Angst vor dem Dritten Weltkrieg

Weil am Montag mit „Air Defender 23“ das bisher größte Luft-Manöver der Nato beginnt, protestieren Friedensgruppen auch im Norden

Von Kaija Kutter

In Rendsburg war der Lärm der landenden Flugzeuge auf dem Fliegerhorst Jagel schon vergangene Woche zu hören. Allein 100 Flugzeuge kommen nach Information der Bundeswehr aus den USA nach Deutschland, um mit insgesamt 250 Maschinen aus 25 Ländern die „größte Verlegeübung von Luftstreitkräften seit Bestehen der NATO“ zu proben.

Es kann „auch mal lauter“ werden, schreibt die Luftwaffe auf ihrer Homepage über „Air Defender 23“. Vom 12. bis zum 23. Juni proben bis zu 10.000 Übungsteilnehmer ein „Nato Artikel-5-Beistandsszenario“ unter deutscher Führung. Das Großmanöver wurde schon 2018 – also weit vor dem Ukraine-Krieg – beschlossen und in den Folgejahren „ausgeplant“.

Dabei geht man von dem geopolitischen Szenario in einem „fiktiven Jahr der Zukunft“ aus, bei dem die „jahrelange Konfrontation der Nato mit dem östlichen Militärbündnis Occasus“ den Boden Deutschlands erreicht und feindliche Kräfte im Osten schon etwa ein Viertel des Landes besetzt halten und versuchen, nach Norden zur Ostsee vorzustoßen.

Insbesondere die Standorte Wunstorf bei Hannover und Jagel bei Schleswig seien „Dreh- und Angelpunkte“ der Übung, so die Bundeswehr. Besonders bei den Start- und Landesphasen komme es zu einer höheren Lärmbelästigung als üblich. Um Rücksicht zu nehmen, nutze die Luftwaffe Korridore über dünn besiedelten Gebieten. Auch würden die Übungsgebiete weiträumig verteilt und „zeitlich gestaffelt“.

„Die Bundeswehr tut so, als ob das einzige Problem der Fluglärm wäre“, sagt Gerhard Biederbeck. Der pensionierte Lehrer für Deutsch und Politik gehört zur „Friedensini­tiative Neustadt/Wunstorf“, die am Samstag zur Demo vor dem Haupttor des Fliegerhorstes Wunstorf ludt. Der Veranstalter zählte 400 Friedensaktivisten aus ganz Norddeutschland. „Der Krieg war noch nie so nah wie jetzt“, sagt Biederbeck. „Wir fordern sofort diplomatische Verhandlungen, damit der Dritte Weltkrieg abgewendet wird.“

Die Flüge beim Manöver gingen regelmäßig Richtung Baltikum und Rumänien bis zur russischen Grenze, sagt Biederbeck. „Die Frage ist: Wirkt so ein Manöver eskalierend oder nicht? Wir sagen, es wirkt eskalierend.“ Der Gegner müsse dieses Manöver als beunruhigend empfinden. „Ich habe Sorge, will dabei aber nicht alarmistisch sein“, fügt er hinzu.

Die Friedensgruppe will nicht als „Putin-Versteher“ gelten. Sie sei unabhängig und gehöre zu keiner Partei. Insgesamt sind nach Informationen des Netzwerks Friedenskooperative für die nächsten Tage über ein Dutzend Aktionen gegen das Großmanöver geplant. Im Norden gibt es am Dienstag in Lüchow um 17 Uhr eine Mahnwache auf dem Marktplatz unter dem Motto „Den Himmel entrüsten!“ und am Mittwoch um 12 Uhr eine Mahnwache direkt vor dem Haupttor des Tornado-Standortes Jagel.