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Deutschlands Haltung zu GazaEin Ende des Krieges zu fordern, ist nicht kompliziert

Cem-Odos Gueler
Kommentar von Cem-Odos Gueler

Über 25 Staaten fordern endlich ein Ende des Blutvergießens im Gazastreifen. Deutschland gehört nicht dazu. Man fragt sich, warum nicht.

Warten auf Essen vor einer Wohltätigkeitsküche in Gaza-Stadt am 22.07.2025 Foto: Dawoud Abu Alkas/reuters

E s ist nur noch bitter. Mehr als 25 europäische Länder fordern einen sofortigen Frieden im Gazastreifen und die Freilassung der Geiseln, die noch in den Händen der Hamas verharren. Doch Deutschland schließt sich der gemeinsamen Initiative nicht an. Warum? Würde Deutschland damit Israel verraten? Würde der Einsatz für einen Frieden im Nahen Osten der „komplexen Gemengelage“ nicht gerecht werden?

Es ist nicht kompliziert. Wenn Unschuldige tausendfach sterben, wenn Kinder verhungern, wenn israelische Geiseln in Kerkern sitzen, muss die Antwort heißen: Dieser Krieg muss enden, jetzt.

Wenn Kranke und Verletzte nicht versorgt werden, wenn Ärzte angegriffen werden, wenn Menschen auf der Suche nach Essen erschossen werden, muss es heißen: Dieser Krieg muss enden, jetzt.

Wenn Vertreibungen geplant werden, wenn die Zivilbevölkerung willkürlich bestraft wird, wenn selbst die kleinsten Auflagen des Völkerrechts mit Füßen getreten werden, muss die Antwort heißen: Dieser Krieg muss enden, jetzt.

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Wenn Städte gezielt unbewohnbar gemacht werden, wenn Menschen das zweite Jahr in Folge bei 40 Grad in Zelten ausharren, wenn es kein Wasser gibt, muss die Antwort heißen: Dieser Krieg muss enden, jetzt.

Wenn festgenommen wird, wer gegen die Gewalt demonstriert, wenn Journalisten getötet werden, wenn die Unklarheit nur dazu dient, das Blutvergießen zu befördern, muss es heißen: Dieser Krieg muss enden, jetzt.

Wenn sich Rassisten in einem Feldzug wähnen, wenn Islamisten Rache schwören, wenn die Vernünftigen ihre Sprache verlieren, muss es heißen: Dieser Krieg muss enden, jetzt.

Es ist nicht kompliziert. Wenn die Welt angesichts des Leids ihre Menschlichkeit verliert, muss die Antwort heißen: Dieser Krieg muss enden, jetzt.

Denn welche Gründe gibt es für die Fortführung des Kriegs im Gazastreifen? Welche Gründe gibt es dafür, die Kriegstreiber im Nahen Osten weiter zu unterstützen? Die menschenverachtende und immer brutalere Kriegsführung Israels nach dem Massaker vom 7. Oktober 2023 gegen­ alles und jeden im Gazastreifen hat gezeigt, dass sich die Islamisten militärisch nicht schlagen lassen.

Es wäre ein Leichtes für die Bundesregierung, sich in die Forderungen der westlichen Staaten einzureihen. Jeder Strohhalm, das Leid der Menschen zu stoppen, muss ergriffen werden. Besser heute als morgen.

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Cem-Odos Gueler
Parlamentsbüro
Berichtet seit 2023 als Korrespondent im Parlamentsbüro der taz unter anderem über die FDP, die Union und Verteidigungsthemen. Studium der Sozialwissenschaften und Volkswirtschaftslehre in Köln, Moskau und London.
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14 Kommentare

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  • Danke für den Beitrag.

    Ja, natürlich, es ist nur noch abscheulich.



    Wie der britische Minister sagte, widert auch mich die Gewalt in Gaza an und ich finde die Handlungen entsetzlich.



    Alle haben, berechtigterweise, die Opfer des 7. Oktober betrauert, aber in Gaza Kinder, Babys, alle möglichen Menschen zu Tode zu hungern, war und ist anscheinend gerechtfertigt, zumindest hat die Regierung noch nichts substanzielles dagegen getan.

    Dies sind entsetzliche Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Was sind denn das für Handlungen, eines "demokratischen" Staats? Kinder zu Tode zu hungern....

    Ich fand unser Land noch nie so schrecklich und mich widert das Verhalten deutscher Politiker und der Mainstream Medien, die immer alles weichgespült und gerechtfertigt haben, als "Kampf gegen die Hamas" und dadurch die Situation mit ermöglicht haben, an.



    Ich glaube nicht, dass ich mein Vertrauen in Medien und Politik Deutschlands jemals wiedererlangen werde.

    Komplett ignoriert wurden auch die genozidalen Aussagen in Israels Politik und Medien. Nachlesbar im Guardian vom 27.06.2025 "Gaza must be eliminated". Hätte man dies ernstgenommen wüsste man, dass der Genozid angestrebt wurde.

  • Die Hamas oder auch die Iraner könnten sofort jeden Grund für die Fortführung des Krieges aus der Welt schaffen, indem sie die restlichen Geiseln übergeben.



    Das sie das nicht tun, könnte darauf hindeuten, das ihnen die derzeitige Situation ganz recht ist.

  • Für Deutschland ist die Situation aus historischen Gründen sehr speziell. Deutschland muss weiterhin seine Solidarität mit allen Menschen jüdischer Herkunft und mit dem Staat Israel zeigen. Das ist auch durchaus richtig so.



    Ich selbst fürchte, dass Israel durch seine aktuellen Handlungen viele Freunde verlieren wird, die es dringend bräuchte. Ich verstehe allerdings auch sehr gut die Reaktion Israels auf das niederträchtige Massaker der Hamas am 7. Oktober 2023. Betrachte ich den Umgang der Hamas mit den aus Israel verschleppten Geiseln, kommt bei mir unbändige Wut auf. Ja, die Reaktion und die Absicht Israels, die Hamas komplett zu zerstören, ist mehr als verständlich. Mit solchen Verbrechern verhandelt man nicht, niemals.



    Die Zivilbevölkerung im Gazastreifen hat unter beiden Seiten zu leiden, unter der Hamas, die die volle Verantwortung für diesen Krieg trägt und unter der israelischen Armee, die sich immer größere Exzesse erlaubt und offensichtlich auch Hunger als Waffe einsetzt. Ich halte indes Bombardierungen und blinde Zerstörung für kein sinnvolles Mittel für den Kampf gegen Terroristen.



    Wir dürfen aber nicht vergessen, dass es die Hamas war, die diesen Krieg begonnen hat.

    • @Aurego:

      Wir dürfen aber nicht vergessen, dass es die Hamas war, die diesen Krieg begonnen hat."



      Doch, das dürfen und sollten wir, denn im Moment besteht die dringendste Aufgabe darin, zu verhindern, dass zwei Millionen Menschen im Gazastreifen verhungern. Ich wüsste nicht, wer die Hamas zwingen könnte, die letzten Geiseln freizulassen und aufzugeben. Was die andere Kriegspartei angeht, so könnte Trump wahrscheinlich genügend Druck auf Netanjahu aufbauen, damit dieser sehr viel mehr Lebensmittel in den Gazastreifen transportieren lässt und dafür sorgt, dass nicht ständig Menschen bei der Essensausgabe erschossen werden.



      Die israelische Regierung leidet am wenigsten unter dem Gaza-Krieg, daher ist es nicht nachvollziehbar, dass ausgerechnet ihr die Solidarität Deutschlands und der USA gilt.

      • @Phoebe:

        Nein, wir werden das nicht vergessen und Israel wird es, wie es aussieht, auch nicht vergessen. Israel wird weiterhin versuchen, die Hamas zu eliminieren und sich auch durch Trump daran nicht hindern lassen.



        Die Bevölkerung des Gazastreifens hätte die Hamas schon längst zum Teufel jagen und deren Mitgliedern nicht jahrelang Schutz und Unterschlupf gewähren sollen.

    • @Aurego:

      Sich hinter der Ausrede der historischen Verantwortung zu verstecken, nimmt den Deutschen keiner mehr ab. Weder in Europa, in der arabischen Welt und auf der Südhalbkugel erst recht nicht.

      Verantwortung aus der Geschichte zu übernehmen, bedeutet in erster Linie in Gegenwart und Zukunft zu verhindern, dass sich Unrecht wiederholt.

      Das erreicht man nicht durch Waffenlieferungen an einen Staat der Kriegsverbrechen begeht. Und auch nicht in dem man sämtliche Sanktionen durch ein Veto blockiert.

      Wäre schön, wenn die Diskussionen zum Thema sich nicht ausschließlich um die Belange Deutschlands drehen, wie ihr Beitrag exemplarisch zeigt, sondern um die Betroffenen vor Ort.

      Und wer meint Solidarität mit einem Unrechtstaat üben zu müssen, nur weil dieser den Namen Israel trägt, der hat nur wenig verstanden. Besser wäre es für Deutschland darauf hinzuarbeiten, dass aus Israel wieder ein Rechtsstaat wird, der sich an internationale Regeln hält. Sanktionen sind ein Mittel welches dazu beitragen kann, das ein Staat wieder in die Spur zurückfindet.

      Zu ihrer Bemerkung bezgl. der Hamas. Bitte zwischen Ursache und Wirkung auch die Verhältnismäßigkeit mit einbeziehen, die ist entscheidend.

      • @Sam Spade:

        Wenn Sie Verhältnismäßigkeit fordern, können Sie Israel gerne an das Gebot "Leben um Leben, Auge um Auge, Zahn um Zahn ..." aus der Tora erinnern (Ex 21,23-25).

      • @Sam Spade:

        Völlig richtig!

    • @Aurego:

      Und wir dürfen nicht vergessen, dass wir es mit einer rechtsextremen israelischen Regierung zu tun haben, die die Situation ausnutzt. Das auszusprechen hat nichts mit Antisemitismus zu tun.

  • Meine volle Zustimmung!

  • Lieber Herr Gueler,

    Vielen Dank für Ihren packenden Appell.

    Leider weichen Sie der Antwort auf Ihre sehr berechtigte Frage 'Deutschland schließt sich der gemeinsamen Initiative nicht an. Warum?' aus. Sicher würde Israel (als Staat, den unsere Staatsraison schützen soll) dadurch nicht verraten; im Gegenteil, würde doch eine Situation, die mE die Existenz des Staates Israel von Tag zu Tag mehr gefährdet, ggf schneller beendet. Deshalb denke ich, dass es nur eine Angst (es kann mE nichts andres sein) vor einem 'Verrat' an der augenblicklichen israelischen Regierung sein, welche die deutsche Regierung daran hindert. Eine offenkundig rechtsextreme Regierung schützen zu wollen, lasst sich in meinen Augen aber nicht rechtfertigen.

  • Warum nicht? Zum Beispiel, weil die Geiseln immer noch nicht frei sind.

  • Warum stellt eigentlich niemand zwei Fragen:



    1. Warum lässt die Hamas die Geiseln nicht einfach frei? Schon wäre der Krieg zu Ende.



    2. Warum nimmt eigentlich kein einziger Nachbarstaat (Ägypten, Libanon, Jordanien, Syrien) Palästinenser auf?

  • Die deutschen Politiker sind einfach nicht in der Lage zwischen geschichtlicher Verantwortung und aktuellen Verbrechen zu unterscheiden. Kann es wirklich so einfach sein? Sind sie zu dumm oder zu feige? Das ist schon fast nicht zu glauben.

    Anderseits verdient man einfach Unmengen an Geld durch die Waffenlieferungen an Israel.

    Fest steht das Israel sich auf zig Jahrzehnte viele "Freunde" bei seinen Nachbarländern gemacht hat und auch sonst in der Welt sich immer weiter isoliert.

    Einzig die USA werden egal was kommt zu Israel stehen weil sie aus strategischen Gründen die Militärstützpunkte brauchen.