Vicky Leandros schmeißt Weidel raus: Noch keine Heldinnentat
Leandros drohte, bei den Gloria-Festspielen abzusagen, weil Alice Weidel eingeladen war. Für von Thurn und Taxis zu singen, ist für sie kein Problem.

D ie Schlagersängerin Vicky Leandros hat bei den Schlossfestspielen der äußerst rechts stehenden Fürstin Gloria von Thurn und Taxis in Regensburg ein Mindestmaß an Anstand gezeigt. Als Leandros – offenbar erst am Sonntagabend – davon erfuhr, dass AfD-Chefin Alice Weidel bei ihrem Konzert am Montag als Ehrengast in der ersten Reihe sitzen sollte, nahm sie sich die Schloss-Chefin zur Brust. Sie verlangte von ihr, Weidel wieder auszuladen.
Der Bild sagte die 72-jährige Deutsch-Griechin: „Ich stehe für Vielfalt, Toleranz, Menschenwürde, Menschenrechte und Internationalität.“ Mit Weidel habe sie nichts gemeinsam. Mit fünf Jahren war Leandros von Athen nach Deutschland gekommen. Zumindest den Älteren dürfte sie noch bekannt sein, mit Schlagern wie „Ich liebe das Leben“, „Ja, ja der Peter, der ist schlau“ oder „Theo, wir fahr’n nach Lodz“.
Am Montag demonstrierten bis zu tausend Menschen nach einem Aufruf der „Initiative gegen Rechts“ auf dem Emmeramsplatz am Eingang zum Schloss, unter anderem mit dem Slogan „Weidel – verpiss dich“. Die Fürstin von Thurn und Taxis hatte sich da schon der Sängerin gebeugt und Weidel wieder ausgeladen.
Eine großartige Heldentat hat Vicky Leandros aber nicht vollbracht. Denn bei der Fürstin, die nur so heißt, die aber keine ist, tritt man gar nicht auf. Sie ist eine Netzwerkerin in einem politischen Bereich, der beim äußerst Konservativen beginnt und das gesamte rechte, rechtsextreme und verschwörungsgläubige Lager ganz bewusst einschließt. Das kann man wissen, und das sollte man wissen, auch Vicky Leandros.
Gloria bezeichnet Weidel als „Exotin“
In jungen Jahren gab sich die heute 65-Jährige von Thurn und Taxis als eine Art von Punk-Adelige. Doch seit mehr als zwei Jahrzehnten äußert sie sich rassistisch und homophob. Bei Michel Friedman sagte sie 2001: „Der Schwarze schnackselt gerne.“ Diese gezielte Widerwärtigkeit – eine von sehr vielen – war für Reaktionäre und Rassisten ein Schenkelklopfer.
Sie trifft jeden, der in dieser Szene einen Namen hat. Etwa den AfD-Politiker Maximilian Krah, der selbst seiner eigenen Partei zeitweise zu rechts war. Für Hans-Georg Maaßen, den abgedrifteten ehemaligen Verfassungsschutzchef, gab sie ein Spendendiner im Schloss. Viktor Orbán war schon zu Gast, ebenso wie der Rechtsradikale Steve Bannon, einst Chefstratege von Donald Trump.
In der Öffentlichkeit kokettiert Thurn und Taxis damit, dass das alles keine Rechtsextremisten seien, sondern intelligente, inspirierende Menschen. Über Alice Weidel meinte sie nun: „Sie müssen auch den ein oder anderen Exoten mit einladen, weil das macht die Sache interessant.“ Die AfD-Führungskraft sei eine „sehr attraktive, eloquente Frau“. Gloria hält sich auch einen eigenen Schlossgeistlichen. Prälat Wilhelm Imkamp sagte mal in einem Gespräch über sie: „Lieber unerhört als ungehört.“
Von Thurn und Taxis ist eine radikale Katholikin, zumindest außerhalb von Regensburg wird sie als rechtsextrem angesehen, und sie setzt immer wieder an, die liberale Demokratie zu zerstören. Einen der wenigen kritischen Journalisten, die es in der Dom- und Donaustadt gibt, bezeichnete sie als „Stasi-Beamten“.
Weidel ist abgereist
Kommen wir nun zu jenen, die sich in Regensburg als die „bürgerliche“ Gesellschaft bezeichnen, und für die die Fürstin weiterhin einen Fixpunkt in der Oberpfalz-Metropole darstellt. Geht man zu den Gloria-Festspielen, oder geht man nicht? Diese Frage stellen sich viele. Laut dem Info-Portal regensburg-digital jedenfalls wird regelmäßig reihenweise CSU- und Freie-Wähler-Prominenz gesichtet. Die Lokalzeitung ist meist sehr Gloria-treu und schreibt das Event hoch.
Und die Fürstin ist, darin sind sich alle einig, zumindest sehr begabt darin, Kohle zu machen. Neben den Schlossfestspielen verdient sie am alljährlichen „Romantischen Weihnachtsmarkt“ auf St. Emmeram. Auch ist das Haus Thurn und Taxis – so etwas wissen viele nicht – der größte private Waldbesitzer in ganz Deutschland.
Die Schlossfestspiele werden als Kultur-Highlight, als große Kunst vermarktet. Sind sie aber nicht. Sie sind eher eine Provinzbühne für ältere und oftmals abgetakelte Musiker*innen, die sich noch ein bisschen Zusatzrente verdienen. Letztes Jahr etwa gab es „Die schönsten Arien“, eine „Queen-Tribute-Show“ und Umberto Tozzi („Ti amo“).
Alice Weidel ist laut Berichten am Dienstag wieder aus Regensburg abgereist. Zuvor war spekuliert worden, dass sie bis Mittwoch bleibt und da noch das Konzert von Gianna Nannini mitnimmt.
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