Nawrocki fordert Reparationen: Deutschland muss auf Polen zugehen
Die deutsch-polnischen Beziehungen sind gerade jetzt wichtig – und gerade jetzt ist es um sie nicht gut bestellt. Berlin sollte sich offen zeigen.

U m die deutsch-polnischen Beziehungen ist es nicht gut bestellt. Und dass es mit Karol Nawrocki zwischen Berlin und Warschau nicht kuscheliger werden würde, war zu erwarten. So konnte es niemanden ernsthaft überraschen, dass Polens nationalpopulistischer Präsident bei seinem Antrittsbesuch am Dienstag in Berlin erneut die „Reparationskarte“ zückte und umgerechnet 1,3 Billionen Euro forderte.
Keine Frage – dies war und ist vor allem eine Botschaft Nawrockis an seine Wählerklientel und die der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Doch sie von deutscher Seite zu ignorieren wäre schlichtweg fahrlässig. Immerhin schließen sich laut einer aktuellen Umfrage 54 Prozent der Pol*innen der Forderung nach Reparationszahlungen an. Kurzum: Die Traumata als Folge der Verbrechen Deutschlands im Zweiten Weltkrieg sitzen immer noch tief, aus nachvollziehbaren Gründen.
Genau da liegt Nawrockis Dilemma. Seitdem die PiS – bis 2023 an der Regierung – das Thema Reparationen erstmals auf die Tagesordnung setzte, hat sich die Situation grundlegend geändert. Russlands über dreijähriger Feldzug gegen die Ukraine ist schon längst zu einer Konfrontation mit dem „kollektiven Westen“ geworden. Das bekommt jetzt vor allem auch Polen durch wiederholte russische Drohnenangriffe – laut Kreml nichts anderes als verlogene feindliche Propaganda – deutlich zu spüren.
Als Erstes machte Nawrocki Anfang September und damit in bewusster Opposition zu dem proeuropäischen polnischen Regierungschef Donald Tusk US-Präsident Donald Trump seine Aufwartung. Die verhaltene Reaktion Washingtons auf die jüngsten Vorfälle sollten ihn jedoch eines Besseren belehren, will heißen: angesichts einer wachsenden Bedrohung durch Russland müssen nicht nur die Europäer, sondern vor allem auch Polen und Deutschland militärisch enger miteinander kooperieren. Doch eine verstärkte, verlässliche Sicherheitspartnerschaft zwischen den beiden Nachbarstaaten ist das eine. Etwas anderes sind Entschädigungszahlungen Berlins an die letzten noch lebenden Kriegsopfer in Polen. Vielleicht, für viele Pol*innen, nicht mehr als eine Geste. Doch sie wäre wichtig. Zumindest einen kleinen Teil könnte Berlin zahlen.
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