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Ende der Blockadepolitik

Nach Monaten verabschiedet das US-Repräsentantenhaus neue Milliardenhilfen für die Ukraine. Für den republikanischen Sprecher der Kammer könnten sie zum Problem werden

USA laden nach: Artilleriegeschosse des Kalibers 155 Millimeter lagern in einer Munitionsfabrik in Scranton, Pennsylvania Foto: Matt Rourke/ap

Aus Washington Hansjürgen Mai

Letztlich brauchte es einen iranischen Luftangriff auf Israel, um den Abgeordneten im US-Repräsentantenhaus nach Monaten der Untätigkeit Beine zu machen. Am Samstag verabschiedeten die Abgeordneten mit überwältigender Mehrheit drei individuelle Sicherheitspakete – für Israel, Taiwan und, das war die wichtigste Nachricht, für die Ukraine.

Insgesamt stellen die verabschiedeten Pakete mehr als 95 Milliarden US-Dollar, der Großteil in Form von Militärhilfen, zur Verfügung. Davon sind 61 Milliarden Kyjiw zugedacht. „Wir werden heute an der Seite des ukrainischen Volkes stehen, wir werden morgen an der Seite des ukrainischen Volkes stehen und wir werden an der Seite des ukrainischen Volkes stehen, bis der Sieg errungen ist“, erklärte der demokratische Fraktionsführer im Repräsentantenhaus, Hakeem Jeffries, am Samstag noch vor der Abstimmung. Viele der demokratischen Abgeordneten schwenkten während der Abstimmung kleine ukrainische Flaggen.

Auch der Vorsitzende des Auslandsausschusses, der texanische Republikaner Michael McCaul, griff zu großen Worten: Die Augen der Welt seien auf die Kongressabgeordneten gerichtet. Zukünftige Generationen würden über die heutige Abstimmung urteilen. Die Republikaner hatten in den vergangenen sechs Monaten die zusätzlichen Hilfsleistungen immer wieder blockiert. Vor allem die weitere Unterstützung der Ukraine ist für einige ultrakonservative Republikaner nur schwer zu schlucken. Am Ende stimmten 112 Republikaner gegen das Hilfspaket für die Ukraine, 101 Republikaner sorgten zusammen mit allen 210 Demokraten dafür, dass es durchging.

Neben den Ukraine-Hilfen stimmten die Abgeordneten auch für ein 26-Milliarden-Dollar-Paket zur Unterstützung Israels. Darin enthalten sind humanitäre Hilfen für die vom Krieg betroffenen Menschen im Gazastreifen. Das Paket wurde mit 366 zu 58 Stimmen verabschiedet. Die Opposition zur Militärhilfe für Israel bestand aus einer Koalition von progressiven Demokraten wie Alexandria Ocasio-Cortez und republikanischen Hardlinern wie Matt Gaetz. Das dritte Paket über 8 Milliarden Dollar ist für US-amerikanische Partner im Indopazifik, wie Taiwan, Japan und Südkorea. Es erhielt nur 34 Gegenstimmen, allesamt Republikaner.

Der US-Senat wird in der kommenden Woche über die verschiedenen Sicherheitspakete abstimmen. Laut dem demokratischen Mehrheitsführer Chuck Schumer soll dort frühestens am Dienstag mit den Abstimmungen begonnen werden. An der Zustimmung des Senats besteht kein Zweifel – gleichen die Unterstützungen finanziell und inhaltlich dem von Biden bereits im Oktober vorgestellten – und vom Senat bereits im Februar beschlossenen – Ausgabenpaket zur Stärkung der nationalen Sicherheit. Biden hat bereits angekündigt, das Hilfspaket umgehend nach der finalen Zustimmung des Kongresses zu unterzeichnen.

„Heute haben die Mitglieder beider Parteien im Repräsentantenhaus dafür gestimmt, unsere nationalen Sicherheitsinteressen voranzutreiben und eine klare Botschaft über die Macht der amerikanischen Führung auf der Weltbühne zu senden“, sagte der US-Präsident nach der Abstimmung.

Für Biden und die Demokraten war es der lang ersehnte Durchbruch. Für die Republikaner bleibt ein fader Beigeschmack. Am Ende mussten sie sich jedoch eingestehen, dass die parteiinternen Zerwürfnisse, die seit Oktober eine Abstimmung über die Hilfspakete verhinderten, nur Zeit gekostet haben.

Dennoch könnten die Hilfspakete für den republikanischen Sprecher im Repräsentantenhaus, Mike Johnson, der in seiner bisherigen Amtszeit bereits mehrmals auf die Unterstützung von Demokraten vertrauen musste, zu einem politischen Problem werden. Drei republikanische Abgeordnete – Marjorie Taylor Green, Thomas Massie und Paul Gosar – hatten bereits vor der Wahl angekündigt, dass sie einen Antrag auf seine Amtsenthebung in Betracht ziehen, wenn die Hilfspakete verabschiedet würden. „Wir brauchen einen Sprecher, der Amerika an die erste Stelle setzt, anstatt sich den rücksichtslosen Forderungen der Kriegstreiber, Neokonservativen und des militärisch-industriellen Komplexes zu beugen, die Milliarden aus einem kostspieligen und endlosen Krieg auf der anderen Seite der Welt erwirtschaften“, sagte Gosar, der aus dem Grenzbundesstaat Arizona stammt.

„Ich habe hier getan, was ich für das Richtige halte“

Mike Johnson, republikanischer Sprecher des Repräsentanten­hauses

Johnson selbst zeigte sich nach der Abstimmung kämpferisch. „Ich laufe nicht durch dieses Gebäude und mache mir Sorgen über eine mögliche Amtsenthebung. Ich muss meinen Job machen. Ich habe hier getan, was ich für das Richtige halte“, sagte Johnson. Was für ihn spricht, ist die Tatsache, dass er im Unterschied zu seinem Vorgänger Kevin McCarthy mit einer möglichen Rückendeckung durch die Demokraten rechnen kann. Besonders, nachdem er gezeigt hat, dass er gewillt ist, mit Demokraten zusammenzuarbeiten.

Aus dem linken, progressiven Flügel der Demokraten gab es erneut Kritik am Vorgehen der israelischen Regierung um Premierminister Benjamin Netanjahu. Für Biden stellt die ungebrochene Unterstützung der israelischen Regierung ein immer größeres Problem im US-Wahlkampf dar. Vor allem junge Wähler, die Biden braucht, wollen, dass die US-Regierung Netanjahu verstärkt unter Druck setzt, um dem Leid im Gaza­streifen ein Ende zu setzen.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj begrüßte erwartungsgemäß die Entscheidung im Kongress. In einem Video auf X erklärte er, dass die US-Militärhilfen dabei helfen werden, einem gerechten Ende dieses Krieges näherzukommen, „einem Krieg, den Putin verlieren muss“.