-Ceta Transparent, eine Aktivistin hält es an der Leine

Foto: Eine Demonstrantin in Brüssel stellt CETA als trojanisches Pferd dar Foto: Wiktor Dabkowski/picture alliance

VonLeila van Rinsum

Lange passierte nichts, dann ging es ganz schnell. Am Donnerstag hat der Bundestag das EU-kanadische Handelsabkommen Ceta ratifiziert. Die Verhandlungen dazu begannen vor über 13 Jahren. Die Regierungsparteien und Unionsfraktion nahmen den Antrag an, Die Linke und AfD stimmte dagegen.

Zu den Großdemonstrationen gegen Ceta und das Schwesterabkommen TTIP mit den USA gingen 2015/2016 noch Hunderttausende auf die Straße. Darunter auch viele der Grünen-Abgeordneten, die den Vertrag am Donnerstag absegneten.

Als neues „Kapitel in der Handelspolitik“, das Klimaschutz und Nachhaltigkeit in den Mittelpunkt stelle, feiert Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge zu Beginn der Debatte im Bundestag das Abkommen. Die Ampelregierung war sich selten so einig wie bei Ceta: Vor dem Hintergrund von Pandemie, Krise in China und dem russischen Angriffskrieg, in Zeiten fragiler Lieferketten und Energiekrise, brauche es mehr Handel mit Demokratien, die „unsere Werte“ teilten. Darum geht es.

Die Kritik: Klimaschutz und demokratische Kontrolle

Gewerkschaften, Umwelt- und Menschenrechtsorganisationen kritisieren die im Investitionsschutzkapitel enthaltenen separaten Schiedsgerichte, vor denen Unternehmen Staaten verklagen können. Auch die sogenannten gemeinsamen Ausschüsse mit Ver­tre­r:in­nen aus der EU und Kanada sehen die Kri­ti­ke­r:in­nen als Gefahr, da sie sich demokratischer Kontrolle entzögen und Unternehmen mehr Macht zusprächen. Diese würden dort über Regulierungen etwa zur Zulassung von Pestiziden unterrichtet und könnten sie unbemerkt verhindern. Die Angst, dass Umwelt- und Verbraucherstandards auf beiden Seiten des Atlantiks auf das jeweils niedrigere Level abgesenkt werden, ist weiterhin groß.

Der Kompromiss: Bessere Schiedsgerichte und Nachtrag

Um der Kritik an den Schiedsgerichten zu begegnen, schuf die Europäische Kommission eine neue Instanz, das Investment Court System (ICS). Der Unterschied zum Schiedsgericht, wie es etwa beim Energiechartavertrag zum Einsatz kommt, ist, dass Schieds­rich­te­r*in­nen von den Vertragsstaaten berufen werden statt von den Streitparteien selbst. Die Verhandlungen sollen öffentlich sein. Außerdem wurde eine Berufungsinstanz eingeführt.

Um weiter Klarheit zu schaffen, initiierte die Bundesregierung außerdem eine Interpretationserklärung, die Rich­te­r:in­nen bei Entscheidungen Weisung geben soll. Beispielsweise wird dort die Zielsetzung von Staaten, das Pariser Klimaabkommen einzuhalten, genannt.

Ursprünglich hatte die Ampel angekündigt, Ceta erst ratifizieren zu wollen, wenn die Interpretationserklärung vom gemeinsamen Ceta-Ausschuss der EU und Kanada angenommen ist. Das ist noch nicht passiert. Sie wurde auch nicht veröffentlicht. Zivilorganisationen leakten eine Fassung – und kritisieren sie als unzureichend. Mit ihr könne nicht verhindert werden, dass Unternehmen – wie etwa beim Energiecharta- Vertrag – Staaten in Millionenhöhe verklagen, etwa weil deren Klimagesetzgebung ihre Investitionen gefährde. Das haben Gerichte in Vergangenheit als „indirekte Enteignung“ ausgelegt. Die Formulierung ist weiterhin in der geleakten Version vorhanden. Im Koalitionsvertrag sollten nur Klagen bei „direkter Enteignung“ zugelassen werden.

In Sachen Nachhaltigkeit heben die Grünen die Einführung der sogenannten Review-Klausel hervor. Nach Ratifizierung kann durch ihre Aktivierung der bereits geltende Handelsteil überarbeitet werden.

Was bisher geschah

Der Handelsteil des Abkommens ist bereits seit 2017 in Kraft, weil er allein in den Zuständigkeitsbereich der EU fällt. Damit wurden 98 Prozent der Zölle abgebaut. Noch nicht ratifiziert ist das umstrittene Kapitel zum Investitionsschutz, dies muss durch die EU-Mitgliedstaaten geschehen. Nachdem das Bundesverfassungsgericht im März Klagen von NGOs gegen die vorläufige Anwendung von Ceta abgewiesen hatte, nahm die Debatte über die endgültige Ratifizierung wieder Fahrt auf. Zum Investitionsschutz hatte sich das Gericht nicht äußern wollen, da dieser Teil noch nicht ratifiziert war.

Der Handel mit Kanada: neue Investitionen

Künftig könnten Unternehmen Staaten in Millionenhöhe verklagen

Bislang hat die Abschaffung der Zölle wenig Wirkung gezeigt: Nach Informationen der Bundesregierung stand Kanada im Jahr 2021 an 36. Stelle beim Wert aller Waren, die Deutschland aus Kanada importiert. Kanada ist als Empfänger deutscher Waren auf Platz 27. Insgesamt belief sich der Warenhandel zwischen Kanada und Deutschland auf 16,2 Milliarden Euro.

Aber: Kanada wird ein wichtiger Handelspartner in der Energiewende sein. Bundeskanzler Olaf Scholz besuchte das Land im August mit großem Aufgebot. Mit dabei war Wirtschaftsminister Robert Habeck, begleitet von Konzernchefs von Uniper, Siemens Energy und Volkswagen. Es ging um Investitionen in Wasserstoff und einen langfristigen Aufbau von Flüssiggas-Lieferungen aus Kanada. Für den Ausbau von elektrischer Energie sind außerdem Rohstoffe wie Kobalt, Graphit, Lithium und Nickel relevant, die für die Herstellung von Batterien benötigt werden und schon jetzt das größte Handelsvolumen an Einfuhren nach Deutschland ausmachen.

Aber auch Symbolpolitik gen Russland dürfte eine Rolle spielen. Deutschland kann mit der Ratifizierung von Ceta und der angekündigten Neuauflage des US-Handelsabkommens TTIP zeigen, dass der Westen zusammenrückt.

Der Ausblick: Ceta bleibt ungewiss, TTIP ist in den Startlöchern

Neben Deutschland müssen noch elf weitere Länder das Handelsabkommen ratifizieren. Bis jetzt steckt hier jedoch wenig Bewegung drin. Derzeit sieht es nicht so aus als würde Deutschlands Schnelldurchgang bei der Ratifizierung anderen Ländern Tempo machen. Irlands Oberster Gerichtshof entschied jüngst, dass die in Ceta vorgesehenen Schiedsgerichte nicht mit der irischen Verfassung konform seien.

Als nächstes will die Bundesregierung Verhandlungen mit den USA zu einer Neuauflage des Handelsabkommens TTIP vorantreiben. Auch Mercosur sowie Abkommen mit Mexiko und Chile stehen auf der Agenda. Scholz hat angekündigt, künftig Wege zu erproben, um nationale Abstimmungen zu vermeiden. Der Investitionsschutz könnte in separaten Abkommen verhandelt werden. Deutschland und die EU  wollen zumindest daran festhalten. Die Bundesregierung sieht Ceta als „Maßstab“ für zukünftige Handelsabkommen.