Identitärer Rechtsreferendar in Passau: Rechtsextremer Rechtsverdreher
Arndt N. war lange gut vernetzt im völkischen Lager, am Landgericht Passau macht er jetzt ein Referendariat. Prüfte die bayerische Behörde den Fall ausreichend?

Dokumentiert hat das Treffen die antifaschistische Rechercheplattform „Völkische Verbindungen kappen“. Grinsend zeigen junge Burschenschafter die in der extremen Rechten verbreitete White-Power-Handgeste in die Kameras der am Rande stehenden Journalist:innen. Einige andere Demoteilnehmer scheinen dagegen mit der Pressefreiheit ein Problem zu haben. Videoaufnahmen zeigen, wie unliebsame Fotograf:innen bedroht und bedrängt werden.
Viele der Teilnehmenden begrüßen diese Konfrontation mit der Presse. Niemand greift ein. Auch Arndt N. steht daneben, ein junger Mann aus Bayern mit rechtsextremer Biografie, der unter anderem bei der Identitären Bewegung aktiv war. Im Video ist zu sehen, dass Arndt N. die Farben der schlagenden Verbindung Saxonia Czernowitz trägt. Rund vier Monate später beginnt er sein Rechtsreferendariat beim Landgericht Passau. Das Referendariat ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg in den Staatsdienst, etwa als Staatsanwalt oder Richter. Nach taz-Informationen plant N., sich danach als Rechtsanwalt in Passau niederzulassen.
Ist es richtig, dass Arndt N. trotz seiner Verbindungen ins rechtsextreme Milieu und seiner eigenen politischen Biografie nun ein Referendariat absolvieren darf? Und haben die Behörden den Fall ausreichend geprüft?
Dass Arndt N. aktuell sein Referendariat am Landgericht in Passau absolviert, wurde Ende Juni bekannt. Die Passauer Grünen und Linken machten auf den Fall aufmerksam. Luke Hoß, Bundestagsabgeordneter der Linken vom Kreisverband Passau, sagt dazu der taz: „Es ist beängstigend, dass ein gut vernetzter Rechtsextremist in Passau sein Referendariat macht und somit Einfluss und Macht über das Leben der Menschen hat.“ So könne N. etwa während seiner Station bei der Staatsanwaltschaft weitgehend eigenmächtig Entscheidungen treffen, die Rechtsfolgen für Betroffene im Strafverfahren haben, so Hoß weiter.
Luke Hoß, Linken-Bundestagsabgeordneter Wahlkreis Passau
Tatsächlich durchlaufen Rechtsreferendar:innen verschiedene Stationen, arbeiten auch im Gerichtssaal, etwa im Verwaltungs- oder Sozialrecht, und auch im Strafrecht bei der Staatsanwaltschaft. Als Referendar hat N. mitunter auch Zugriff auf sensiblen Daten. „Man stelle sich vor, wie sich eine Person fühlen muss, die von rassistischer Gewalt betroffen ist und ihm im Gerichtssaal gegenübersitzt“, sagt Hoß. Der bayerische Grünen-Abgeordnete Toni Schuberl gibt gegenüber der taz auch zu bedenken, man dürfe „Rechtsextremen nicht die Werkzeuge des Rechtsstaats in die Hand geben“, die Gefahr durch die Mitglieder rechter Netzwerke sei nicht zu unterschätzen.
Ein Haus, in dem Nationalsozialisten gelobt werden
In eben solchen Netzwerken bewegt sich Arndt N. schon seit langem. N. war während seines Studiums, von 2014 bis 2018, aktives Mitglied in der Burschenschaft Danubia, übernahm dort auch Führungsaufgaben. Ein Szene-Aussteiger berichtete 2020 über die Burschenschaft, man habe dort ganz offen „NS-Größen“ lobpreisen können. Auch die Saxonia Czernowitz, deren Farben N. 2024 in Schärding trug, hat die Adresse im selben Haus, sie gilt als die Vorfeldorganisation der Danubia. Laut Verfassungsschutz liegen bei der Danubia „seit vielen Jahren Erkenntnisse über rechtsextremistische Bestrebungen“ aktiver Mitglieder vor, berichtete die Süddeutsche Zeitung kürzlich.
Erst Ende Juni führten Ermittlungen der bayerischen Staatsanwaltschaft gegen Aktivisten der Gruppe „Lederhosenrevolte“, einem Ableger der Identitären Bewegung (IB), ins Haus der Danubia. Auch Arndt N. war rund vier Jahre bei der IB aktiv, nach taz-Informationen mindestens bis Mitte 2017. Im Jahr 2016 hielt er auch einen Redebeitrag auf einer Kundgebung.
Einem Bericht der Autonomen Antifa Freiburg zufolge soll N. etwa zur gleichen Zeit stellvertretender Ortsgruppenführer der IB in München gewesen sein. Der bayerische Verfassungsschutz betonte im Bericht von 2016 bereits den rechtsextremistischen und völkischen Charakter der IB sowie die Nähe der IB zur Danubia.
Der Passauer Rechtsreferendar N. ist der Danubia schon qua Geburt verbunden. Nach taz-Informationen gehörten bereits der Vater und der Großvater von Arndt N. der Danubia an. 2017 posierte N. für einen Bericht im Spiegel-Magazin im Haus der Danubia und wurde mit der Aussage zitiert, es sei wichtig, „dass etwas gegen den großen Austausch getan wird“. Unter dem Schlagwort „Großer Austausch“ verbirgt sich eine rassistische Verschwörungserzählung mit antisemitischer Konnotation, wonach die Bevölkerung Europas angeblich durch gezielte und gesteuerte Massenmigration ersetzt werden solle.
Auch publizistisch war N. einschlägig unterwegs. So moderierte er bis 2016 den Videoblog „Jugendmut“, in dem laut Verfassungsschutz zur „Aufnahme des politischen Kampfes auf ganzer Ebene“ aufgerufen wurde, schrieb 2018 für das „neurechte“ Magazin Sezession und hostete 2020 den Podcast „Lagebesprechung“ der rechtsextremen Plattform Ein Prozent.
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Erst Identitäre Bewegung, dann Rechtsreferendariat?

Ende 2023 besuchte N. in Steyregg in Österreich eine Veranstaltung im „identitären“ Hausprojekt „Castel Aurora“, ein Treffpunkt für den internationalen Rechtsextremismus. Im Juni 2024 schließlich folgte der Besuch im österreichischen Schärding.
Prüfte das Münchner Gericht ausreichend?
Der bayerische Grünen-Abgeordnete Toni Schuberl äußert gegenüber der taz Zweifel, ob im Auswahlverfahren für das Rechtsreferendariat beim zuständigen Oberlandesgericht (OLG) München „gründlich genug hingeschaut wurde“. Linken-Politiker Hoß betont, die „rechtsextreme Gesinnung von N.“ sei gut dokumentiert. Es sei daher erschreckend, dass das OLG N. zugelassen hat.
Vor der Aufnahme ins Referendariat durchlaufen Bewerber:innen ein Prüfungsverfahren, bei dem sie auch auf ihre Verfassungstreue abgeklopft werden. Dazu müssen sie in einem Fragebogen angeben, ob sie in einer extremistischen Organisation sind oder waren. Geben Bewerber:innen ihre Mitgliedschaften nicht wahrheitsgemäß an, kann dies als „arglistige Täuschung“ gewertet werden, heißt es beim OLG München auf eine taz-Nachfrage. Dies könne zur Rücknahme der Zulassung führen.
Ergeben sich Zweifel an der Verfassungstreue der Bewerber:innen, kommt es zu einer persönlichen Anhörung. Auch eine Abfrage beim Verfassungsschutz ist denkbar. Doch ob das im Fall N. geschehen ist, bleibt unklar. Aus Gründen des Persönlichkeitsrechts will man sich beim zuständigen OLG und auch beim bayerischen Justizministerium nicht äußern.
Dass das OLG München nicht leichtfertig Referendar:innen ablehnt und jeden Fall genau prüft, ist wichtig. Schließlich benötigen Juristen nicht nur für den Staatsdienst, sondern auch für die Arbeit als Anwalt ein abgeschlossenes Referendariat. Eine Ablehnung käme einem Berufsverbot als Rechtsanwalt gleich.
Es geht auch anders
Doch ein vergleichbarer Fall aus diesem Jahr zeigt, dass rechtsextremes Engagement durchaus zu einer Ablehnung führen kann: John Hoewer war Burschenschafter der Germania in Köln, zeitweise bei der IB aktiv und im Vorstand der Jungen Alternative (JA), veröffentlichte 2021 beim rechtsextremen Jungeuropa-Verlag das Buch „Europa.Power.Brutal“.
Das Verwaltungsgericht Koblenz verwehrte ihm in einem Beschluss wegen fehlender Verfassungstreue das Rechtsreferendariat. Vorbestraft war Hoewer nicht. Das Verwaltungsgericht Koblenz argumentierte, sein Menschenbild stehe in „eklatantem Widerspruch“ zu den Mindestanforderungen an die Verfassungstreuepflicht. Ausschlaggebend war seine Rolle in der JA.
Wurde im Fall von Arndt N. beim OLG München genau hingesehen? Allgemein heißt es auf eine taz-Nachfrage beim OLG: Die Mitgliedschaft in einer extremistischen Organisation allein reiche nicht aus, um das Referendariat zu verwehren. Bewerber:innen könne das Referendariat nur dann verwehrt werden, wenn diese eine verfassungsfeindliche Bestrebung unterstützen und als Mitglied einer extremistischen Organisation die „freiheitlich demokratische Grundordnung in strafbarer Weise“ bekämpfen oder „aktiv versuchen“ diese zu „beeinträchtigen“, etwa durch die Übernahme von Führungspositionen.
Die taz hat versucht, Arndt N. auf verschiedenen Wegen zu kontaktieren. N. ließ alle Anfragen unbeantwortet.
Katharina Fuchs von der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus in Bayern sieht keinen Anlass, zu glauben, dass N. sich von seiner rechtsextremen Gesinnung distanziert haben könnte. Burschenschaften wie die Danubia definieren sich als „Lebensbund“, sagt sie. Dass N. der Danubia auch nach seiner Studentenzeit als Alumni, sogenannter „Alter Herr“, verbunden bleibt, zeige sich auch bei seiner Teilnahme in Schärding 2024.
Fuchs kritisiert: „Eine Entscheidung wie im Fall N. attestiert einem langjährig aktiven Rechtsextremisten eine unbescholtene Haltung zur demokratischen Grundordnung“. So werde extrem rechtes bis neonazistisches und völkisches Denken legitimiert und auch bagatellisiert. „Wenn jemand wie N. zugelassen wird, frage ich mich, was man noch alles machen muss, um nicht zugelassen zu werden“, so Fuchs weiter.
In Passau macht sich derweil wohl ein weiterer Aktivist vom äußerst rechten Rand für eine mögliche juristische Laufbahn bereit. Der einstige stellvertretende Vorsitzende der erwiesen rechtsextremistischen Jungen Alternative Ostbayern soll sein erstes Staatsexamen bereits absolviert haben, so berichtete es der Grünen-Abgeordnete Toni Schuberl der taz. Ob auch ihm vom Gericht die Unbedenklichkeit bescheinigt wird?
In einer früheren Version des Textes hatten wir geschrieben, dass John Hoewer in der Verbindung Gothia in Berlin aktiv war. Das ist falsch. Hoewer war in der Germania Köln aktiv.
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