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Klage gegen RundfunkbeitragDie Vielfalt, die sie meinen

Christian Rath

Kommentar von

Christian Rath

Sind ARD und ZDF ausgewogen? Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts wird eine Klagewelle auslösen. Und am Ende vielleicht das Vertrauen bestärken.

Ein freies Land: Teilnehmer einer Kundgebung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 01. Oktober 2025 Foto: Hendrik Schmidt/dpa

E in Ende kann ein Anfang sein. Wenn ein Bundesgericht in letzter Instanz entscheidet, ist meist ein langer Rechtsstreit zu Ende.

Nicht so beim Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zum Rundfunkbeitrag von letzter Woche. Dieses Urteil ist ein Anfang, es wird eine neue Prozesswelle auslösen.

Geklagt hatte ein Frau aus Bayern, die den Rundfunkbeitrag nicht zahlen will, weil ARD und ZDF angeblich unausgewogen berichten. Was in vielen Medienberichten fehlte: Die Frau ist Teil einer Bewegung, die den öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) auf breiter Front kritisiert und angreift. Er berichte einseitig über Impfschäden, Russlands Krieg in der Ukraine und die Gefahren des Islam.

Bisher ließen die Gerichte solche Klagen einfach abblitzen. Einzelne Bür­ge­r:in­nen hätten kein Recht auf inhaltliche Kontrolle des Rundfunks. Anders nun das Bundesverwaltungsgericht: Niemand muss Rundfunkbeitrag bezahlen, wenn der ÖRR über längere Zeit seinen Programmauftrag „gröblich“ verletzt. Letztlich könne aber nur das Bundesverfassungsgericht entscheiden, ob der Rundfunkbeitrag verfassungswidrig ist oder nicht.

Nicht künstlich verbaut

Es ist gut, dass das Bundesverwaltungsgericht diesen Ausgewogenheitsklagen damit einen Raum eröffnet. Im Rechtsstaat darf der Weg zu Gerichten nicht künstlich verbaut werden.

Aber es kann auch nicht sein, dass Verwaltungsgerichte über die Zukunft von ARD und ZDF entscheiden. Deshalb ist es richtig, dass letztlich das Bundesverfassungsgericht urteilt, ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk mangels Geld sterben muss. Schließlich lebt der ÖRR, der im Grundgesetz nicht erwähnt wird, davon, dass ihm Karlsruhe eine zentrale Funktion für die Demokratie zugesprochen und umfassende Regeln gegeben hat.

Es wird also bald neue Klagen bei allen 51 deutschen Verwaltungsgerichten geben, von Greifswald bis Sigmaringen – mit dem Ziel, dass sie den Fall dem Bundesverfassungsgericht vorlegen.

Ein Selbstläufer wird das allerdings nicht. Schon in der ersten Runde sind die Hürden hoch. Eine Klage muss vor Gericht nur behandelt werden, wenn sie wissenschaftlich darlegt, dass der gesamte öffentlich-rechtliche Rundfunk – also alle Fernseh- und Hörfunk-Programme und alle Internet-Angebote zusammen – über mindestens zwei Jahre seine Pflicht zu Ausgewogenheit und Vielfalt massiv verletzt habe.

Ein derartiges Gutachten ist extrem aufwendig und dementsprechend teuer. Aber es wird konservative Kreise geben, die das finanzieren. Ob sie Erfolg haben, ist eine andere Frage. BVerwG-Richter Ingo Kraft sagte bei der Urteilsverkündung, es sei „überaus zweifelhaft“, dass das, was die Kläger bisher vorgebracht haben, für eine Karlsruhe-Vorlage ausreicht.

Diese Marketing-Bühne sollte sich der ÖRR nicht entgehen lassen.

Werden ARD und ZDF nun in die Defensive gedrängt, weil sie sich landauf, landab gegen den Vorwurf der Unausgewogenheit verteidigen müssen? Nicht unbedingt. Der ÖRR könnte auch die Chance ergreifen, sich selbstbewusst zu präsentieren, als faktenstarke Informationsbasis, die aber zur Orientierung auch linken, liberalen und rechten Haltungsjournalismus anbietet. Diese Marketing-Bühne sollte er sich nicht entgehen lassen.

Zudem können die Gerichte in solchen Prozesse auch klarstellen, dass Ausgewogenheit keine Gleichbehandlung zwischen faktenbasierten Recherchen und esoterischen Verschwörungstheorien verlangt. Über Impfrisiken kann man kontrovers diskutieren, aber wer von Hunderttausenden vertuschten Impftoten raunt, hat keinen Anspruch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk als ernstzunehmender Teil der Meinungs-Vielfalt dargestellt zu werden.

Ähnliches gilt für verfassungsfeindliche Positionen. Natürlich ist Machtkritik eine wesentliche Aufgabe des Journalismus. Aber wer Deutschland als Diktatur darstellt und die etablierten Politiker alle ins Gefängnis stecken will, muss in ARD und ZDF nicht als legitimer Teil des gesellschaftlichen Diskurses präsentiert werden.

Die Ausgewogenheit von ARD und ZDF ist keine rein quantitative Frage. Auf qualitative Mindeststandards können die Gerichte nicht verzichten.

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Christian Rath
Rechtspolitischer Korrespondent
Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).
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14 Kommentare

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  • Durch die Einführung des werbefinanzierten Free-TV 1985 wurden zwei Bezahlsyssteme aneinandergekoppelt, welche die Einnahmen der Sports in unanständige Höhen getrieben haben. Eine künstlichen Wettbewerber zu installieren der die Preise in die Höhe treibt, ist demokratischen Regeln unwürdig und müsste von daher eigentlich schon verfassungswidrig sein. Dagegen ist eine eventuelle einseitige Berichterstattung Pillepalle.



    Die Politik hat jetzt aber vor einem reinen PAY-TV Angst, weil dann der ÖRR untergeht. Man wird die Geister nicht mehr los, die man einst gerufen hat.

  • Es gibt bereits Studien zur Perspektivenvielfalt bei den ÖR, etwa der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.

    Die kommt zu dem Ergebnis, dass die untersuchten Formate bei gesellschaftlichen Konfliktlinien Positionen einnehmen, die man "als politisch links der Mitte bezeichnen kann" - eine liberal-progressiven Grundhaltung. Und es gibt "Raum für eine Stärkung konservativer und marktliberaler Positionen".

    Das wird aber nicht reichen angesichts der hohen Hürden, die das Gericht festgelegt hat.

  • Ich zahle seit einem Jahr nur 13.-€ Rundfunkbeitrag... wegen Schlechtleistung - die GEZ tut sich schwer..mit einem Säumniszuschlag hat sie eine Vorauszahlung erzwungen, die ich einhalte... Grundlage ist eine Strafanzeige gegen den BR wegen " Irreführung der Öffentlichkeit durch Unterlassen"

    • @Thomas Lüftl:

      Möchten Sie vielleicht auch noch erklären was genau unterlassen wird?

      Kommentar gekürzt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

      Die Moderation

  • Der Autor redet vom gleichen ÖR, der Leute wie Hademar Bankhofer über Jahre Pseudowissenschaftlichen Müll hat verbreiten lassen? Darauf brauch ich erstmal einen Melissengeist.

  • 1. "ob der öffentlich-rechtliche Rundfunk mangels Geld sterben muss."

    Also mal so im Vergleich Netflix und (ex)-GEZ sind Kosten-Nutzen im krassen Missverhältnis beim ÖRR.

    Brauchen die soviel Geld? Braucht es so viele Anstalten für den Auftrag? Braucht jeder Ministerpräsident ein eigenes Rundfunkorchester?

    2. Wenn die Taz den ÖRR verteidigt, sagt das schon viel über den Inhalt des ÖRR aus. Es ist nämlich sehr oft sehr ähnlich. Ich habe hier z.B. noch nicht gelesen, dass die FDP so toll und wichtig für die Vielfalt ist.

    • @Otto Mohl:

      Ich tsimme Ihnen nur zum Teil zu. Der Vergleich mit Netflicx & Co. liegt auf der Hand. Aber haben Sie mal geschaut, was Ihre billigste regionale Tageszeitung im ABO kostet? Die ist teurer als die GEZ.

      Man kann das Angebot sicher deutlich schlanker und für die Hälfte des Geldes gestalten. Gerade die Förderung von Film, Theater und Musik stellt sich die Frage, ob denn soviel Schlechteres herauskommt, wenn man das den Künstlern privat überlässt - klar würde es dann weniger geben. Aber rechtfertigt das "Weniger" eine Abgabe, der man sich nicht entziehen kann?

  • Ich stimme voll und ganz zu. Übrigens hat zumindest das ZDF über Impfschäden beispielsweise berichtet. Und dies sogar in mehreren Sendungen.



    Ich schaue regelmäßig die Tagesthemen im Ersten und diverse Politik Magazine und ich kann den Vorwurf, das unausgewogen berichtet wird, einfach nicht nachvollziehen. Ich empfinde die Berichterstattung als angenehm neutral, was im Artikel ja auch angesprochen wird. Im Vordergrund stehen Fakten, keine Mythen.



    Ich denke aber nicht, dass der ÖRR damit noch werben gehen muss.

    • @Arafna:

      Ja, und wer meint, der ÖR würde mit Kritik an Regierungen (aller Ebenen) sparen, hat noch keine ÖR Magazine gesehen.

  • Richtig, Ausgewogenheit schließt nicht Mythenverbreitung, Extremismus & Co ein; ein wichtiger Teil des Artikels.

    • @Ciro:

      Und was ist Extremismus? Erinnern Sie sich an die Journalistin im NDR und BR? Extremistisch war die sicher nicht. Trotzdem war diese eine Sendung bereits eine Sendung zu viel.

      • @Strolch:

        Auch durch hundertfache Wiederholung wird's nicht wahrer. Die Dame ist weiterhin als Moderatorin beim BR beschäftigt.

    • @Ciro:

      Sicher, das Problem in spe ist jedoch, dass Typen wie Trump einfach selbst bestimmen, was Extremismus ist (für Agent Orange sind ja quasi alle Demokraten und Protestler gegen seine Politik linksextrem) und seine selbst eingesetzten Richter das teilweise auch noch stützen, kritisierende Presse einfach ausgebremst wird.



      Keiner will sehenden Auges in den Faschismus stolpern, aber in den US passiert irgendwie ja gerade genau das.

      • @Spiritus:

        Trump ist von der Steuerung der Tagesschau etwas entfernt. Und die USA haben weder GEZ noch öffentlichen Rundfunk.