„Was soll ich machen? Eine Revolution ausrufen?“
Stadtentwicklungssenator Christian Gaebler (SPD) sieht in der Vergesellschaftung kein Mittel, um endlich wieder Hoheit über den Wohnungsmarkt zu erlangen. Politisch fühlt er sich der CDU näher als Grünen und Linken
Interview Erik Peter
und Uwe Rada
taz: Herr Gaebler, beim Haushaltsentwurf von Schwarz-Rot hat Ihr Haus keine Federn lassen müssen. 2024 und 2025 steigt die Wohnungsbauförderung von 750 Millionen auf jeweils 1,5 Milliarden. Ist das gut angelegtes Geld?
Christian Gaebler: Auf jeden Fall! Wir wollen eine hohe Anzahl von Wohnungen mit Sozialbindung haben. Deshalb hat die Koalition beschlossen, das finanziell zu untersetzen. Damit wollen wir das Ziel von 5.000 geförderten Wohnungen im Jahr schaffen.
Werden private Unternehmen gefördert, fällt die Sozialbindung nach 20 Jahren weg. Könnte man mit dem Geld nicht die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften in die Lage versetzen, diese 5.000 Sozialwohnungen zu bauen und dauerhaft zu sichern?
Mit der neuen Förderung sind 30 Jahre Bindung vorgesehen, und es sind ja vor allem die städtischen Gesellschaften, die Sozialwohnungen bauen. Mit einem isolierten Förderprogramm nur für sie würden wir ein beihilferechtliches Problem bekommen. Außerdem wollen wir auch, dass die Privaten bezahlbare Wohnungen bauen. Berlin hat gar nicht so viele landeseigenen Grundstücke, auf denen Wohnungen in dieser Größenordnung gebaut werden können.
Könnte man die Fördermittel auch an andere Bindungen koppeln? Der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Mindrup schlägt etwa ein Verbot der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen vor.
Bei bestimmten Programmen, etwa bei der Modernisierungsförderung, machen wir das schon. Da arbeiten wir mit Belegungsbindungen. Aber ich kann das nicht für alle Wohnungen machen. Da hat Klaus Mindrup sicher interessante Ideen, aber diese müssen auch rechtlich untersetzt sein. Wir können über vieles diskutieren, aber jetzt geht es mir darum, dass zügig neue Wohnungen gebaut werden.
Ihr Gesamtziel von 20.000 Wohnungen im Jahr werden Sie nicht erreichen.
Wir haben uns die 20.000 nicht ausgedacht. Das ist der Bedarf, der bei dem Bevölkerungszuwachs, den wir haben, entsteht. Sie als Journalisten wären doch die Ersten, die es kritisieren würden, wenn wir jetzt nur noch eine Zielmarke angeben würden, die wir erreichen. Wenn ich feststelle, dass im letzten Jahr 17.310 Wohnungen gebaut wurden, dann ist das kein Scheitern, sondern es ist für mehrere Zehntausend Menschen ein Zuhause geschaffen worden.
Wären diese 17.310 Wohnungen unter einer linken Bausenatorin entstanden, würde die SPD sofort behaupten, sie sei mit ihren Zielen gescheitert.
Nein.
So lief es in der Vergangenheit doch immer.
Nein. Ich habe nie gesagt, Frau Lompscher oder Herr Scheel verhindern Neubau.
Aber viele in Ihrer Partei haben das gesagt.
Das mag ja sein, aber Sie machen jetzt ein Interview mit mir. Frau Lompscher und Herr Scheel haben die Wohnungen gebaut, die von den Senatoren Müller und Geisel vorbereitet worden sind. Dass wir jetzt gewisse Einbrüche haben, hat auch damit zu tun, dass es neben wirtschaftlichen Schwierigkeiten auch zu wenig neue Planungen für Neubau gab. Wir arbeiten daran, das auszugleichen. Wir müssen schneller planen und konsequenter werden in der Umsetzung.
Ihre Parteikollegin Franziska Giffey hat sich gegen den Job als Bausenatorin entschieden, weil man offenbar als Wirtschaftssenatorin eine bessere Figur machen kann. Wie dankbar ist denn das Amt eines Bausenators?
Das ist Ihre These. Franziska Giffey hat sich das sicher gut überlegt. Ich bin im Übrigen nicht nur Bausenator, sondern auch Stadtentwicklungssenator. Es geht nicht nur um „bauen, bauen, bauen,“ sondern darum, „zuhause, zuhause, zuhause“ zu schaffen in lebendigen Quartieren.
Gerade hat die Expertenkommission festgestellt, dass das Land Wohnungen vergesellschaften kann. Ist das für Sie eine gute Nachricht?
Grundsätzlich ist es interessant, wenn man sagt, man kann jetzt 200.000 Wohnungen durch Vergesellschaftung in Landesbesitz bekommen. Was die Expertenkommission nicht beantwortet hat, sind die damit verbundenen Risiken und Nebenwirkungen.
Die da wären?
Bei der Frage der Berechnung der Entschädigung gibt es sechs unterschiedliche Modelle. Einige sagen zwar, dass man unter Wert entschädigen könne, aber was das genau heißt, wurde nicht benannt. Überhaupt nicht behandelt wurden die Nebenwirkungen hinsichtlich des Neubaus. Ohne Neubau wird man die Wohnungsnot nicht beseitigen können.
Was droht denn da? Vonovia baut doch sowieso nicht.
Das ist erstens nicht richtig. Wir sind mit der Vonovia in Gesprächen. Ich möchte ja, dass Vonovia baut. Auch gibt es noch viele andere, die bauen. Die sagen, warum soll ich jetzt noch bauen, wenn es anschließend vergesellschaftet wird. Das ist doch nachvollziehbar.
Das mag ja sein. Aber es gibt den Volksentscheid. Ist das nicht ein Auftrag an Sie?
Ja, deswegen arbeiten wir an einem Rahmengesetz. Es wäre alles viel einfacher, wenn der Volksentscheid nicht nur einen Auftrag erteilt, sondern gleich ein Gesetz vorgelegt hätte. Das hätten wir dann überprüfen lassen können, und dann wüssten wir, woran wir sind. Jetzt stochern wir immer noch im Nebel, was rechtlich haltbar ist und was nicht.
Was ist denn ganz konkret das Ziel des Vergesellschaftungsrahmengesetzes?
Es soll deutlich machen, für welche Bereiche der Daseinsvorsorge eine Vergesellschaftung aus der Sicht des Landesgesetzgebers in Frage kommt und welche Voraussetzungen dafür erfüllt werden müssen.
An anderer Stelle sagten Sie, das Gesetz solle Eigentümer dazu anhalten, fair mit Mietern umzugehen. Was heißt das?
Es geht um die Frage, ob Vermieterinnen und Vermieter in einem Bereich der Daseinsvorsorge gemeinwohlorientiert arbeiten können oder nicht. Wir werden uns anschauen, ob es dafür Kriterien gibt. Zum Beispiel, ob die Anzahl der Wohnungen, ab denen vergesellschaftet werden soll, bei 3.000 liegt oder nicht. Die Kommission sagt dazu: ja, kann man machen, aber es gibt auch noch andere Möglichkeiten.
Wann ist die Politik beim Wohnen nach der Wende mal vor die Welle gekommen? Beim Mietendeckel vielleicht, den aber hat Karlsruhe kassiert. Jetzt ist man wieder hinter der Welle. Wäre nicht die Vergesellschaftung eine Möglichkeit, vor die Welle zu kommen?
Ich komme damit nicht vor die Welle, weil ich damit ein Finanzierungsproblem habe.
Sie kriegen ja was dafür.
Aber ich finanziere das mindestens mit einer gewissen Verschuldung. Die Frage ist doch, ob dann noch Geld für Neubau vorhanden ist.
Schauen Sie neidisch nach Wien, wo 62 Prozent der Menschen in einer geförderten oder kommunalen Wohnung leben?
Die haben ein anderes Konzept, schon seit den 20er Jahren. Wir haben dagegen unter Rot-Rot eine große Wohnungsbaugesellschaft aus dem Bestand verkauft. Aber wir schöpfen in Berlin das aus, was uns die Mietengesetzgebung ermöglicht.
Damit kriegen Sie diesen ganzen Wahnsinn doch nicht eingefangen. Oder ist das gar nicht mehr das Ziel?
Was soll ich jetzt machen? Eine Revolution ausrufen? Wir arbeiten mit den Mitteln, die wir haben. Den Mangel an Wohnraum beseitige ich nicht durch Schutzvorschriften für den Bestand, sondern nur durch Neubau.
Das erzählen sozialdemokratische Bausenatoren seit 30 Jahren. Die Lage ist nicht besser geworden.
Das stimmt nicht. Die Lage war zwischendurch entspannter. Dann hat man aufgehört, Wohnungen zu bauen. Das war ein Fehler. Jetzt haben wir viel Zuzug. Dass wir den Krieg in der Ukraine haben, haben Sie vielleicht vorhergesehen, ich nicht. Dass Sie sagen, meine Vorgänger hätten nichts gemacht, stimmt einfach nicht.
Ist es nicht eine verkürzte Problembeschreibung, alles nur auf den Mangel an Wohnraum zu schieben? Ist das nicht auch das Problem eines Wohnungsmarktes mit Mieten, von denen Dividenden bezahlt werden? Und einem Mietniveau, das für viele gar nicht stemmbar ist?
Welches Mietniveau meinen Sie denn jetzt? Die 6,50 Euro bei den städtischen Gesellschaften? Die 7,16 Euro, die wir im Durchschnitt in der Stadt haben?
Die Neuvermietungsmieten meinen wir.
Aber da sind wir doch am Punkt. Die Neuvermietungsmieten sind das, was sich am Markt abspielt. Und aus den hohen Neuvermietungsmieten lässt sich schlussfolgern, dass wir zu wenig Wohnungen haben. Ich verstehe nicht, dass das bestritten wird.
Das haben wir gar nicht bestritten. Wir fragen nur, ob die Mieten, die von Privaten verlangt werden, nicht ebenso Teil des Problems sind.
Mir jetzt zu unterstellen, ich würde nur den Neubau als Lösung des Problems sehen, ist einfach verfehlt. Ich kann auch gerne noch einmal alles wiederholen. Wir haben doch darüber gesprochen, dass wir alle bundesrechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, um das Problem steigender Mieten anzugehen.