Legalisierung von Gras: Medizinisches Cannabis missbrauchen? Ja, bitte!
Die CDU stört sich am lockeren Umgang mit medizinischem Cannabis, Gesundheitsministerin Warken will eine strengere Handhabe. Das ist ein großer Fehler.
D as Bundeskabinett will den Zugang zu medizinischem Cannabis erschweren, eine Entscheidung dazu soll noch im Oktober fallen. Nina Warken, CDU-Gesundheitsministerin, stellte dazu auf Instagram fest, der Gebrauch sei sehr stark in die Höhe gegangen. „Auch Menschen, die es medizinisch gar nicht benötigen, sondern aus Konsumzwecken haben wollen, nutzen diesen Weg.“ Das könne nicht sein, der Gesundheitsschutz müsse im Vordergrund stehen.
Den Missbrauch gibt es tatsächlich: Die Reform beim medizinischen Cannabis im Zuge der Legalisierung 2024 hat zu einem Boom von Onlineapotheken geführt. Hier kann sich jeder (auch unter Angabe erfundener Symptome) Blüten verschiedenster Sorten und Wirkstoffgehalte nach Hause schicken lassen. Das nutzen auch Freizeitkonsumenten im großen Stil aus.
Auf den ersten Blick liegt es nahe, das als Missbrauch zu skandalisieren. Doch schaut man genauer hin, ist diese Skandalisierung der eigentliche Skandal.
Schließlich ist der Kauf unter medizinischem Deckmantel neben dem Eigenanbau die einzige (halb) legale Alternative, die im großen Stil nutzbar ist. Cannabisklubs zum gemeinsamen Anbau sind, nicht zuletzt auf Druck der Union, völlig zerreguliert worden und als legale Märkte unbrauchbar (weniger als 0,1 Prozent Marktanteil!). Auch die groß als zweite Säule der Legalisierung angekündigten vorsichtigen Versuche hin zur kontrollierten Abgabe sind vom Tisch.
Legaler Markt oder Schwarzmarkt?
Was Warken und ihre Parteifreunde noch immer nicht verstanden haben: Wenn der Staat gegen legale Märkte vorgeht, stärkt das den Schwarzmarkt. Cannabis ist da. Ob legal oder illegal. Die Politik entscheidet also: legaler und regulierter Markt oder Schwarzmarkt.
Wo die Ministerin hingegen einen Punkt hat: Gras kann süchtig machen, es kann träge machen, dümmer, aggressiver, vergesslicher und so weiter. Gerade wer in jungen Jahren regelmäßig konsumiert, kann Schäden davontragen. Legalisierungsbefürworter verharmlosen die Droge trotzdem immer wieder – und das ist ein Fehler.
Dennoch ist der Verweis auf die armen Jugendlichen und der reflexhaft vorgetragene Satz „Cannabis ist eine Einstiegsdroge“ kein valides Argument für das, was die CDU hier plant. Denn mit ihrem Vorstoß stellt sich die vermeintliche Rechtsstaatspartei mal wieder hinter den guten alten Drogenschwarzmarkt. Und genau dort wird Cannabis zur Einstiegsdroge, werden Jugendliche zu Dealern.
Auch Warkens Verweis auf den Gesundheitsschutz ist einfach Unsinn. Das Straßengras ist oft verunreinigt, teils mit chemischen Drogen besprüht. Außerdem haben Konsumenten nicht die Möglichkeit, transparent Sorte und Potenz nachzuvollziehen. Gerade dadurch erhöht sich die Zahl der Gesundheitsschäden.
Statt die Steuereinnahmen zu erhöhen, versickern Unmengen von Geld in verbrecherischen Strukturen, für deren Verfolgung der Staat wiederum massig Ressourcen aufwendet. Klar kann das Ziel nicht Gras an der Supermarktkasse sein. Aber auch nicht, Konsumenten unfreiwillig auf den Schwarzmarkt zu drängen.
Der größte Erfolg gegen den Cannabisschwarzmarkt
Was es endlich braucht, ist ein legaler Markt, eine gesundheits- und faktenorientierte Drogenpolitik, wirklicher Jugendschutz. Dafür muss man im ersten Schritt den vermeintlichen Missbrauch von medizinischem Cannabis als das anerkennen, was er ist: der größte Erfolg im Kampf gegen den Cannabisschwarzmarkt, den es in Deutschland jemals gab.
Natürlich wurde der Schwarzmarkt nicht verdrängt. Aber zusammen mit der Abgabe von selbst angebautem Gras an Freunde und Bekannte (formal illegal) dürfte das organisierte Verbrechen unter den neuen Gegebenheiten bereits ganz schön zu leiden haben.
Statt den Zugang zu medizinischem Cannabis zu erschweren, sollten wir also den Freizeitkonsum entmedizinisieren. Das will die CDU in ihrem ideologischen Wahn nur leider nicht einsehen.
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