Bundesländer einigen sich auf Bezahlkarte

Geflüchtete sollen künftig fast überall einen Teil ihrer Leistungen nur noch über Karten ausgezahlt bekommen. Ak­ti­vis­t*in­nen fürchten, es gehe vor allem um Abschreckung

Ein Mann hält eine Karte in der Hand und schaut in die Kamera

Bezahlen nur mit Karte – und auch nicht überall Foto: Foto:Philipp von Ditfurth/dpa

Von Frederik Eikmanns

Fast alle Bundesländer haben sich auf einheitliche Standards für eine Bezahlkarte geeinigt, die an Geflüchtete ausgehändigt werden soll. Nur Mecklenburg-Vorpommern und Bayern planen eigene Modelle. Der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Hessens Landeschef Boris Rhein (CDU), stellte den Beschluss in einen Zusammenhang mit einem „anhaltend hohen Zustrom von Flüchtlingen nach Deutschland“. Menschenrechtsorganisationen kritisieren dagegen, Bezahlkarten diskriminierten Asyl­be­wer­be­r*in­nen massiv.

Mit der Einigung wollen die Länder einen Beschluss vom November umsetzen, als sich Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Län­der­che­f*in­nen auf die Grundzüge des Bezahlkartenmodells verständigt hatte. Das Papier vom Mittwoch sieht vor, dass Geflüchtete künftig mindestens einen Teil ihrer Leistungen auf eine Karte ausgezahlt bekommen, die staatlicher Kontrolle unterliegt. Die Leistungen werden damit nicht auf ein normales Konto überwiesen oder in bar ausgezahlt. Laut Hessischer Staatskanzlei soll es sich um eine „guthabenbasierte Karte mit Debit-Funktion ohne Kontobindung“ handeln. Welcher Anteil der Leistungen auf der Karte landet und wie viel Geld die Geflüchteten bar oder auf ein reguläres Konto überwiesen bekommen, sollen die Länder individuell entscheiden können. Mit der Karte soll es prinzipiell nicht möglich sein, Geld zu überweisen oder im Ausland zu bezahlen. Rein technisch soll die geplante Karte in allen Branchen und überall innerhalb Deutschlands genutzt werden können, allerdings soll die Nutzung von den Ländern „regional eingeschränkt“ werden können. Außerdem sollen bestimmte Branchen ausgeschlossen werden können. In Geschäften ohne Kartenlesegeräte kann sowieso nicht bezahlt werden, dies schließt Geflüchtete etwa von zahlreichen Second-Hand-Läden aus. Ebenfalls unmöglich dürfte es mit der neuen Karte sein, online zu bestellen.

Hessens Ministerpräsident Boris Rhein sagte am Mittwoch in einer Mitteilung: „Mit der Einführung der Bezahlkarte senken wir den Verwaltungsaufwand bei den Kommunen, unterbinden die Möglichkeit, Geld aus staatlicher Unterstützung in die Herkunftsländer zu überweisen, und bekämpfen dadurch die menschenverachtende Schlepperkriminalität.“

Andrea Kothen von Pro Asyl nannte das Bezahlkarten-Modell am Mittwoch dagegen ein „Diskriminierungsprogramm ohne Sinn und Verstand“. Sie sagte der taz: „Es ist ja offenkundig, dass Geflüchtete mit schlechteren Lebensbedingungen abgeschreckt werden sollen.“ Auch die Linksfraktion im Bundestag und verschiedene Sozialverbände kritisierten die Einigung.

„Diskriminierung ohne Sinn und Verstand“

Andrea Kothen, Pro Asyl

Bislang gibt es Bezahlkarten nur an einzelnen Orten in Deutschland, so etwa in Hannover. Dort ist das Modell allerdings deutlich anders gestaltet als es nun von den Ländern geplant ist. Die Hannoveraner „SocialCard“ unterscheidet sich nicht von einer Girokarte, hat also keine Einschränkungen – funktioniert aber ohne Bankkonto. Hannovers Oberbürgermeister Belit Onay sagte der taz: „Hannover verfolgt mit der SocialCard das Ziel, geflüchteten Menschen einen diskriminierungsfreien Zugang zu bargeldloser Bezahlung zu ermöglichen.“ Ob die Stadt dieses Modell trotz der Einigung vom Mittwoch weiterführen kann, ist unklar. Kai Weber vom Flüchtlingsrat Niedersachsen sagt: „Von der rot-grünen Landesregierung erwarten wir, dass sie sich ein Beispiel an der Stadt Hannover nimmt und die Bezahlkarte diskriminierungsfrei gestaltet.“ Diesen Weg könnte auch Mecklenburg-Vorpommern gehen, das ein separates Kartenprogramm plant, welches „diskriminierungsfrei“ sein soll. Auch Bayern will ein eigenes Modell. Dieses dürfte allerdings deutlich restriktiver ausfallen.

tazzwei