Frauenfußball-EM: Zu flügellastig, zu wenig flexibel
Das deutsche Team ist im Halbfinale ausgeschieden. Die selbst ernannten Titelkandidatinnen spielten oft wie ein Underdog.

A m Ende haben sie vielleicht selbst geglaubt, dass Mentalität, Zweikampf und Aufopferung allein es schon richten werden bei dieser EM. Gegen die spielstarken Spanierinnen hat sich das DFB-Team im Halbfinale über alle Maßen eingeigelt – und ist verdient in der Verlängerung ausgeschieden. Seit der Abwehrschlacht gegen Frankreich ging der öffentliche Diskurs in Deutschland penetrant um vermeintliche deutsche Kampftugenden. Das ist sowohl Ausweis des Zeitgeists als auch der spielerischen Mängel, an denen die Elf im Turnier litt.
Viel zu flügellastig war der Spielaufbau, viel zu wenig variabel die Offensive, gerade das Zentrum oft kaum eingebunden. Taktisch ist man in einem Fußball von vor zehn Jahren stecken geblieben. Also galt: Verteidigen, was das Zeug hält. Schön war das selten. Die selbst ernannten Titelkandidatinnen spielten oft wie ein Underdog. Gegen Spanien hätte es trotzdem wieder gut gehen können. Ein Glück, dass sich die Künstlerinnen durchgesetzt haben.
Es ergibt sich nach dem Halbfinal-Aus eine merkwürdige Dissonanz zwischen der tatsächlichen Qualität des DFB-Teams und der Wahrnehmung. Denn viele Fans in Deutschland hat gerade diese Spielweise begeistert. In Deutschland gelten Tacklings und Flanke-Kopfball-Tor-Fußball seit je her mehr als ein kluger Pass in die Tiefe. Und traditionell werden Turniere vom Ergebnis her analysiert. Da war die DFB-Elf ein paar Minuten vom Finale entfernt.

Die taz ist eine unabhängige, linke und meinungsstarke Tageszeitung. In unseren Kommentaren, Essays und Debattentexten streiten wir seit der Gründung der taz im Jahr 1979. Oft können und wollen wir uns nicht auf eine Meinung einigen. Deshalb finden sich hier teils komplett gegenläufige Positionen – allesamt Teil des sehr breiten, linken Meinungsspektrums.
Es ist gut für den Fußball der Frauen, dass die Welle der Begeisterung rollt. Das leidenschaftliche Kollektiv hat es sich verdient. Schlecht ist diese Schönfärberei für die sportliche Aufarbeitung. Das Halbfinal-Aus war kein Pech, sondern eher ein etwas zu gutes Resultat. Die Deutschen müssten vor allem dringend ihren taktischen Rückstand im Offensivspiel angehen.
Auch eine Spielidee war kaum erkennbar. Doch Trainer Wück und seine Spielerinnen hoben vor allem ihren Stolz und eigenes Pech hervor. Kanzler Merz schrieb ranschmeißerisch bei Instagram: „Bis zuletzt stark gekämpft, am Ende hat es leider doch nicht gereicht“. Unfreiwillig ziemlich gut auf den Punkt.
Fairplay fürs freie Netz
Auf taz.de finden Sie unabhängigen Journalismus – für Politik, Kultur, Gesellschaft und eben auch für den Sport. Frei zugänglich, ermöglicht von unserer Community. Alle Inhalte auf unserer Webseite sind kostenlos verfügbar. Wer es sich leisten kann, darf gerne einen kleinen Beitrag leisten. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Deutsche Israel-Politik
130 Diplomaten im Außenministerium fordern härteren Kurs
Bettelverbot in Hamburgs S- und U-Bahnen
S-Bahn verhindert Grundrechtsentscheidung
Krieg im Gazastreifen
Keine Hilfe für die Verhungernden
Frankreich zu Palästinenserstaat
Macron kündigt Anerkennung Palästinas im September an
IGH-Gutachten zum Klimaschutz
Haftbar für Schäden auf dem ganzen Planeten
Künstliche Intelligenz an Universitäten
Eine neue Ära des Studierens