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Abschiebeflug nach AfghanistanSymbolpolitik mit gefährlichen Konsequenzen

Frederik Eikmanns
Kommentar von Frederik Eikmanns

Sicherer wird Deutschland durch die Abschiebung von 80 Straftätern nicht. Man stärkt aber die islamistischen Taliban. Ein Risiko für die ganze Region.

Ein Flugzeug der Qatar Airways startet am 18. Juli vom Flughafen Leipzig/Halle Foto: Jan Woitas/dpa

E s ist wohl kein Zufall, dass der Abschiebeflieger nach Kabul ausgerechnet an diesem Freitag abhob. Lange war bekannt, dass die Bundesregierung diesen Schritt so bald wie möglich gehen will. Immer wieder hatte es Gerüchte über einen möglichen Termin gegeben. Jetzt also an dem Tag, an dem sich Bundesinnenminister Alexander Dobrindt mit seinen Amtskollegen aus Frankreich, Polen, Österreich, Dänemark und Tschechien auf der Zugspitze trifft, um über die großen Linien der Migrationspolitik zu beraten.

Das ist ein bewusst gesetztes Symbol: Seht her, die Bundesregierung setzt die versprochene „Asylwende“ weiter konsequent um – nicht nur durch gemeinsames Absprachen auf EU-Ebene, sondern auch ganz konkret. Ein willkommener Nebeneffekt dürfte sein, dass die Abschiebe­aktion die öffentliche Aufmerksamkeit von dem Desaster um die Verfassungsrichter*innen-Wahl ablenkt.

Der menschenrechtlich fragwürdige Abschiebe-Stunt enthüllt die Substanzlosigkeit, die die deutsche und die ganze europäische Migrationspolitik prägt. Es geht weniger um die Abschiebung an sich als um das Symbol, dass abgeschoben wird. Die praktischen Auswirkungen sind dabei im Grunde egal.

Um Sicherheit geht es nicht

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Denn sicherer wird Deutschland durch die Abschiebung der 80 afghanischen Straftäter bestimmt nicht. Zwar liefen die Abstimmungen mit dem Taliban-Regime dieses Mal noch über Katar. Doch auch das verschafft den Islamisten die internationale Anerkennung, nach der sie so verzweifelt streben. Sie wollen raus aus dem Paria-Status. Und die deutschen Kontakte nach Afghanistan werden zunehmend enger.

Erklärtes Ziel der Bundesregierung ist es, einen­ dauerhaften Abschiebemechanismus zu etablieren. Es ist ein offenes Geheimnis, was die Taliban dafür fordern: konsularische Vertretung in Deutschland. Geht die Bundesregierung diesen Weg weiter, dann hilft sie den Islamisten, ihre Machtbasis in Afghanistan zu festigen und mit einem Konsulat womöglich eine Basis in Deutschland zu schaffen.

Alles, was die Taliban stärkt, ist schlecht für die globale Sicherheitslage

Zur Erinnerung: Die Taliban sind Islamisten, die man mit Fug und Recht als die Feinde der aufgeklärten Gesellschaft betrachten darf. Sie verachten die Demokratie und Menschenrechte, unterdrücken Frauen brutal. Sie gewährten Osama bin Laden Unterschlupf. Die Bundeswehr hat zusammen mit ihren Verbündeten über ein Jahrzehnt Krieg gegen sie geführt.

Jede Maßnahme, die die Taliban stärkt, ist schlecht für die Sicherheits- und Menschenrechtslage im Nahen Osten und auf der ganzen Welt. Und dass dies irgendwann auf Deutschland und seine Verbündeten zurückschlagen wird, ist offensichtlich. Sei es in Form von islamistischer Propaganda, die ihren Weg über tausende Kilometer in die deutsche Gesellschaft findet, durch dschihadistische Attentäter oder durch neue Megakrisen in Nahost. Dobrindt sollte gut darüber nachdenken, ob seine symbolische Abschiebepolitik einen solchen Preis wert ist.

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Frederik Eikmanns
Fachredakteur Inland
schreibt über alles, was im weitesten Sinn mit Migration zu tun hat.
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5 Kommentare

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  • "Alles, was die Taliban stärkt, ist schlecht für die globale Sicherheitslage"

    In erster Linie ist es eine schallende Ohrfeige für alle Frauen. Nicht nur in Afghanistan.

    Dobrindt und die Union werden es mit diesem Kurs fertigbringen, dass Deutschland in einigen Jahren ganz viele neue strategische Partner an seiner Seite hat. Die Taliban sind da nur der Auftakt, da werden noch weitere Allianzen geschmiedet.

    Die AfD freut es das die Union ihre Positionen auch weiterhin eins zu eins übernimmt, ihr Höhenflug hält an.

    Wenn die" Lokomotive" Deutschland nicht bald einen anderen Kurs fährt und anfängt Real- statt Symbolpolitik zu machen, kann sie sich in spätestens vier Jahren als Juniorpartner der AfD andienen.

    Dann kann auch endlich wieder Öl und Gas aus Russland fließen und Nethanjahu zu einem offiziellen Staatsbesuch eingeladen werden.

    Deutschland ist längst dabei sich aus der Wertegemeinschaft zu verabschieden und sich in einer Nische einzurichten zwischen Autokraten vom Schlage Netanjahu und Trump sowie autoritären Systemen wie den Saudis, Katar oder China. Das alte deutsche Motto "paktieren gemäß des eigenen Vorteils willens" greift wieder um sich. Einmal in Gaza nachfragen.

  • Wenn Deutschland Mörder, Vergewaltiger, islamistische Gefährder abschiebt, dann wird es sicherer.Die können dann hier weniger Verbrechen begehen und man setzt endlich mal Zeichen.

    Übrigens Iran und Pakistan wollen Milionen Afghanen abschieben

    www.uno-fluechtlin...ilfe-weltweit/iran



    2025 ist der Druck auf afghanische Flüchtlinge im Iran jedoch gestiegen und die Zahl der nach Afghanistan zurückkehrender Flüchtlinge stieg im Juli auf über 1 Million.

    www.tagesschau.de/...-afghanen-100.html



    800.000 Afghanen plötzlich illegal



    Seit Anfang April haben nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks mehr als 120.000 Afghaninnen und Afghanen Pakistan verlassen. Die meisten sind aus Angst einer Abschiebung zuvorgekommen. Zehntausende sollen allein in den vergangenen zwei Wochen abgeschoben worden sein.

  • "Denn sicherer wird Deutschland durch die Abschiebung der 80 afghanischen Straftäter bestimmt nicht. "

    Steile These - und völlig unbelegt. Natürlich wird D sicherer, wenn 80 Schwer- und Schwerstkriminelle abgeschoben werden.

    • @Emmo:

      Ich würde gern wissen, was die Behörden unter Schwer- und Schwerstkriminelle konkret verstehen, d.h. was sie 'angerichtet' haben. . .

    • @Emmo:

      Das ist ein Irrtum. Deutschland war auch vor einigen Tagen eines der sichersten Länder der Erde. Noch viel sicherer wäre es, die Schwer- und Schwerstkriminellen hier zu verwahren als sie in die Freiheit eines vollkommen unkontrollierbaren Landes, wie es Afghanistan ist, zu entlassen.