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Vicky Leandros schmeißt Weidel rausNoch keine Heldinnentat

Patrick Guyton
Kommentar von Patrick Guyton

Leandros drohte, bei den Gloria-Festspielen abzusagen, weil Alice Weidel eingeladen war. Für von Thurn und Taxis zu singen, ist für sie kein Problem.

Gloria von Thurn und Taxis bei ihren Festspielen, 20. 7. 2017, Regensburg Foto: Tristar Media/getty images

D ie Schlagersängerin Vicky Leandros hat bei den Schlossfestspielen der äußerst rechts stehenden Fürstin Gloria von Thurn und Taxis in Regensburg ein Mindestmaß an Anstand gezeigt. Als Leandros – offenbar erst am Sonntagabend – davon erfuhr, dass AfD-Chefin Alice Weidel bei ihrem Konzert am Montag als Ehrengast in der ersten Reihe sitzen sollte, nahm sie sich die Schloss-Chefin zur Brust. Sie verlangte von ihr, Weidel wieder auszuladen.

Der Bild sagte die 72-jährige Deutsch-Griechin: „Ich stehe für Vielfalt, Toleranz, Menschenwürde, Menschenrechte und Internationalität.“ Mit Weidel habe sie nichts gemeinsam. Mit fünf Jahren war Leandros von Athen nach Deutschland gekommen. Zumindest den Älteren dürfte sie noch bekannt sein, mit Schlagern wie „Ich liebe das Leben“, „Ja, ja der Peter, der ist schlau“ oder „Theo, wir fahr’n nach Lodz“.

Am Montag demonstrierten bis zu tausend Menschen nach einem Aufruf der „Initiative gegen Rechts“ auf dem Emmeramsplatz am Eingang zum Schloss, unter anderem mit dem Slogan „Weidel – verpiss dich“. Die Fürstin von Thurn und Taxis hatte sich da schon der Sängerin gebeugt und Weidel wieder ausgeladen.

Eine großartige Heldentat hat Vicky Leandros aber nicht vollbracht. Denn bei der Fürstin, die nur so heißt, die aber keine ist, tritt man gar nicht auf. Sie ist eine Netzwerkerin in einem politischen Bereich, der beim äußerst Konservativen beginnt und das gesamte rechte, rechtsextreme und verschwörungsgläubige Lager ganz bewusst einschließt. Das kann man wissen, und das sollte man wissen, auch Vicky Leandros.

Gloria bezeichnet Weidel als „Exotin“

In jungen Jahren gab sich die heute 65-Jährige von Thurn und Taxis als eine Art von Punk-Adelige. Doch seit mehr als zwei Jahrzehnten äußert sie sich rassistisch und homophob. Bei Michel Friedman sagte sie 2001: „Der Schwarze schnackselt gerne.“ Diese gezielte Widerwärtigkeit – eine von sehr vielen – war für Reaktionäre und Rassisten ein Schenkelklopfer.

Sie trifft jeden, der in dieser Szene einen Namen hat. Etwa den AfD-Politiker Maximilian Krah, der selbst seiner eigenen Partei zeitweise zu rechts war. Für Hans-Georg Maaßen, den abgedrifteten ehemaligen Verfassungsschutzchef, gab sie ein Spendendiner im Schloss. Viktor Orbán war schon zu Gast, ebenso wie der Rechtsradikale Steve Bannon, einst Chefstratege von Donald Trump.

In der Öffentlichkeit kokettiert Thurn und Taxis damit, dass das alles keine Rechtsextremisten seien, sondern intelligente, inspirierende Menschen. Über Alice Weidel meinte sie nun: „Sie müssen auch den ein oder anderen Exoten mit einladen, weil das macht die Sache interessant.“ Die AfD-Führungskraft sei eine „sehr attraktive, eloquente Frau“. Gloria hält sich auch einen eigenen Schlossgeistlichen. Prälat Wilhelm Imkamp sagte mal in einem Gespräch über sie: „Lieber unerhört als ungehört.“

Von Thurn und Taxis ist eine radikale Katholikin, zumindest außerhalb von Regensburg wird sie als rechtsextrem angesehen, und sie setzt immer wieder an, die liberale Demokratie zu zerstören. Einen der wenigen kritischen Journalisten, die es in der Dom- und Donaustadt gibt, bezeichnete sie als „Stasi-Beamten“.

Weidel ist abgereist

Kommen wir nun zu jenen, die sich in Regensburg als die „bürgerliche“ Gesellschaft bezeichnen, und für die die Fürstin weiterhin einen Fixpunkt in der Oberpfalz-Metropole darstellt. Geht man zu den Gloria-Festspielen, oder geht man nicht? Diese Frage stellen sich viele. Laut dem Info-Portal regensburg-digital jedenfalls wird regelmäßig reihenweise CSU- und Freie-Wähler-Prominenz gesichtet. Die Lokalzeitung ist meist sehr Gloria-treu und schreibt das Event hoch.

Und die Fürstin ist, darin sind sich alle einig, zumindest sehr begabt darin, Kohle zu machen. Neben den Schlossfestspielen verdient sie am alljährlichen „Romantischen Weihnachtsmarkt“ auf St. Emmeram. Auch ist das Haus Thurn und Taxis – so etwas wissen viele nicht – der größte private Waldbesitzer in ganz Deutschland.

Die Schlossfestspiele werden als Kultur-Highlight, als große Kunst vermarktet. Sind sie aber nicht. Sie sind eher eine Provinzbühne für ältere und oftmals abgetakelte Musiker*innen, die sich noch ein bisschen Zusatzrente verdienen. Letztes Jahr etwa gab es „Die schönsten Arien“, eine „Queen-Tribute-Show“ und Umberto Tozzi („Ti amo“).

Alice Weidel ist laut Berichten am Dienstag wieder aus Regensburg abgereist. Zuvor war spekuliert worden, dass sie bis Mittwoch bleibt und da noch das Konzert von Gianna Nannini mitnimmt.

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Patrick Guyton
Autor
Lebt in München, schreibt über mögliche und unmögliche bayerische Begebenheiten. Jahrgang 1967, aufgewachsen im Stuttgarter Raum. Studierte in München und wurde dort zum Journalisten ausgebildet. Es folgten viele Jahre als Redakteur in Ulm, zuständig für Politik und Reportagen. Nun frei atmend und frei arbeitend in der Bayern-Metropole.
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16 Kommentare

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  • Den unten zitierten Satz empfinde ich als menschenfeindlich. Das Wort: "abgetakelt" kenne ich nur in Hinblick auf alte Frauen und aus einer Zeit, in der das Aussehen fast das einzige war, was in Hinblick auf eine Frau (erst recht Künstlerin) interessiert. Hatte nicht gedacht es heutzutage in einer linksalternativen Zeitung zu finden.



    Ich beziehe mich auf diesen Satz:



    "Sie sind eher eine Provinzbühne für ältere und oftmals abgetakelte Musiker*innen, die sich noch ein bisschen Zusatzrente verdienen."

  • Ob jetzt Prinzessin (wie es offiziell in ihrem Pass steht) oder Fürstin, wie sich selber nennt, ist doch schnuppe. Macht es den Österreichern nach und streicht die Adelstitel ganz. Dann heißt die Frau eben einfach Mariae Gloria Thurn-Taxis.

  • "... für ältere und oftmals abgetakelte Musiker*innen, die sich noch ein bisschen Zusatzrente verdienen."

    Ich meine, diese Gehässigkeit hätte der Autor sich auch schenken können.

  • Bemerkenswert ist der ernsthaft als Argument verwendete Satz, dass die Dame gar keine " richtige Fürstin" sei. Weil sie reingeheiratet hat. Im Gegensatz zu ihrem "richtigen" Fürstenehemann?



    Hat leider eine ziemlich miefige Analogie zur Unterscheidung von



    - Emporkömmlingen aus der Unterschicht (vulgo "Geldadel")



    - nicht wirklich Deutschen aus Migrantenfamilien



    - fehlendem Patriotismus des "internationalen Judentums"



    Redigiert keiner mehr Eure Artikel?

    • Patrick Guyton , des Artikels, Autor
      @Ignaz Wrobel:

      Hallo Ignaz, nein. Sie ist rechtlich keine Fürstin, weil der Adel und seine Privilegien in Deutschland 1919 abgeschafft worden sind. Galt auch für ihren Ehemann und alle anderen. Adel gibt es seitdem in D nicht mehr, nur im Namen.

  • Ein Song aus Regensburg: "Gloria", von MC Centwitch (open.spotify.com/t...NNv3FYWyIxD379FLH)

  • Aha, „…wird sie als rechtsextrem angesehen, und sie setzt immer wieder an, die liberale Demokratie zu zerstören“ wunderbar wie orthodoxe Jakobiner verbal zuschlagen. Wie schon mal erwähnt… wenn jede Person bei nicht genehmer direkt mit der „antidemokratischen Verbal-Keule“ bearbeitet wird, dann fehlt die Kraft wenn die wirklichen (rechtlich angreifbaren) Angriffe kommen.

    • @Tepan:

      Bei Gloria gehts schon lang nicht mehr um Meinungen sondern um völkisches Gedankengut.

    • @Tepan:

      Aha, dann schlagen Sie doch mal vor wie man diese Person sonst beschreiben/bezeichnen soll.



      Antidemokratische Tendenzen hat sie ja oft genug gezeigt.

    • @Tepan:

      Wie hübsch: "orthodoxe Jakobiner"



      Wirklich hübsch.



      Zumal im Angesicht der Betrachtung einer Adelin und ihrer Soireen,



      bei denen sich alles Spannende, Aufregende und Exotische des Reaktionären, Rechtsextremistischen und Faschistischen trifft.

      Otto Dix und Rainer Werner Fassbinder hätten das in opulente Bilder und Erzählungen übersetzt.

  • Ich kann den inhaltlichen Beschreibungen folgen. Dennoch würde ich hier eher anerkennen, dass die Künstlerin eine Reaktion gezeigt hat, in Zeiten, in denen viele andere das nicht tun.

  • Laut Spiegel hat sich die "Fürstin" dann ja auch über die Behandlung ihrer Ehrengästin beklagt. Was nun den Tenor des Kommentars angeht: Gegen Weidel klare Kante zu zeigen ist wichtiger als gegen Gloria. Weidel ist (vielleicht gerade bei Schlagerfans) populär und Weidel will Kanzlerin werden. Sie ist gefährlich . Auf die "Fürstin" trifft das nur bedingt zu. (Außerdem muss man ja irgendwo sein Geld verdienen...)

  • Nö, das sehe ich anders.



    Gerade in einer solchen Szene Grenzen zu setzen zeugt von Rückgrad.



    Hier wird Denen, die vielleicht Kontakt zu Jenen haben, die nicht mehr akzeptabel sind, gezeigt, was eine Harke ist.



    In einer linken Blase linke Selbstverständlichkeiten auszusprechen ist heiße Luft.



    Sich in rechten Kreisen über Rechte Luft zu machen ist hingegen bewundernswert.

  • Wie man sich bei der Lektüre vertun kann. Zuerst habe ich gelesen, dass sich Gloria einen eigenen Schloßgeist hält. Krass, dachte ich. Aber dann war's halt doch nur ein Prälat. Schade eigentlich.

  • Gianna Nannini, passt das denn?

  • Das ist ja wirklich eine Gratwanderung für die arme Vicky Leandros. Wahrscheinlich hätte sie sich das früher nicht träumen lassen, dass sie eines Tages ihr Publikum vorsortieren muss: Leute mit denen man sich gemeinsam sehen lassen kann und Leute, die anders sind oder denken, von denen man sich besser fern hält. Eine Zwickmühle.