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Nawrocki fordert ReparationenDeutschland muss auf Polen zugehen

Kommentar von Barbara Oertel

Die deutsch-polnischen Beziehungen sind gerade jetzt wichtig – und gerade jetzt ist es um sie nicht gut bestellt. Berlin sollte sich offen zeigen.

Die Stimmung zwischen Polen und Deutschland war schon besser: Präsident Karol Nawrocki (l.) besucht Kanzler Friedrich Merz Foto: Lisi Niesner/ Reuters

U m die deutsch-polnischen Beziehungen ist es nicht gut bestellt. Und dass es mit Karol Nawrocki zwischen Berlin und Warschau nicht kuscheliger werden würde, war zu erwarten. So konnte es niemanden ernsthaft überraschen, dass Polens nationalpopulistischer Präsident bei seinem Antrittsbesuch am Dienstag in Berlin erneut die „Reparationskarte“ zückte und umgerechnet 1,3 Billionen Euro forderte.

Keine Frage – dies war und ist vor allem eine Botschaft Nawrockis an seine Wählerklientel und die der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Doch sie von deutscher Seite zu ignorieren wäre schlichtweg fahrlässig. Immerhin schließen sich laut einer aktuellen Umfrage 54 Prozent der Po­l*in­nen der Forderung nach Reparationszahlungen an. Kurzum: Die Traumata als Folge der Verbrechen Deutschlands im Zweiten Weltkrieg sitzen immer noch tief, aus nachvollziehbaren Gründen.

Genau da liegt Nawrockis Dilemma. Seitdem die PiS – bis 2023 an der Regierung – das Thema Reparationen erstmals auf die Tagesordnung setzte, hat sich die Situation grundlegend geändert. Russlands über dreijähriger Feldzug gegen die Ukraine ist schon längst zu einer Konfrontation mit dem „kollektiven Westen“ geworden. Das bekommt jetzt vor allem auch Polen durch wiederholte russische Drohnenangriffe – laut Kreml nichts anderes als verlogene feindliche Propaganda – deutlich zu spüren.

Als Erstes machte Nawrocki Anfang September und damit in bewusster Opposition zu dem proeuropäischen polnischen Regierungschef Donald Tusk US-Präsident Donald Trump seine Aufwartung. Die verhaltene Reaktion Washingtons auf die jüngsten Vorfälle sollten ihn jedoch eines Besseren belehren, will heißen: angesichts einer wachsenden Bedrohung durch Russland müssen nicht nur die Europäer, sondern vor allem auch Polen und Deutschland militärisch enger miteinander kooperieren. Doch eine verstärkte, verlässliche Sicherheitspartnerschaft zwischen den beiden Nachbarstaaten ist das eine. Etwas anderes sind Entschädigungszahlungen Berlins an die letzten noch lebenden Kriegsopfer in Polen. Vielleicht, für viele Pol*innen, nicht mehr als eine Geste. Doch sie wäre wichtig. Zumindest einen kleinen Teil könnte Berlin zahlen.

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Ressortleiterin Ausland
Geboren 1964, ist seit 1995 Osteuropa-Redakteurin der taz und seit 2011 eine der beiden Chefs der Auslandsredaktion. Sie hat Slawistik und Politikwissenschaft in Hamburg, Paris und St. Petersburg sowie Medien und interkulturelle Kommunikation in Frankfurt/Oder und Sofia studiert. Sie schreibt hin und wieder für das Journal von amnesty international. Bislang meidet sie Facebook und Twitter und weiß auch warum.
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13 Kommentare

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  • Alleine der Grund und Boden der ehemaligen deutschen Ostgebiete dürfte mehr wert sein als der genannte Betrag.

    Über Reparationszahlungen gegen die Rückgabe von Pommern und Schlesien könnte man natürlich nachdenken... ;)

  • Einen rechtsextremen Hooligan durch diese zahlung zu legetimieren halte ich für ein sehr schlechtes Signal.

  • Der Wunsch der Polen nach Reparationen ist berechtigt. Genau wie der vieler anderer Nationen.

    Deutschland kann sie nicht bezahlen weil kein Geld da ist und keine Regierung angemessene Reparationszahlungen überleben würde.

    Das sind die Fakten. Muss Polen wohl so hinnehmen.

    • @A. Müllermilch:

      Zitat: "Der Wunsch der Polen nach Reparationen ist berechtigt. Genau wie der vieler anderer Nationen."



      ____

      Nein, ist er nicht. Polen hat 1953 auf weitere Reparationen verzichtet, dieser Verzicht gilt, trotz als völkerrechtlich verbindlich, was der polnische Ministerrat auch 2004, also in nachkommunistischer Zeit, bestätigt hat, wie man u.a. hier nachlesen kann:

      zeitgeschichte-onl...rspaetete-rechnung

      Die Reparationsfrage gilt seit dem Zwei-plus-Vier-Vertrag von 1990 und der anschließenden Charta von Paris im selben Jahr, bei der die Unterzeichnerstaaten, u.a. Polen und Griechenland, diesen Zwei-Plus-Vier akzeptiert haben, als grundsätzlich abgeschlossen.

    • @A. Müllermilch:

      Dann hätte ich auch gern die Heimat meiner Eltern wieder.

      Nein, im Ernst: einzelne Opfer entschädigen fine ich okay.

      Reparationen für Polen darf man gern mit dem Gegenwert der Ländereien verrechnen, die Polen von Deutschland bekommen hat. Dass Polen Land an die Sowjetunion verloren hat, ist tragisch, aber dafür ist Deutschland nicht der Ansprechpartner.

  • Mich würde ja tatsächlich mal interessieren, wie sich die 1,3 Billionen errechnen, welche Werte angesetzt wurden, etc. Und wie wurden die Sachreparationen, im besonderen die ca. 100.000 km² Land der ehemaligen deutschen Ostgebiete gegengerechnet, die Polen im Potsdamer Vertrag zunächst zur Verwaltung, nach den Verträgen der DDR von 1950 bzw. des 2+4-Vertrags 1990 endgültig zugesprochen bekam.



    Mir ist dabei völlig klar, dass auch der Verlust der vor 1939 polnischen Gebiete östlich der Curzon-Linie nicht [mindestens: nicht völlig] vom 2. Weltkrieg allgemein und damit im besonderen der Verantwortung Deutschlands für diesen Krieg zu trennen ist.

  • Warum sollten sie einem "Nationalpopulisten" Geschenke machen? Teil der Verhandlungen könnte sein, dass eine (Wieder-)Annäherung Polens an europäische Normen gefordert wird. Die Pushbackpraxis an der Ostgrenze und die Nachwirkungen der PiS-Regierung müssen nicht ignoriert werden.

  • Normalerweise ist ein international abgeschlossenes Verfahren -wie der Name sagt- abgeschlossen. Dieses Prinzip muss m.E. nicht aufgehoben werden, weil 54% der von der PIS beeinflussten polnischen Bevölkerung das nicht versteht. Man könnte auch in Deutschland eine Umfrage zu dem Thema machen (vielleicht gibt es die ja auch schon), das Ergebnis stünde -ebenso wie in Polen- schon vorher fest. Und mit "einem kleinen Teil" dürfte es sich so verhalten wie mit dem kleinen Finger.

    Daß Herr Nawrocki jetzt allerdings hergeht und nach donaldscher Erpressermethode von Deutschland 1,3 Billionen Euro dafür verlangt, daß Polen die Ostflanke der Nato besser schützt, schlägt dem Faß den Boden aus. Erstens ist Deutschland alleine nicht die Nato, und zweitens scheint dem Herrn entgangen zu sein, daß die russischen Drohnen momentan über seinem Land kreisen und Polen vom Schutzschirm der Nato profitiert. Wenn Polen nicht mehr mit-verteidigen will, wäre sein Land vermutlich das erste, das Rußland kassieren würde.

    [Diese Verknüpfung durch Herrn Nawrocki war zum Zeitpunkt, als Frau Oertel den Kommentar verfaßt hat, wahrscheinlich noch nicht bekannt]

    • @Josef 123:

      Nawrocki hat wohl leider nicht begriffen, dass der Schutz der NATO-Ostflanke elementares Interesse Polens ist.



      Ein Blick auf die Landkarte hilft - so er denn eine lesen kann.

  • Sorry, aber die Reparationsforderungen sind doch mehr innenpolitisches Krachschlagen als wirklich ernst zu nehmen. PiS und damit auch Nawrocki sind schon per se deutschlandfeindlich und damit wird in Polen aktiv Politik gemacht. Auf Polen zugehen, ja vielleicht, aber man muss wissen wo und mit wem und unter welchen Bedingungen.



    Übrigens, ich sitze seit ~26 Jahren in Polen, sollte also zumindest ein bisschen wissen, was Sache ist.

  • Reparationen?



    Das war geklärt und sollte geklärt bleiben. Wer hier was aufschnürt, weckt ungeahnte Begehrlichkeiten. Also: KEINE Reparationen.

  • In der Tat sind die Beziehungen nicht gut, leider. Das liegt aber diesmal wirklich nicht an der Bundesrepublik sondern an der PiS-Partei die wirklich keine Möglichkeit auslässt gegen die EU und insbesondere gegen Deutschland zu hetzen. Insofern war die Wahl von Tusk zum Ministerpräsidenten der einzige wirkliche politische Lichtblick in Europa und seitdem leider auch der einzige. Den die PiS und ihre Parteigänger inklusive des jetzigen Präsidenten gehören in die Phalanx der ganzen rückwärtsgewandten europäischen Populisten, die schon viel zu lange wieder aus ihren Löchern gekrochen sind.

    • @Fran Zose:

      Wenn Russland nicht die Ukraine überfallen hätte, würde die PiS nach wie vor mit Orban und Fico gemeinsame Sache machen - zum Schaden Europas.