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Brauchen wir Fahrverbote fürs Klima?

Der Bundesverkehrsminister sorgt mit einer radikalen Drohung für Schlagzeilen, um auf die Reform des Klimaschutzgesetzes zu dringen

„22 Millionen Tonnen CO2 lassen sich nur durch Fahrverbote einsparen“, sagte nun Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) im Deutschlandfunk. Damit will er die Koalitionspartner unter Druck setzen, die geplante Reform des Klimaschutzgesetzes voranzubringen, mit der verbindliche Zielvorgaben einzelne Ministerium entfallen würden. Hat er recht?

Richtig ist:

Nach aktueller Gesetzeslage sind manche Ministerien verpflichtet, ein Klima-Sofortprogramm zu erarbeiten: nämlich diejenigen, deren Zuständigkeitsbereiche im vergangenen Jahr klimaschädlicher waren, als es das Bundesklimaschutzgesetz erlaubt. Dass Wissings Verkehrswesen dazugehört, gilt als sicher – da hat der Minister schon mal recht. Ein Sofortprogramm soll laut Klimaschutzgesetz dafür sorgen, dass die CO2-Grenzwerte der folgenden Jahre nicht mehr gerissen werden. Doch beim Verkehrssektor ist für 2024 bisher mit 22 Millio­nen Tonnen CO2 zu viel zu rechnen, so eine Prognose des Umweltbundesamts. Auf diese Zahl bezieht sich Wissing in seiner Aussage. Man könnte argumentieren, dass er eigentlich auch noch die im vergangenen Jahr zu viel ausgestoßenen Tonnen aufrechnen müsste. Schließlich wird die Klimaschutz-Lücke mit jedem Jahr größer: Weil die Ziele nach und nach schärfer werden und sich die zuletzt jährlichen Verfehlungen aufsummieren.

Tatsächlich liegt das größte Einsparpotenzial des Verkehrssektors auf der Straße. Im kommenden Jahr wird der Verkehrssektor wohl rund 145 Millionen Tonnen CO2 emittieren. Der Straßenverkehr verursacht davon rund 140 Millionen Tonnen. Selbst wenn also hypothetisch der inländische Flug-, Schiffs- und Schienenverkehr komplett eingestellt würden, wäre das Verkehrswesen noch viel zu klimaschädlich.

Also wirklich am besten ein Autofahrverbot am Wochenende? „Es wird keine Maßnahmen geben, die schnell wirken, außer einem Tempolimit und wie auch immer gearteten Fahrverboten“, sagt Jens Hilgenberg vom Bund für Umwelt und Naturschutz. Fahrverbote fordert er aber nicht. Das Problem: Die Mobilitätsalternativen fehlen. „Für eine Verlagerung des Verkehrs braucht man eine Infrastruktur, die wir aktuell nicht haben.“ Mehr und bessere Verbindungen beim öffentlichen Nah- und Fernverkehr, höhere Taktraten, mehr angebundene Orte. Dass es die nicht gebe, liege daran, dass Wissing wie auch die Vorgängerregierungen unter Führung der Union jahrelang kaum etwas dafür getan hätten.„Es ist ein Dilemma, das mit Ansage kommt“, kritisiert Hilgenberg.

Keinem der von der taz befragten Ex­per­t:in­nen sind Studien dazu bekannt, wie viel CO2 Wissings angedrohtes Fahrverbot einsparen würde. Ein Tempolimit allein würde jedenfalls nicht ausreichen, um die 22 Millionen Tonnen CO2 einzusparen. Man käme aber doch schon recht weit. Einer Studie des Umweltbundesamts aus dem vergangenen Jahr zufolge würde eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf maximal 120 Kilometer pro Stunde jährlich 6,7 Millionen Tonnen CO2 im Jahr einsparen. Würde zusätzlich zu der 120er-Grenze auf Autobahnen ein Tempolimit von 80 Kilometern pro Stunde auf Landstraßen eingeführt, würde das Reduktionspotenzial noch einmal steigen: auf insgesamt 8 Millionen Tonnen CO2 jährlich. Mit einem Autobahn-Tempolimit auf 100, 80 außerorts und 30 in Städten kommt die Deutsche Umwelthilfe (DUH) auf 11 Millionen Tonnen Einsparungen.

Wiebke Zimmer vom Thinktank Agora Verkehrswende empfiehlt einen längerfristigen Blick. „Es gibt Studien, die vorrechnen, wie die Klimaziele des Verkehrswesens für 2030 und darüber hinaus erreicht werden können“, so die Expertin.

„Keine davon setzt auf Fahrverbote, sondern ganz im Gegenteil auf Maßnahmen, die Fahrverbote unnötig machen: auf den Hochlauf der Elektromobilität, auf die Förderung von öffentlichem Verkehr, auf die Stärkung von Rad- und Fußverkehr.“

Svenja Bergt, Susanne Schwarz