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Deutsche trinken weniger AlkoholAgrarminister will Steuergeld in Werbung für Wein stecken

Angeblich soll es vor allem um alkoholfreie Optionen gehen, doch die beauftragte Agentur sieht das anders. Kritiker sprechen von Suchtförderung.

Mehr bechern für die Wirtschaft: Agrarminister Rainer will den Weinbau mit Werbegeld unterstützen Foto: Robert Michael/dpa

Berlin taz | Angesichts des sinkenden Alkoholkonsums finanziert das Bundesagrarministerium eine Werbekampagne, damit die Menschen mehr deutschen Wein trinken. Zusätzlich zu geplanten Subventionen der EU „finanziert der Bund mit bis zu einer Million Euro eine Informationsoffensive der Branche, die den deutschen Wein als Botschafter für Qualität, Vielfalt und Innovation in Deutschland und weltweit stärken soll“, schrieb ein Sprecher des Ministeriums von Alois Rainer (CSU) der taz.

Zwar erklärte die Behörde: „Die Förderung soll sich auf alkoholfreie und alkoholreduzierte Weine konzentrieren“. Doch die Marketingorganisation Deutsches Weininstitut, das die Kampagne laut Agrarministerium organisiert, teilte mit, dass diese „unter anderem, nicht vor allem“ für die alkoholfreie Variante werben werde.

Pressesprecher Frank Büscher begründete das mit dem niedrigen Marktanteil alkoholfreien Weins „von ungefähr 1,5 Prozent“. Das Ministerium ließ die Frage der taz bis Redaktionsschluss unbeantwortet, ob der überwiegende Teil der Million in Werbung nur für alkoholfreie Weine fließen soll.

„Alkoholkonsum ist einer der wesentlichen Risikofaktoren für mehr als 200 Erkrankungen (zum Beispiel Krebserkrankungen, Erkrankungen der Leber und des Herz-Kreislauf-Systems, psychische Beeinträchtigungen) und für Unfälle“, warnt das Bundesgesundheitsministerium auf seiner Internetseite. Selbst in geringen Mengen könne der Stoff „langfristig schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit haben“. Das Ministerium betont, „dass kein risikofreier Alkoholkonsum existiert.“ Im Jahr 2020 starben demnach rund 14.200 Menschen an Krankheiten, die ausschließlich auf Alkoholkonsum zurückzuführen sind.

Alkoholkonsum in Deutschland hoch, aber rückläufig

Deshalb begrüßen Mediziner, dass der Konsum in den vergangenen Jahren zurückgegangen ist, auch wenn er nach Angaben der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen 2023 mit 10,2 Liter reinen Alkohols pro Kopf immer noch sehr hoch war im Vergleich zu anderen Staaten. Der Rückgang betrifft neben dem Topseller Bier auch Wein.

Agrarminister Rainer sieht das aber als Problem: „Der Weinkonsum, der in Deutschland viele Jahre konstant war, ist in den vergangenen Jahren deutlich zurückgegangen. Entsprechend stehen die Preise unter Druck“, lässt der Bayer der taz ausrichten. Zahlreiche Betriebe kämpften „mit Liquiditätsproblemen“. Die Forschungsanstalt für Garten- und Weinbau im hessischen Geisenheim rechne „mit einem deutlichen Rückgang der bewirtschafteten Rebflächen“. Immer mehr Betriebe geben auf auf.

Der ausschlaggebende Faktor ist der Rückgang des Konsums – nicht, dass laut Ministerium „viel Wein importiert wird“. Denn der Anteil der Einfuhren am deutschen Verbrauch ist ziemlich konstant: Sowohl im Dreijahreszeitraum von 2018 bis 2020 als auch in dem von 2021 bis 2023 lag der Selbstversorgungsgrad dem Ministerium zufolge bei rund 46 Prozent. Anders lautende Vergleiche von nur 2 Jahren sind nicht aussagekräftig, weil die Erträge wegen des Wetters bei jeder Weinlese stark schwanken können.

Rainers Ministerium rechtfertigt den Zuschuss für die Werbekampagne damit, dass es auch „eine auskömmliche Erwerbssituation für die deutsche Landwirtschaft“ ermöglichen müsse. Der Weinbau sei zudem „ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, identitätsbildend und prägt die Landschaft vieler Regionen.“ Der CSU-Politiker will also deutschen Wein stärker fördern, damit mehr Weingüter überleben oder mehr Geld einnehmen.

Weder das Gesundheitsministerium noch die zuständigen Gesundheitspolitiker der CDU/CSU- und der SPD-Fraktion wollten sich auf taz-Anfrage zu dem Thema äußern. Auch nicht der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Hendrik Streeck (CDU), der Alkohol gern als „Zellgift“ brandmarkt, das zum Beispiel aus dem Kassenbereich von Supermärkten verschwinden müsse.

Kritik kommt von Linken und Grünen

Die drogenpolitische Sprecherin Ates Gürpinar der Linksfraktion dagegen kritisierte, dass „die Regierung nun aktiv Suchtförderung in der Bevölkerung betreibt“. Der Gesundheitsschutz überwiege das wirtschaftliche Interesse der Winzer. „Auch bei einer gesamtwirtschaftlichen Betrachtung sind die Folgekosten im Gesundheitssystem enorm, die durch alkoholbedingte Erkrankungen entstehen. Dass der Konsum bei alkoholischen Getränken weiter zurückgeht, muss eine Bundesregierung unterstützen und nicht durch Steuermittel bekämpfen.“

Gürpinars Amtskollegin bei den Grünen, Linda Heitmann, warf Rainer „das pure Bedienen von Lobby- und Klientel-Interessen auf Kosten der Gesundheit und gegen den Willen der Mehrheit der Bevölkerung“ vor. Der weinpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Harald Ebner, kritisierte: „Rainers Marketing-Million wird wirkungslos verpuffen“. Die Branche müsse bei der Entwicklung alkoholfreier Alternativen und der Etablierung klimafester Rebsorten unterstützt werden.

Der Agrarausschuss will am Mittwoch über den Haushaltsplan 2026 des Landwirtschaftsministeriums mit der Weinmillion beraten.

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26 Kommentare

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  • Also im Klartext Werbung für Traubenmost. Das spart auch diese lästige Vergärung.



    Ich möchte auch gerne eine Million für meine Idee. Kommen wir so zusammen?

  • Bei Cannabis sperren sich die Rechten so sehr wegen der Suchtgefahr und den gesundheitlichen Risiken, aber sobald es um das Erfüllen von Lobbywünschen geht, werden auf einmal alle Bedenken über Bord geworfen und es wird sogar noch aktiv bei der Suchtförderung mitgemacht. Eigenartige Doppelmoral. Und dann wundern sich die Politdarsteller: innen, dass die Menschen immer weniger Vertrauen in ihren Zirkus haben.

    • @Okti:

      Das Problem mit Cannabis ist dass die Konservativen sich da sehr lange versperrt haben, nun nicht daran verdienen können und ihr Klientel ein Konkurrenzprodukt vorgesetzt bekommen haben welches nicht gesundheitsschädlich ist.

  • Wenn es nicht so tragisch wäre müsste man sich totlachen. Der Versuch krampfhaft an alten Strukturen festzuhalten ist "Rainer" Unsinn. Gefragt ist Mut zur Veränderung anstatt den Wandel zu verhindern.

    Es ist grundsätzlich gut, wenn weniger Wein und weniger Alkohol konsumiert werden. Solange viele Weinmonokulturen nur mit Pestiziden Erträge erwirtschaften können, wird auch der Versuch nicht funktionieren, den Anteil deutschen Weins am Konsum zu erhöhen.

    Bio-Weine und Diversifikation wie zB der Anbau anderer landwirtschaftliche Produkte und Tourismus sind hingegen eine Chance.

    Statt jammernd nach hinten zu schauen müssen wir wieder lernen mutig nach vorne schauen und die Chance anzupacken.

    • @Bauer Gerry:

      In Deutschland haben wir es meistens mit Weinbergen und Hanglagen zu tun. Da läst sich schlecht etwas anderes anbau.



      Und durch die teure Ernte am Hang trinken halt immer mehr die billige ausländische Plürre im Tetrapack.



      Wie bei allen alkeholischen Getränen: Es muss knallen aber darf nichts kosten,

  • Wenn das mal nicht die "Weinkönigin" dem Minister ins Ohr geflüstert hat.

  • Gab es das nicht auch schon in Japan, weil der Finanzminister Angst um seine Einnahmen hatte?



    Ansonsten frage ich mich ohnehin, wie anfällig die Menschen für Werbung sind, ich lauf doch nicht los und kaufe spontan Wein, weil jemand mich mit Werbesprüchen belästigt. Wenn ich das kaufen will gehe ich in den Laden oder Fachhandel und kaufe mir, was mir schmeckt und bestimmt nicht dir Plörre die Influencer und Werbefuzzis mir aufschwatzen wollen und wenn ich nicht angeschickert sein will, trink ich was ohne Alkohol. So ab 18 sollte man auch werbetechnisch als mündig angesehen werden.

  • taz: *Angesichts des sinkenden Alkoholkonsums finanziert das Bundesagrarministerium eine Werbekampagne, ...*

    Die Bürger sollen also mehr saufen, damit sie nicht merken, was sich in der Union schon für Politiker 'angesammelt' haben - oder was auch immer der Metzger Alois Rainer darstellen soll.

    Merz, Linnemann, Spahn, Klöckner, Söder und Alois Rainer als Sahnehäubchen. Da kann man doch eigentlich nur noch zum Alkohol greifen um sich zu benebeln.

    • @Ricky-13:

      Egal wie sehr man sich ärgert, zum Alkohol zu greifen ist niemals eine gute Idee.

    • @Ricky-13:

      Darum verstehe ich den Widerstand gegen Canabis in Bayern nicht. Wäre es doch die Möglichkeit, die Wurstigkeit der Bevölkerung zu steigern. Aber an der ideologisch, bayerischen Politik gibt es in letzter Zeit ohnehin nicht mehr, was man verstehen könnte.

  • Peinlich und beschämend.

    • @la suegra:

      Alltag in D.

  • Solange man dafür den Zugang zu Medizinal-Cannabis einschränkt, macht man alles richtig. Ein Glück, dass diese ideologisch verblendeten GRÜÜÜNEEEEN nicht mehr in der Bundesregierung sitzen, die haben schließlich auch ständig Steuergelder verpulvert. Und nicht für sinnvolle Projekte wie Maskendeals oder Autobahnmauten, sondern für diese nutzlosen Wärmepumpen und grüne Infrastruktur. Die haben sie nur gefördert, weil sie auch grün im Namen tragen!

    • @Frodo:

      Meine Kollegen, die Wärmepumpen haben, sind sehr zufrieden 😉

  • Genau richtig, Abstinenz gefärdet Arbeitsplätze in der Weinindustrie, unverantwortlich...



    ...ich bin für verzehrmindestmengen Deutschen Weines von mindesten 2 Liter Wöchentlich, dann kanb man sich solch Teure Kampagnen auch Sparen.

    • @Björn Eichholz:

      Moment, ich bin in der ehemals 2. größten Bierstadt der Welt geboren(nicht München). Was für Wein gilt muss auch für Bier gelten. Freier Suff für alle.

  • "Wenn das Wasser im Rhein gold'ner Wein wär'..." Ja, ist denn schon der 11.11.?

  • Das ist doch jetzt Satire?

    • @Captain Hornblower:

      "His self-respect is(was) at its lowest ebb".



      Woher kannte Midshipman Horatio Hornblower unsere Polit-Koniferen?

  • Bei diesen Geldern für Weinwerbung geht es hinten und vorne nicht darum das mehr Wein getrunken wird, hier geht es alleine darum den Marktanteil von Deutschen Wein gegenüber Produkten aus dem Ausland wieder anzuheben. Natürlich ist es für viele unverständlich das sich ein Deutscher Minister, vor allem in der Landwirtschaft, für sein Klientel einsetzt.

    • Jost Maurin , Autor des Artikels, Redakteur für Wirtschaft und Umwelt

      @Günter Witte:

      Ich habe die Koalitionspolitiker auch gefragt: "Ist deutscher Wein weniger (potenziell) gesundheitsschädlich als ausländischer?" Aber darauf habe ich leider keine Antwort erhalten...

    • @Günter Witte:

      Das rechtfertigt aber die über 40 Milliarden volkswirtschaftlichen Schaden nicht, den Alkohol jedes Jahr verursacht.

    • @Günter Witte:

      Deiner Leber ist es ziemlich egal wo der Alkohol herkommt der deine Leber zersetzt.



      Alkoholwerbung gehört verboten und nicht Staatlich gefördert.

  • Evtl. sollte mensch den Wein- und Bierherstellern ma verraten, daß dte ihre Produktflaute mit Alk weder durch alkreduzierte noch alkfreie Varianten komplett ersetzt kriegen. Mensch trinkt dann einfach auch weniger Flüssigkeit. Also max 3 Funthaler anstatt 7 Hassebachsteiner. Also schmeißt mer nem toten Gaul mit zweifelhaften Eigenschaften mein Geld hinterher *kopfschüttel*.

    • @Hugo:

      Also wie bei der Autoindustrie. Wir füttern mit dem Verbrenner eine Leiche.

  • So sind sie halt, die Bayern. Saufen ist in und kiffen geht gar nicht!