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Kürzungen bei NGOsOhne Rückgrat

Kommentar von Raweel Nasir

Die Bundesregierung kürzt die Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit. Gleichzeitig setzt sie auf Kriegstüchtigkeit – ein fatales Signal.

Protest gegen massive Kürzungen in der Entwicklungszusammenarbeit und der humanitären Hilfe vor dem Kanzleramt im Juni 2025 Foto: Christian Ditsch/imago

W enn man sich die Entscheidung der Bundesregierung, 400 Millionen Euro bei der Entwicklungszusammenarbeit zu kürzen, anschaut, kann man das im ersten Moment nur für einen schlechten Scherz halten. Angesichts der schieren Anzahl an humanitären Krisen und eines eventuellen Genozids in Gaza jetzt zum vierten Mal in Folge die Gelder für die so wichtige Arbeit von NGOs zu streichen, ist wenig einleuchtend.

Wenn man sich die Bundestagsdebatte vom 9. Juli anschaut, bei der dieses Vorhaben diskutiert wurde, kann man sich fragen, wie sehr Problemanalyse und Lösungsansatz auseinanderklaffen können. SPD-Bundesentwicklungsministerin Reem Radovan betont selbst, dass die Krisen vor deutschen Grenzen nicht haltmachen, und macht auf die katastrophale Lage in Sudan aufmerksam.

Wer jetzt von ihr mehr Rückgrat gegenüber ihrem Parteifreund und Finanzminister Lars Klingbeil erwartet, indem sie etwa mehr Geld fordert, wird enttäuscht sein. Stattdessen ist sie sich mit ihm darüber einig, dass es darum geht, zu schauen, „wo man sich zurückziehen kann, um Kräfte zu bündeln“. Also nur Floskeln für ein „Es wird weniger Geld geben und damit müssen jetzt alle klarkommen“.

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Es scheint so, als wäre die Bundesregierung dem Irrglauben aufgesessen, in Fragen der Außenpolitik mehr auf militärische Investitionen zu setzen als auf humanitäre Hilfen. Und wie die – auch deutsche – Erfahrung zeigt, wird die Zahl der Geflüchteten, Toten und auf Hilfe angewiesenen Menschen durch militärische Einsätze nicht weniger, sondern mehr. Und was sich auch noch vermehrt, sind die Gewinne der hiesigen Rüstungsindustrie.

Was die Bundesregierung also mit diesen Kürzungsplänen ausdrückt, ist: Deutschland rüstet auf, um kriegstüchtig zu werden, und streicht zugleich Gelder für die Organisationen, die mit den Folgen von Kriegen beschäftigt sind. Und schottet sich mit einer regressiven und teils rechtswidrigen Migrationspolitik von den Konsequenzen der eigenen Politik ab.

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11 Kommentare

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  • "Deutschland rüstet auf, um kriegstüchtig zu werden, und streicht zugleich Gelder für die Organisationen, die mit den Folgen von Kriegen beschäftigt sind. Und schottet sich mit einer regressiven und teils rechtswidrigen Migrationspolitik von den Konsequenzen der eigenen Politik ab."



    Hier werden völlig zusammenhangslos Themen vermengt, nur um ein reißerisches Fazit zu bekommen.



    Deutschland rüstet auf weil:



    1. Russland mit seinem Angriffskrieg die europäische Sicherheitsarchitektur komplett über den Haufen geworfen hat



    2. Russland wiederholt massiv EU-Staaten bedroht (Baltikum, Finnland} und mit der atomaren Vernichtung von Berlin und London gedroht hat



    3. Die USA unter Trump kein verlässlicher Sicherheitsgarant mehr sind



    4. China massiv einen Angriffskrieg auf Taiwan vorbereitet



    Fazit: Deutschland rüstet auf, weil Demokratien weltweit im Fadenkreuz stehen und ihre bisherige Schutzmacht ausfällt bzw jetzt sogar selbst ein Feind der Demokratie ist.

  • Hier werden Äpfel mit Birnen verglichen. Man sollte jedoch vielleicht erst einmal ein Evaulierung jeder einzelnen Maßnahme vornehmen. Und die am finanziellen Staatstropf hängenden NGOs besser kontrollieren. Das spart Geld und verbessert die Leistung.

  • 1. In wie weit können NGOs den Genozid in Gaza aufhalten, in wie weit verschlechtert sich die Situation durch die Kürzungen?



    2. Wie weit ist die Förderung von NGOs der Entwicklungszusammenarbeit staatliche Außenpolitik?



    3. Von Investitionen ins Militär kommen Sie direkt auf die Auswirkungen von Militäreinsätzen. Was insbesondere vor dem Hintergrund, dass es momentan eben NICHT um Investitionen geht, mit denen die Bundeswehr mehr zu einer sog. "Einsatzarmee" für asymmetrische Konflikte wie in den späten 90ern/2000ern/2010ern gemacht werden soll, sondern es eher um die Rolle rückwärts zu einer Armee der Landes- bzw. Bündnisverteidigung geht. Das halte ich für argumentatorisch eher schwach.

  • Schade dass kapitalistisch generiertes Dauerwachstum so viel Armut erzeugt, dass das Geld für die Armen nicht mehr reicht. Und jetzt auch noch die Renditen mit Rüstung und Krieg erwirtschaftet werden müssen. So ein Elend. War es denn nicht ganz anders gedacht, wie konnte es nur so kommen?

  • Hier wird leider zu viel zusammen gemixt, was eigentlich eigenständig betrachtet werden sollte.



    Klar würden es viele NGO´s gerne sehen, wenn die deutsche Regierung sich noch um den Hunger in Land x, die Femizide in Land y und die Tierversuche in Land z kümmern (und natürlich vor allem finanziell an die NGO) würde.



    Es sollte aber auch möglich sein, einmal zu hinterfragen, wohin denn die ganze Entwicklungshilfe der letzten Jahrzehnte geflossen ist, und warum die positiven Erträge daraus immer noch nicht sichtbar sind. Da kann ich aber mit einem Beispiel dienen. Ich war dabei, als in einem somalischen Dorf 1991 ein Brunnen und ein kleines Schulgebäude gebaut wurden. Die Freude der Bewohner währte aber nur ein paar Tage, dann wurde beides von den Bewohnern der Nachbardörfer zerstört, weil diese halt nicht mit so etwas beglückt wurden. Darauf, selbst einen Brunnen zu graben, sind diese aber nicht willig gewesen. Das soll der doofe Westen machen. und das die Regierung jetzt erstmal an die eigene Bevölkerung denkt und die Verteidigungsfähigkeit wieder herstellt, ist wohl naheliegend.

  • Wenn die Bundesregierung eine militärische Bedrohung sieht, dann ist es ihre Pflicht, die Bürger hier vor den Folgen zu schützen und das Land zu verteidigen. Das bedeutet im Ergebnis dann halt Aufrüstung.

    Was im Rest der Welt passiert, ist vollkommen nebensächlich; zumal Deutschland an den aktuellen Krisen weder einen Beitrag hat, noch diese befrieden kann.

    • @DiMa:

      Konventionelle Aufrüstung gegen eine Atommacht.?



      M.E. wird der Weltfrieden eher von anderer Seite bedroht.

      • @Oliver Wagner:

        Ihrer Argumentation folgend bräuchten wir dann gar keine Armee, da am Ende eh der Atomschlag folgt. Auf die Idee, das auch eine Atommacht keinem Atomkrieg führen sondern "nur" Land erobern will (und dies möglichst intakt) kommen Sie nicht. Und gegen solche Eroberungsgelüste, die ausschließlich mit konventionellen Waffen durchgeführt werden können, schützt eben eine konventionelle Aufrüstung. Es sei denn Sie befürworten, dass auch Deutschland Atommacht wird.

        • @Tom Tailor:

          Ja im europäischen Verbund.



          Atomare Abschreckung wirkt , Nord Korea lässt grüßen.



          M.E. würde eine kleine taktische Atomwaffe genügen, dass Europa mit ihren haushochüberlegenen konventionellen Armeen kapituliert.



          Und dass Trump wegen Europa einen Krieg mit Russland riskiert halt ich für unwahrscheinlich

      • @Oliver Wagner:

        Wenn wir uns ansehen, wie auch Atommächte Krieg führen, ist konventionelle Aufrüstung naheliegend.

        Wenn Sie meinen, der Weltfrieden sei bedroht, bedeutet das, er sei im Prinzip ja da.

        Wo hat er sich dann versteckt?

        • @rero:

          Sie meinen die kleinen Grenzscharmützel zwischen China und Indien, bzw Pakistan und Indien?



          Selten wurden bewaffnete Konflikte schneller beigelegt