„krieg und frieden“: ein tagebuch
: Einreiseverbot in Georgien: Kafka lässt grüßen

Aus Jerewan Filipp Dzyadko

Nur noch zwei Schritte, dann wäre ich zu Hause, bei meiner Familie. Doch der Grenzer sagt: „Ihnen wird die Einreise verweigert.“ Ohne Angabe von Gründen. Herzlich willkommen, nicht zu Hause, sondern in der Welt von Franz Kafka.

Georgien ist eines der Hauptziele russischer Migranten. Nach dem 24. Februar 2022 kamen überstürzt Zehntausende, die Putins Krieg nicht unterstützen. Auch ich habe mit meiner Familie ein Jahr lang in Georgien gelebt. Und erlebte dann für 24 Stunden so etwas wie der Protagonist im Spielberg-Film „Terminal“, gespielt von Tom Hanks. Als Bürger einer osteuropäischen Diktatur ist dieser gezwungen, auf einem Flughafen zu leben. Er wird dort als „unerwünschtes Element“ bezeichnet.

Ich kam von einer Dienstreise aus Berlin zurück. Bei der Passkontrolle in Tbilissi hieß es, es gäbe einen „Systemfehler“. Das Foto aus meinem Pass wurde irgendwem per Whatsapp geschickt. 23 Stunden verbrachte ich daraufhin in einer Arrestzelle, um dann zu hören: „Einreise verweigert“. Immer öfter können Menschen aus Russland nicht mehr nach Georgien einreisen. Vielleicht möchte das Land nicht als Hort von Putin-Gegnern gelten. Vielleicht liegen dort Listen des russischen Geheimdienstes aus. Oder die Regierung der Kaukasusrepublik weiß schlicht nicht, wie sie mit der neuen Realität umgehen soll.

Mir wurde gleich am Flughafen vorgeschlagen, ich solle mir doch ein Flugticket „irgendwohin“ kaufen. Ich kaufte dann eins ins benachbarte Armenien, um in der Nähe meiner Familie zu sein, die in Georgien blieb. Und ich dachte: Wo sollen wir jetzt eigentlich neu anfangen? Meine Frau, meine Tochter, die das Schuljahr in ihrer georgischen Schule beenden muss.

Warum ich nicht einreisen durfte? Jemand meinte, es sei vielleicht wegen meines Romans „Radio Martyn“. Darin geht es um einen oppositionellen Piratensender und die Giganten, die Putins Welt und seine Propaganda zerstören. Eine andere Vermutung: Vor zehn Jahren war ich aktiv im „Koordinierungsrat der Opposition“. Oder: Weil mein Bruder Chefredakteur des oppositionellen russischen TV-Senders Doshd ist. Was immer auch die Erklärung sein mag, meine Einstellung zu Georgien ändert das nicht: Ich werde das Land weiter lieben. Denn ein Staat und die Menschen, die darin lieben, sind zwei unterschiedliche Dinge.

Und die Hauptsache: Die Geschichte meines Einreiseverbotes ist nichts im Vergleich zu Putins Verbrechen in der Ukraine. Ich weiß, dass der Krieg irgendwann vorbei sein wird. Russland wird besetzte Gebiete zurückgeben und Kompensationen zahlen, Kriegsverbrecher kommen vor Gericht. Die dunkle Vergangenheit wird aufgearbeitet. Dies würde auch Georgien und anderen Ländern helfen, die unter der Nachbarschaft eines kranken Staates leiden.

Aus dem Russischen von Gaby Coldewey. Finanziert wird das Projekt von der taz Panter Stiftung. Das Tagebuch ist online bei taz.de auf Russisch und Deutsch zu finden. Ein Sammelband mit den Tagebüchern ist im Verlag edition.fotoTAPETA erschienen.