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Autorin zu Vertrauensverlust in Medien„Diejenigen sichtbar machen, die keine Stimme haben“

Vertrauen in Journalismus gehe teilweise verloren. Nadia Zaboura spricht über Fehlerkultur, Doppelstandards und warum Neutralität ein „Fantasma“ ist.

Medienkritikerin und Kommunikationswissenschaftlerin Nadia Zaboura Foto: Shirin Abedi

Interview von

Elias Feroz

taz: Frau Zaboura, Sie schreiben, Vertrauen sei das wichtigste Kapital des Journalismus – und es gehe vielerorts verloren. Wie kommt es dazu?

Nadia Zaboura: Die Ursachen für den Vertrauensverlust sind vielfältig. Dazu zählt ein Verlautbarungsjournalismus, der Inhalte von Regierungen und Akteuren in politischer Macht kritiklos wiedergibt. Hinzu kommt das sich in Medien ausbreitende „He said, she said“-Skript, sprich einer reinen Nacherzählung von Aussagen Dritter ohne journalistisch gebotene Einordnung. Mit ihm entledigen sich Redaktionen ihrer journalistischen Kontrollfunktion und machen so gesichertes Faktenwissen zur Meinungssache. Sichtbar ist das besonders im Meinungsjournalismus. In der Nahost-Berichterstattung zeigt sich zudem fortlaufend journalistisches Fehlverhalten. Dass Redaktionen auf diese Kritik immer wieder auch mit Abwehr reagieren, ist selbst eine Ursache des Vertrauensverlusts.

taz: In Ihrem Buch spielt die Nahost-Berichterstattung nur eine Nebenrolle, auf Instagram jedoch beschäftigen Sie sich fast täglich in Ihren medienkritischen Analysen mit dem Thema. Gerade in der Nahost-Berichterstattung, so betonen Sie, werden Fehler selten korrigiert. Warum ist das so?

Zaboura: In Deutschland besteht eine historisch begründete Sensibilität und Solidarität gegenüber Israel. Immer wieder führt das laut eigener Aussage von Jour­na­lis­t:in­nen jedoch dazu, dass sie nicht mit denselben Standards arbeiten. Teils vermeiden sie in Kontrast zu Teilen der internationalen Berichterstattung juristische Fachbegriffe wie „Völkermord“, immer wieder auch mit der Begründung dieser historischen Verantwortung und in Bezug auf die deutsche Staatsräson. Ob dieses obrigkeitsstaatliche Prinzip der deutschen Staatsräson jedoch die journalistische DNA abbildet, mit ihrer stets gleichen Distanz zu und Kontrolle von Macht, oder ihr aktiv entgegensteht, darüber wird in deutschen Redaktionen und in der deutschen Öffentlichkeit weiterhin keine breite Debatte geführt.

Im Interview: Nadia Zaboura

Nadia Zaboura

ist Medienkritikerin und Kommunikationswissenschaftlerin. Zusammen mit den Hochschulprofessoren Rainer Nübel und Daniel Rölle hat sie ein Buch darüber geschrieben, wie Journalismus Vertrauen zurückgewinnen kann.

„Medien zwischen Macht und Ohnmacht“, Hirzel Verlag, 254 Seiten

taz: Was sind die Folgen?

Zaboura: Solche Doppelstandards und Verstöße gegen journalistische Professionalität, Integrität und Ethik mindern Medienqualität und Vertrauen, fragmentieren die öffentliche Debatte und erschweren demokratische Diskurse. Die renommierte Mainzer Langzeitstudie Medienvertrauen belegt diesen Vertrauensverlust wissenschaftlich.

taz: Warum entsteht keine Debatte zu diesen Verstößen, die Sie beschreiben?

Zaboura: Ein Grund, weshalb diese sichtbaren Verstöße auch nach nunmehr zwei Jahren weiter fortgeführt werden, besteht auch in der nachweisbaren Droh- und Angstkulisse, mit der sich deutsche Redaktionen seit Jahren konfrontiert sehen. Beispielsweise berichtet die ARD-Korrespondentin Hanna Resch, dass in Redaktionen Angst bestehe vor Shitstorms und vor „proisraelischen Lobbyorganisationen sowie der israelischen Botschaft, die nicht nur Medienhäusern, sondern laut Berichten des Deutschlandfunks auch Po­li­ti­ke­r:in­nen Druck machen.“ Das wird auch durch die Analyse „Nahaufnahme Deutschland 2025“ der Organisation Reporter ohne Grenzen bestätigt.

taz: Jour­na­lis­t:in­nen fühlen sich also eingeschüchtert?

Zaboura: Jour­na­lis­t:in­nen berichten von regelmäßigen Anrufen der israelischen Botschaft, Beschwerden von Interessengruppen, Markierungen durch den ehemaligen Sprecher des israelischen Militärs in Deutschland, und der Sorge von delegitimierenden Einzelporträts über deutsche Jour­na­lis­t*in­nen – wie jüngst in der Jüdischen Allgemeinen über den Chefkorrespondenten des Deutschlandradios in Berlin, Stephan Detjen, Daniel Bax von der taz, oder die ARD-Korrespondentin Sophie von der Tann. In Verbindung mit den in Deutschland weit verbreiteten unbelegten Antisemitismusvorwürfen sowie Anfeindungen der anderen Seite kann das zu Selbstzensur führen und erschwert eine faire, unabhängige Berichterstattung über Israel und Palästina.

taz: Wenn vom „Vertrauensverlust in die Medien“ die Rede ist – geht es da um die Institutionen oder um die journalistische Praxis selbst?

Zaboura: Es betrifft beides. Fehlverhalten findet sich quer durch die Medienlandschaft, im öffentlich-rechtlichen wie im privatwirtschaftlichen Segment – auch wenn es natürlich exzellenten Qualitätsjournalismus gibt. Das muss hier erwähnt und stets differenziert betrachtet werden. Besonders gefährlich ist der Vertrauensverlust in Medien als zentrale Instanz freier Meinungsbildung und gesellschaftlicher Debatte. Wenden sich Menschen davon ab, fehlt der gemeinsame Raum für Austausch und Verständigung – mit der möglichen Folge wachsender gesellschaftlicher Spaltung. Medien sollten Kritik aus Publikum und Wissenschaft ernst nehmen und ihre Praktiken reflektieren und anpassen, um einer fragmentierten Informationslandschaft und der Gefährdung demokratischer Diskurse entgegenzuwirken.

taz: Sie sprechen vom sogenannten „Neutralitätsfantasma“. Ist die Annahme, Journalismus könne vollkommen neutral sein, ein Trugschluss?

Zaboura: Die Vorstellung einer vermeintlichen Neutralität findet sich weiterhin im deutschen Journalismus und verstellt den Blick auf die ureigene Positionalität und Perspektivität. Oftmals sind es Jour­na­lis­t:in­nen der weißen Mehrheitsgesellschaft, die diese vermeintliche Neutralität für sich beanspruchen, während sie journalistischen Kol­le­g:in­nen mit internationaler Geschichte oder Marginalisierungserfahrung diese Neutralität aktiv absprechen. Die US-amerikanische CNN-Journalistin Christiane Amanpour sagte einmal: „Be truthful, not neutral.“ Das fasst zusammen, dass dieses Neutralitätsfantasma an der Realität vorbeigeht. Gerade angesichts schwerster Massenverbrechen, fortlaufender und auch Dekaden langer Brüche des Völkerrechts, der Menschenrechte und der Menschenwürde, nimmt Journalismus hier eine andere Funktion ein.

taz: Die wäre?

Zaboura: Der ideale Journalismus wendet sich konsequent seinen Grundprinzipien zu und lässt sich nicht von ihnen abbringen: Er ist fest verankert im Völkerrecht, Menschenrecht und der Menschenwürde als zivilisatorische Errungenschaften. Es ist ein Dienst der Kontrolle von Macht – egal wer sie ausübt und ohne Doppelstandards. Er benennt furchtlos Machtmissbrauch, befähigt die Menschen zu Selbstwirksamkeit und demokratischer Gegenwehr und macht diejenigen sichtbar, die sonst keine Stimme haben. Auf diese Weise sichert ein Journalismus der Werte und der Würde seine eigene Legitimation und sein Überleben. Genauso wie das der Gesellschaft, der er dient.

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57 Kommentare

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  • "Oftmals sind es Jour­na­lis­t:in­nen der weißen Mehrheitsgesellschaft, die diese vermeintliche Neutralität für sich beanspruchen, während sie journalistischen Kol­le­g:in­nen mit internationaler Geschichte oder Marginalisierungserfahrung diese Neutralität aktiv absprechen"

    Hä? Der Artikel spricht sich gegen Neutralität im Journalismus au, nennt das "Neutralitätfantasma", bemängelt dann aber, dass die weiße Mehrheitsgesellschaft der nichtweißen Minderheitsgesellschaft die Fähigkeit zu neutralem Journalismus abspricht.

    Das ist mir zu verquer.

    NeutralerJournalismus ist ein Wert der weltweit von demokratischen Journalisten unabhängig von der Herkunft als wirksamer Wert und gutes Handwerk gesehen wird.

    Da jetzt die "weiße Mehrheitsgesellschaft" heranzuziehen passt nicht. Mir scheint mehr, dass die solche Positionen aus einer weißen identitären linken Minderheitsgesellschaft kommt, die sich paternalistisch im Eigeninteresse als Sprecher "nichtweißer" Journalisten aufschwingt.

  • " Teils vermeiden sie in Kontrast zu Teilen der internationalen Berichterstattung juristischeFachbegriffe wie „Völkermord“, immer wieder auch mit der Begründung dieser historischen Verantwortung und in Bezug auf die deutsche Staatsräson"

    - Wer sind denn " die internationalen Medien"? Da geht es doch schon los mit der jorunalistischen Einordnung. Irgendwie ist es schon ironisch, das ausgerechnet bei einem Interview zum Thema " jorunalistische Sorgfalt " dann solche Aussagen getätigt werden.

    ....und könnte es einfach sein, das manche (viel zu wenige) Journalist/innen in Deutschland aufgrund des historischen Wissens über antisemitische Propaganda und deren Wirkungsmacht etwas sensibler agieren und ZURECHT solche eingefärbten Zuschreibungen vermeiden? - das es sich hier gar nicht um Zensur oder Selbstzensur handelt, sondern sich einfach mal ausgiebig mit Geschichte beschäftigt wurde?

    Ausgerechnet ein Interview über den Vertrauensverlust in die Medien kommt daher, als ob hier eigentlich nur nochmal kurz eine persönliche Meinung zum Nahostkonflikt propagiert werden soll.

    Ärgerlich sowas.....

    • @R. Mc'Novgorod:

      Oder aus anderer Perspektive meint sie die absolute Mehrheit international berichtender Medien anderer Länder. Für mehr Detail reicht die Zeichenzahl des Interviews sicher nicht. Bisschen selbst denken ist erlaubt

    • @R. Mc'Novgorod:

      Sie meint die Mehrheit der deutschen Medien die international berichten. Wo ist denn da nun eine Einfärbung?

  • Spiegel und Stern haben Islamwissenschaftler /bzw. Nahostkenner in ihren Dokumentationen, dazu noch Journalisten, die teilweise fachlich qualifiziert sind, teilweise studiert.



    Das ändert aber nicht viel daran, dass die Berichterstattung doch einseitig rüberkommt und dass die Seite der Schwachen, der Opfer und der Armen oft unter den Tisch fällt.



    Ich glaube leider auch, dass es heute zwar noch frei Journalisten gibt, aber als eine Art Korrektiv, als eine Art weiteres fachliches Angebot fällt das m.M. mehr und mehr aus. Zum einen sind die Honorare sehr niedrig, zum anderen sind die Aufträge derart schmal, dass man nur im Dunstkreis von ard und zdf zufriedene freie Journalisten findet.



    Damit stehen auch leitende Redakteure eher mit einer schmalen Angebotspalette dar, was sie bringen können.



    Mein Vertrauen in den Spitzenjournalismus ist tief erschüttert, nachdem ich das Buch von Juan Moreno gelesen habe und verstanden habe, wie die Elite im Journalismus (un)gebildet wird.



    Ich hatte vor Jahren das Buch von Aust und Laabs zu NSU gelesen und großes Vertrauen dadurch, dass es Journalisten gibt, die in den letzten Winkel gehen, Gefahren und Risiken ausgesetzt sind und doch schreiben.

    • @Andreas_2020:

      Mir ist völlig schleierhaft, wie man ernsthaft auf den Gedanken kommen könnte, das Leid der Palästinenser sei nicht hinlänglich geschildert worden.



      Klar, wenn man keine Nachrichten konsumiert, könnte man auf diesen Gedanken kommen, aber als informierter Mensch wurde man mit diesen Berichten geradezu überflutet, meist ohne die Einordnung, warum es dazu kam.

  • Mag zum Teil richtig sein. Prinzipiell verstehen sich heut viel zu viele Medienhäuser und Journalisten immer mehr als Meinungsmacher, denn als Aufklärer und Faktenvermittler. Es hat sicher beides seinen Platz im Journalismus, aber Verhältnis und Trennschärfe stimmen meiner Meinung nach längst nicht mehr.



    Kampagnenjournalismus, den man früher im negativen Sinne bei Springer und politischen Randblättern verortet hat, findet man heute überall. Seriöse Medien übernehmen Elemente des emotionalisierten, klickmotivierten "Fast Food" Journalismus, Banalitäten und Belanglosigkeiten werden je nach Gusto zu Elefanten aufgeblasen, unliebsame Themen verlaufen dagegen im Sand. Dadurch wird der Meinungskorridor verengt und offene, lösungsorientierte Debattenkultur findet immer weniger statt.

    Guter Journalismus muss nicht klinisch neutral sein aber er sollte sich immer seiner Macht bewußt sein. Medien haben keinen unwesentlichen Anteil an den gesellschaftlichen Verwerfungen, die momentan allgegenwärtig sind.

  • "Die Sorge von delegitimierenden Einzelporträts über deutsche Jour­na­lis­t*in­nen"?

    ---------------------------

    Sophie von der Tann?

    Böse, böse Jüdische Allgemeine.

    Hier kann sich jeder exemplarisch selbst ein Bild machen und danach die Medienkritik von Frau Zaboura realistisch einschätzen, sehr empfehlenswert:

    www.juedische-allg...e-leviten-gelesen/

    www.juedische-allg...einbar-ausgewogen/

    www.juedische-allg...tlich-rechtlichen/

    • @shantivanille:

      Jenseits der 'Kritik der Kritik' von Frau Zaboura...



      ... schlagen auch hier wieder, wie gehabt, die einen auf die anderen (verbal) ein, als wäre ein (labiler) Waffenstillstand nicht doch ein kleines Licht am Horizont.

      Erst neulich schrieb ich zum taz-Artikel zur vorläufig letzten Pro-Gaza-Demo in Berlin von den "Unversöhnlichen", die sich über ein Land wie D. beklagen, das sie "systematisch ausblendet". Und ich wies auf eine ZDF-Einblendung hin, wo die Zurückkehrenden "in den Trümmern nach letzten Habseligkeiten suchen" - und plötzlich ein leicht zerknittertes Kinderfoto "mitten auf der PLATTgewalzten Piste" zu sehen ist...

      Jetzt bin ich allerdings PLATT, in der 'Jüdischen Allgemeinen' über Sophie v.d.T. vom ZDF zu lesen: "Nassforsch und kalt wie Hundeschnauze [!] las von der Tann den Nachkommen der Opfer ihrer Großelterngeneration die Leviten."



      Und an anderer Stelle: "Aber ich mache mir Sorgen um jene große Mehrheit in der Gesellschaft, die der Berichterstattung von ARD und ZDF quasi 'blind' vertraut."



      Und das, wo doch immer weniger Leute, wie man weiß, sich über ARD und ZDF informieren...

      Freimütig gesagt: Ich bin es müde, solche groben PLATitüden noch länger nachzulesen.

    • @shantivanille:

      Um es mit den Worten eines israelischen Juden zu sagen: "Israel existiert, darüber brauchen wir nicht reden". Der Interviewten ist daher nur zuzustimmen, der Rest ist ein Kleinkrieg auf deutschem Boden.

      • @TV:

        Das hätten die " from the River to the sea "- Brüller aber gerne anders

    • @shantivanille:

      Oh, nicht nur die JA delegitimiert Journalist*innen. Das scheint in gewissen Kreisen inzwischen ein Volkssport zu sein. Dazu lohnt es sich, den unten von mir verlinkten Artikel in Übermedien zu lesen. Dort heißt es:

      "Die Praxis, sich einzelne Journalistinnen und Journalisten öffentlich vorzuknöpfen, scheint sich in den vergangenen Monaten zu einer fragwürdigen Medienstrategie ausgewachsen zu haben.



      „Vor allem Journalist*innen bekannter Medienhäuser berichteten, dass sich die israelische Botschaft seit Jahren immer wieder in Mails und Briefen über ihre Berichterstattung beschwere.“"

      Quelle: uebermedien.de/109344/der-undiplomat/

  • In einem Atemzug Vertrauen als das wichtigste Kapital des Journalismus zu bezeichnen (worin ich ihr zustimmen würde), aber zugleich Neutralität abzulehnen und einem journalistischen Aktivismus das Wort zu reden - dieser Widerspruch scheint Frau Zaboura nicht einmal ansatzweise aufzufallen.



    Denn natürlich sind die von ihr geforderten Prinzipien ("Er benennt furchtlos Machtmissbrauch, befähigt die Menschen zu Selbstwirksamkeit und demokratischer Gegenwehr und macht diejenigen sichtbar, die sonst keine Stimme haben.") erst mal nichts anderes als auslegungsfähige Phrasen, und ein Journalist, der sich zum Sprecher machen lässt, schlägt sich nun mal eindeutig auf eine Seite.



    Und gerade Frau Zabouras eigener Blick auf den NO scheint mir doch sehr einseitig zu sein. Robin Detjen und Daniel Bax sind nun nicht gerade die ersten, die mir einfallen, wenn es um eine "faire und unabhängige Berichterstattung" geht, und wenn ihr beim Thema Einschüchterung von Journalisten nur die eine Seite auffällt, so ist die Leerstelle unübersehbar taz.de/Mordaufruf-...s-Potter/!6079261/

    • @Schalamow:

      "Robin Detjen und Daniel Bax sind nun nicht gerade die ersten, die mir einfallen, wenn es um eine "faire und unabhängige Berichterstattung" geht, ...."

      Menschen leben in bestimmten gesellschaftlichen Kontexten, die ihr Urteilsvermögen prägen und trüben.

      Guter Geschichtsunterricht und persönliche Erfahrungen machen möglich, dies in Bezug auf die eigene Person zu erkennen.

      Doch wieviel erfahren Schüler über die komplexe Geschichte des Nahen Ostens, dessen jüngere Geschichte durch die Shoa geprägt ist? Die antisemitischen Stereotype in deutschen Geschichtsbüchern waren bis vor wenigen Jahren unhinterfragt.

      Unverstanden in vielen deutschen Medien ist, wie stark der mörderische Überfall des Hamas auf Israel die jüdische Community weltweit in Angst versetzt und sie über mangelnde Solidarität (gerade auch in Deutschland) klagen lässt.



      Kritische Fragen angesichts Zehntausender ziviler Opfer in Gaza in Bezug auf die Kriegsführung der israelischen Armee zu stellen, wie Detjen und Bax es tun, ist der Inbegriff kritischen Journalismus.



      Die eigenen Maßstäbe der Beurteilung kritisch zuhinterfragen und mit denen abzuwägen, die einem möglichweise seit langem genehm sind, ist wichtig.

    • @Schalamow:

      Ich habe auch den Eindruck, dass Frau Zaboura Teil jenes Problems ist, das sie selbst kritisiert.

      • @Chris McZott:

        Gut ausgedrückt und ich teile den Eindruck. Es ist genau dieser aktivistische Journalismus, der die Glaubwürdigkeit erschüttert, weil er "filtert".

        • @Dr. McSchreck:

          Ich sehe es noch ein klein wenig nuancierter. Dass "gefiltert" wird ist natürlich das grundlegende Problem, in der Praxis geht es aber gar nicht anders. Menschen sind nun mal so. (Beispiel: Gibt es Nachwuchsjournalisten die kein 1,x Abitur haben? Alleine dadurch hat den "Obere-Mittelschicht-Filter" schon drauf.)

          Was mich viel mehr auf die Palme bringt, ist die unreflektierte Haltung der eigentlich recht intelligenten Menschen: Man behauptet demokratisch zu sein, während man dann doch nur ein sehr reduziertes Spektrum abbildet und man merkt das selbst nicht mal. Da verschwindet die Grenze zu Aktivismus, Politik oder gar Religion wo ebenfalls der Ausgangspunkt allen Denkens ist, dass man selbst im Recht ist und nur gut und richtig handelt. Dadurch immunisiert man sich selbst gegen Kritik.

        • @Dr. McSchreck:

          Menschen "filtern" grundsätzlich.

          Unser Gehirne verarbeiten Informationen unterschiedlich.

          Sie können Person A und B die selben Informationen und Fakten geben und es kommt zu 2 völlig unterschiedlichen Wahrnehmungen der Situation.

          Welche Information ist "wichtig", was ist das "Vorwissen" usw.

          Ein Journalist ist keine Schiedsrichter: in, die Spielregeln sind nicht offen + bekannt u. eine rein objektive Entscheidung/Berichterstattung meist schlicht nicht möglich.

          Das beginnt schon dabei "worüber" berichtet wird. Kriminalität von Ausländern zum Beispiel 30x häufiger, als die von Einheimischen.

          SM verstärkt den natürlichen Effekt des Gehirns Informationen unterschiedlich wahrzunehmen und zu verarbeiten. Das gilt sowohl für die Berichtenden, wie auch die Leserschaft.

          Und so erodiert in Konsequenz natürlich auch das Vertrauen.

  • Nadia Zaboura stellt die Berichterstattung in den öffentlich-rechtlichen Medien verzerrt dar. In Dauerschleife ist dort zu sehen, zu hören und zu lesen, dass Israel angegriffen, bombardiert, getötet etc. habe, wobei als Quelle für die Todesopfer oft das "Gesundheitsministerium" in Gaza, also die Hamas, angegeben wird oder die Propagandaschleuder des Hamas-Finanzierers Qatars, Al-Jazeera. Irgendwann heißt es dann in den Berichten, dass sich die Vorwürfe nicht unabhängig überprüfen ließen. Was davon hängen bleibt, sah man daran, dass eine 70+x-prozentige Mehrheit in Deutschland parteiübergreifend Waffenlieferungen an Israel ablehnte.

    Weiter behauptet Zaboura, es gebe eine "Droh- und Angstkulisse", und es bestehe in den Redaktionen "Angst" und "Sorge". Und dieser "Druck" werde von "proisraelischen Lobbyorganisationen" und der "Jüdischen Allgemeinen" ausgeübt. Das ist eine klassische Dogwhistle. Es bedeutet nichts anderes als die Behauptung, dass die Juden die Medien kontrollierten. Weswegen die Stimmung in der Mehrheitsbevölkerung, die das Geschehen nur aus den Massenmedien kennt, trotzdem überwiegend "israelkritisch" ist, bleibt das Geheimnis von Nadia Zaboura.

    • @Budzylein:

      Und warum muss man sich auf diese unzuverlässigen Quellen verlassen?

      Weil Israel den Zugang der Internationalen Presse verhindert.

      Und weil dennoch nicht alle Informationen unterdrückt werden können und die Berichte über die Verbrechen so überwältigend ist , ist die Mehrheit in der deutschen Bevölkerung nicht mehr bereit sich an diesen durch Waffenlieferungen zu beteiligen.

      Die meistgelesene Zeitung ist immer noch die Bild und diese ist radikal pro israelisch.

      Seit rund 2 Jahren sind hauptsächlich die Verbrechen der IDF und der israelischen Regierung an der Tagesordnung und Nachrichten berichten eben über aktuelle Themen.

      Jetzt wird zum Beispiel erneut die Bevölkerung in Geiselhaft genommen und Hilfslieferungen verhindert und auch die Annektion des Westjordanlandes schreitet voran.

    • @Budzylein:

      Vielen Dank für Ihre klaren Worte, ich sehe das genau so.



      Ich hatte mich schon gefragt, warum meine persönliche Wahrnehmung so sehr von der der Autorin abweicht.



      Gerade das, was Sie in Ihrem ersten Absatz schreiben, hat mich massiv z. B. bei der Tagessschau gestört.

  • Ich denke, eines der größten Probleme des Journalismus und die Hauptursache dafür, dass er der Demokratie nur schwer dienen kann ist, dass er nach kapitalistischen Prinzipien funktioniert. Es muss Gewinn gemacht werden, also wird veröffentlicht, was sich am besten verkauft. Das sind die Beiträge, die am meisten Aufmerksamkeit erregen, Aufregung und Emotionen auslösen. Die Menschen wollen den Nervenkitzel, die Empörung, auch Angst verkauft sich gut. Was sich nicht (mehr) gut verkaufen lässt verschwindet vom Radar bzw. bekommt nie eine größere Aufmerksamkeit. So erreicht man keine breite politische Bildung. Wie Erich Fromm schon in "Haben oder Sein" geschrieben hat, bräuchten wir diese aber für eine gut funktionierende Demokratie, plus dem persönlichen, politischen Austausch der Bürger untereinander. Statt dem vielen aufregenden Vordergründigem, mehr oder weniger Offensichtlichem, bräuchten wir also viel mehr Hintergrundwissen, aber das ist halt so langweilig gegenüber den ganzen "Push-Nachrichten" und verkauft sich so schlecht.

  • Kann der Frau nur zustimmen, was das Trugbild eines neutralen, auf reine Fakten beschränkten, Qualitätsjournalismus betrifft. Weil Neutralität über ein breites Meinungsspektrum unmöglich ist und in den Standardformaten der Berichterstattung kein Raum/keine Zeit für ausführliche Erörterungen bleibt, sollte guter Journalismus bei jedem Beitrag mindestens seine Grundannahmen explizit machen. Entsprechende kurze Formulierungen sind möglich. Z.B:



    - Ausgehend von der Annahme, dass repräsentative Demokratie der friedliche Wettkampf um die Macht ist, …



    - Unter den Bedingungen der Marktwirtschaft, also Handlungsfreiheit ökonomischer Subjekte und Recht auf Privateigentum, ...



    - Aus der Sicht, um sozial gerechte und demokratische Wirtschaftsordnung bemühte Bewegungen, …



    - Da der Menschen als homo oeconomicus egoistisch handelt, …



    - Die Menschen sind als soziale Wesen zu Empathie fähig und auf Kooperation angewiesen. ...

    Die tazLerInnen sollten sich das zur Gewohnheit machen, denn als „ehemals linkes Zeitungsprojekt“ fehlt dann doch die eine, klare Grundhaltung, die sich durch alle Beiträge zieht.

  • Was hier steht ist richtig ist stimmt ganz generel,



    zeigt ganz generel die Probleme des "Mainstream" -Jornalismus in Deutschland.

    1.) Wer jornalitisch engagiert ist und eine eigene Meinung hat,



    der ist auch nicht neutral.



    Neutraltität ist keine realisitische Forderung an den Jornalismus.

    2.) Realitische Forderungen sind sachliche Richtigkeit, Wahrhaftigkeitkeit und die Vermeidung von "Doppelstandats"



    --> und da sieht es in deutschen Jornalismus sehr sehr schlecht aus.

    3.) Ein Jornalismus der sich ehrlich der Tatsache stellt das "Neutralität" nicht oder kaum erreichbar ist, tolleriert auch andere Sichtweisen als die "eigene".



    --> Das ist in Deutschland kaum der Fall, sehr schnell ist alles was nicht in die "eigene Redaktonsline" passt "Propaganda", "Desinformation" usw.



    --> Wer die Coronapoltik 2021 mit vernünfitigen Arguementen (mangelnde Wirksamkeit, Unverhältnisäßig) krisisierte wurde schnell mit allen möglichen Alluhut-Trägern in "einen Topf geworfen".

    4.) Ein objektives Kriterium für jornalistische Standarts ist die Reaktion auf Fehler-Hinweise mit vernünftigen Belegen.



    --> Hier fallen fast alle Deutschen Medien durch, es wird hier fast nie korrgiert.

  • War der Sinn des Interviews, ganz allgemein über Vertrauensverlust in die deut. Medienlandschaft zu sprechen? Oder ging es eher darum, unter diesem Vorwand die zurückhaltende Verwendung des Begriffs "Völkermord" in Bezug auf die Antiterrormaßnahmen Israels zu kritisieren bzw. zu diskreditieren? Das Interview dreht sich fast komplett direkt oder indirekt um diese Frage.



    Der "Vertrauensverlust" in die etablierten Medien TV, Radio und Zeitung (inklusive deren Internetpräsenzen) hat wohl viele und sehr differenzierte Ursachen.



    Dass sich jüngere Menschen kaum noch über diese Medien informieren, hat eher etwas mit Technologie als mit Inhalten zutun. Dass sie (die "Generationen Y" und "Z") bei dieser Gelegenheit auch regelrecht verlernen, Wahres vom Unwahren zu trennen, ist ein wahrscheinlich viel entscheidenderes Problem als die Nennung bestimmter Ausdrücke, die, unreflektiert hin- und aufgenommen, ohnehin nur reflexhafte Entrüstung auslösen, ohne vorheriges kurzes Innehalten zur Prüfung der ausschlaggebenden Nutzungsabsichten und -gründe oder der damit bezeichneten Inhalten.

    • @Vigoleis:

      Die Autorin hat über viele Dinge allgemein gesprochen nicht nur über Israel udn Palästina.

      Dass aber die Probleme des Journalismus gerade in bezug auf die Berichterstattung über diesen den Konflikt sich spiegeln, zeigt eben genau was in dieser Berichterstattung zum Konflikt zu wünschen übrig lässt und wie sehr besonders eine Seite dort Meinungspluralismus als Machtspiel betreiben möchte, was diesen Meinungspluralismus empfindlich stört.

      • @JK83:

        Da Sie nicht nur mir, sondern fast jedem hier im Forum antworten, der das Interview vor allem in Bezug auf die Verwendung von "Genozid" kritisch sieht. wäre es an der Zeit, einmal den Begriff "Meinungspluralität" Ihrerseits zu klären. Nach allem, was ich von Ihnen lese, verstehen Sie darunter anscheinend vor allem die unwidersprochene Wiedergabe einer antiisraelischen Sichtweise des "Konflikts". Ich muss mich aber den anderen Meinungen anschließen, dass auch deut. Medien den inkriminierten Begriff u.v.a.m. häufig kritiklos und unkommentiert übernehmen, ohne auf die näheren Umstände (z.B. das es nicht mehr als ein Verdacht ist bislang) einzugehen.

  • Ich glaube, wegen solch pauschalisierender Aussagen ziehen sich Menschen aus dem öffentlichen Diskurs zurück. Die Berichterstattung ist in Deutschland, noch mehr in der übrigen westlichen Welt, in der übergroßen Mehrheit "israelkritisch". Ausgerechnet die weitgehend alleine auf weiter Flur stehende "Jüdische Allgemeine" als diskursdominierend darzustellen finde ich zynisch. Wer wird denn real und körperlich bedroht? Philipp Peymann Engel oder Daniel Bax? Von wem hängen Plakate aus mit "Make Zionists afraid again"? Die "Antisemitismusvorwürfe" sind "unbelegt"? Hier hätte ich gerne konkrete Zitate. Sicherlich gibt es proisraelische Lobbyarbeit, was jedenfalls weder verwerflich noch verboten ist. Wenn ich mir die "tagesschau", immer noch meistgesehene Nachrichtensendung in Deutschland anschaue, merke ich von "Selbstzensur" nichts. Und man sollte nicht so tun, als ob die "Gegenseite" keine Lobbyarbeit mache. Der von Katar finanzierte Sender "Al-Jazeera" ist im Medium der Zukunft sehr erfolgreich. Mit einseitigen Schuldzuweisungen gewinnt "Journalismus" kein Vertrauen zurück, solche Linke sind wirklich nur das Spiegelbild der Rechten.

    • @Kai Ayadi:

      Wenn sie körperliche Bedrohung als Maßstab für problematischen Einfluss auf Journalisten festsetzen, dient ihr Kriterium schon nicht mehr der pluralistischen Meinungsbildung.

      Es geht darum, keine Kampagnen gegen unliebsame Einzelpersonen zu fahren, darum, Druck auf die Jobs unliebsamer Journalisten abzuwehren, darum, dass eben gerade von ihrer Bedeutung für den Diskurs kleine Institutionen (wie die von ihnen genannte JA) sich nicht zu Chefanklägern des Meingspluralismus aufschwingen können und direkte Kurzschlusswege in Politikerbüros und andere Medienhäuser nutzen könne, die ihrer journalistischen Bedeutung und ihrer Rolle als ein Meinungsbildner unter vielen im Pluralismus nicht entspricht. um all das geht es. Und die Garnierung mit dem Antisemitismusvorwurf ist - das kann keiner bei Verstand leugnen und jedenfalls nichts belegen - in der BRD von mancherlei Seite ein zunehmend stumpfes (wofür diese selbst verantwortlich sind) Schwert um Meinungspluralismus bei bestimmten Fragen zu verdammen und in der Folge zu unterdrücken - jedenfalls wird es versucht.

      Karrieren und Existenzen und Meinungspluralismus werden nicht erst durch körperliche Einschüchterung bedroht.

      • @JK83:

        Wollen Sie behaupten, die "Jüdische Allgemeine" übe durch "direkte Kurschlusswege in Politikerbüros und andere Medienhäuser" Druck auf die Jobs "unliebsamer" Journalisten aus (die so "unliebsam" sind, dass sie ständig zur besten Sendezeit im Fernsehen berichten oder zahlreiche "israelkritische" Zeitungsartikel veröffentlichen können)? Hat schon mal ein Journalist seinen Job verloren, weil die "Jüdische Allgemeine" etwas gegen ihn oder seine Berichterstattung einzuwenden hatte? Das ist doch alles nur Geraune.

        • @Budzylein:

          Die JA nicht alleine. Aber sie nimmt bspw. an Kampagnen gegen Bax und Detjen teil und fordert Konsequenzen für diese wie die Kündigung. Machen das umgekehrt andere Medienhäuser gegen Journalisten der JA?



          Und die JA fordert überhaupt hier und da die Abberufung und Kündigung von Leuten wie es gerade so passt. In Erinnerung sind mir Francesca Albanese und Claudia Roth. Darf die JA natürlich alles machen. Darf ich aber auch benennen. Es ist nicht lediglich "Geraune" wie sie behaupten. Und es ist - ich schrieb es eingangs - nicht die JA alleine.

          • @JK83:

            1. Ihre Ausführungen ändern nichts daran, dass niemand um seinen Job fürchten muss, weil die "Jüdische Allgemeine" ihn kritisiert oder auch seine Entlassung fordert.



            2. Umgekehrt habe ich nicht mitbekommen, dass irgendjemand von der "Jüdischen Allgemeinen" die Kündigung eines Mitarbeiters gefordert hätte. Das untermauert aber nicht Ihren Standpunkt, im Gegenteil: Es zeigt, dass es sich um eine Zeitung handelt, die eine eher geringe Reichweite hat und ohne nennenswerten Einfluss ist, sodass sich kaum jemand dafür interessiert, wer dort arbeitet.

  • Der Verweis auf die ominöse „internationale Presse“ scheint mir arg dünn um daran festzumachen, dass die deutsche Presse im Nahostkonflikt einseitig berichten und nur pro-israelische Meinungen zu lassen würde. Dem ist definitiv nicht so, es gibt genug israelkritische Berichterstattungen und grade genannter Herr Bax darf hier seine an Einseitigkeit schwer zu überbietenden Verurteilungen Israels zum Besten geben. Das aber nicht die gesamte Presse den Blick von Al-Djazeera teilt, einem Sender in der Hand eines Staates der ideologisch nicht allzu weit von der Hamas entfernt ist und seine Hand schützend über eben diese hält, halte ich für sehr gut und richtig.

    • @Fran Zose:

      Ja dann sagen sie mir doch mal was für sie "dick" wäre?

      Ich sage ihnen was richtig wäre: Mindestens von "Verdacht auf genozidale Kriegsführung" in jedem Beitrag über das Kriegsgeschehen - noch viel mehr bei der Zitation von Aussagen zum Kriegsgeschehen der IDF [die zudem nachgewiesenermaßen viel viel häufiger als NGO's, UNO-Orgas, Palästinenserinstitutionen ohne Einordnung zu Wort kommen] - zu sprechen wäre richtig.

      Weiterhin wäre es richtig Leute wie P. Sands und viele andere in den großen Zeitungen zu interviewen, die werden uns in der BRD aber vorenthalten. Wir kriegen deutsche Leute die hier mit dem deutschen Staatsstandpunkt Karriere machen und so weder neutral sind noch international große Bedeutung haben, vorgesetzt. Die gewünschte Ergebnisse liefern. Und deswegen sind die Beiträge bei Süddeutscher und Zeit oder FAZ zur Frage "ist das ein Genozid?" o.ä. weit entfernt vom internationalen Diskurs und von der Speerspitze der Völkerrechtler. Diese Beiträge bedienen die deutsche Staatsräson. Aber das ist gerade nicht die Aufgabe der Presse.

      Und man müsste z.B. den Bericht von Pillay in Breite besprechen. Der hat es in sich. Passiert hier aber auch nicht.

      Das ist schwach.

    • @Fran Zose:

      Al Jazeera ist absolut nicht der Maßstab und das behauptet hier auch keiner.

      Sogar die NYT - überwiegend in der Hand der deutsch-jüdischen Familie Ochs - oder der Guradian sind weitaus deutlicher und zugleich investigativer als die deutsche Presse bei der Darstellung des Krieges. Es gibt wenige Ausnahmen wie "Monitor" und auch eine in Hinblick auf Tatsachen und Deutungen engagierte TAZ, aber sonst wird das Niveau der journalistischen Aufklärung der Vorgänge in Deutschland weit unterboten. Ich nenne nur ein Beispiel von vielen, wenn auch ein gravierendes: Die rechtliche Analyse des Gnozidbegriffes und des Vorwurfs in Richtung Israels wurde in deutschen Medien wiederholt oberflächlich und in Hinblick auf ein gewünschtes Ergebnis betrieben, whingegen in der NYT und anderen internationalen Presseerzeugnissen Fachleute obersten Ranges in langen Interviews die ganze Problematik von vielen Seiten her beleuchteten. Nur im DLF kam neulich ein Interview mit A. Dirk Moses diesem Niveau nahe - ohne es zu erreichen (liegt nicht an Moses). Das war schon eine rühmliche Ausnahme. Mehr Platz ist nicht, aber ich kann diesen letzten Punkt erklären und verweise auf das Interview von Klein mit Sands.

      • @JK83:

        Ausgerechnet den Holocaust-Relativierer Dirk A. Moses, dessen Voreingenommenheit in der Sache einschlägig, der als Historiker nun auch nicht gerade die erste Adresse ist, wenn es um die rechtliche Betrachtung des Genozid-Vorwurfs geht und dessen Thesen in der deutschen Fachwissenschaft mehrheitlich kritisch aufgenommen worden ist, als maßgebliche Instanz in dieser Frage zu benennen, sagt mehr über Ihren eigenen Standpunkt als über die Sache selbst aus.

        • @Schalamow:

          Ich muss ihnen attestieren, dass sie in der Zeit stehen geblieben sind.

          Ausserhalb deutschen Landen ist es schon seit über 20 Jahren die gängige wissenschaftliche Auffassung, dass wesentliche Aspekte des NS-Regimes und des Holocaust durch deren Beziehung zum imperialistischen Kolonialismus überhaupt erst erfassbar werden.

          Dank Leuten wie Zimmerer, Rothberg oder Moses ist dieses Thema mit erheblicher Verspätung auch in Deutschland angekommen.

          Und es war auch nicht die von ihnen zitierte wissenschaftliche Fachwelt die dieses kritisch aufgenommen hat. Für die war es nämlich nichts neues. Auch deutsche Wissenschaftler nehmen an internationalen Kongressen teil wie u.a. 2003 die „Genocide and Colonialism“ in Sydney, bei der das Thema behandelt wurde.

          Die Kritiker kamen vorwiegend aus dem konservativen Lager flankiert von der Union einigen Historikern wie Kundrus und Malinowski und begleitet von den üblichen Protagonisten in der Medienlandschaft wie Welt, Bild und ganz vorne die FAZ.

          Und die Meinung das ein Historiker der Genozidforschung betreibt nicht fähig sei die Lage in Gaza in den richtigen Kontext einzuordnen, dürften sie exklusiv vertreten.

          • @Sam Spade:

            Ich finde Ihren Beitrag ziemlich pauschalisierend.



            Inwieweit "wesentliche Aspekte des NS-Regimes und des Holocaust durch deren Beziehung zum imperialistischen Kolonialismus überhaupt erst erfassbar werden" wird in der "wissenschaftlichen Fachwelt" durchaus kontovers diskutiert. Was die "Eroberung von Lebensraum im Osten" durch den NS betrifft gibt es Parallelen zum Kolonialismus, was den Holocaust betrifft, so hatte der eher seine Besonderheiten (Stichwort Anijudaismus und Antisemitismus). Genauso kann man Parallelen von Stalinismus und Nationalsozialismus ziehen (Stichwort bloodlands) ohne beides gleichsetzen zu müssen. Bei Moses (mehr) und bei Rothberg (weniger) werden jedoch nachts alle Katzen grau.



            Und man sollte nicht so tun, als ob es Genozide erst seit dem Kolonialismus gäbe, genauso wie diese nicht nur vom "kapitalistischen kolonialen Westen" verübt wurden.



            Warum es nicht ausreicht, sogar gefährlich ist, Antisemitismus und den Holocaust „nur“ als Teil kolonialer Geschichte zu sehen: taz.de/Steffen-Kla...tismus/!vn5763362/

        • @Schalamow:

          Und ich lege nochmal deutlich nach weil das nicht so stehen bleiben soll:

          D.A. Moses ist nicht maßgebliche Instanz. Er ist ein Teil einer Riege von Experten. Es gibt sehr viele andere - darunter ich wiederhole mich viel Juden - die Genozid attestieren. Neben einem anfangsverdacht plus Haftbefehl, neben Gutachten von Völkerrechtlern um N. Pillay und vielen weiteren mindestens (!) Indizien in der Sache. Darauf können sie gerne eingehen, die Indizien gerne entkräften. Wiid nur nicht so lecht. Denn die Ankläger haben rechtliche Argumente und führen Beweise in Wort, Bild, und Fonrensik auf ihrer Seite. Und sie?

          • @JK83:

            Wenn Ihnen "Beweise" und "Indizien" so wichtig sind, dann lassen Sie bitte die jüdische Herkunft irgendwelcher Protagonisten in dieser Auseinandersetzung weg. Die "Herkunft" hat mit der inhaltlichen Richtigkeit oder Falschheit einer Aussage rein gar nichts zu tun. Im Übrigen führen Sie selbst keine "Indizien" oder "Beweise" sondern ausschließlich Personen an.



            Und ich möchte darauf hinweisen, dass es z.B. auch im IGH was den Genozidvorwurf betrifft, unterschiedliche Ansichten gibt. Zudem ist die Frage, was als "Völkermord" zu gelten hat, ebenfalls umstritten.



            www.cambridge.org/...C004910DEF53343739

            Das mögen Sie kleinlich oder kleinredend finden. Diese causa ist jedenfalls nicht entschieden.

            • @Kai Ayadi:

              "Zudem ist die Frage, was als "Völkermord" zu gelten hat, ebenfalls umstritten."

              Das ist juristisch klar definiert. Umstritten kann daher lediglich sein, ob die Voraussetzungen dafür erfüllt sind.

              Und von einem Foristen bei 1200 Zeichen zu verlangen "Beweise" für einen Völkermord vorzutragen ist schon ziemlich absurd.

              Die fordere ich aber von ihnen ein und zwar in Form der Namen der Personen am IGH die öffentlich Zweifel daran geäußert haben, dass es in Gaza Anzeichen für einen Völkermord gibt.

              Da reicht auch ihr Verweis auf den Artikel von Monika Polzin nicht aus, die sich ja lediglich damit beschäftigt hat, ob die Auslegung des IGH nicht zu weitreichend gefasst ist. Was im übrigen nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Nur das ist halt Rechtsauslegung und hat so rein gar nichts mit ihrem Einwand zu tun.

              Finden sie sich einfach damit ab, das die Wahrscheinlichkeit für einen Genozid in Gaza sehr sehr groß ist. Bedeutet aber noch lange nicht, dass er auch vor Gericht beweisbar ist.

              • @Sam Spade:

                Der Forist hat ständig von Beweisen und Indizien geschrieben, da hätte er auch einzelne bringen können.



                Zu Ihren "Forderungen": die einstweiligen Anordnungen, die der IGH erlassen hat, wurden in weitreichenden Teilen gegen die Stimme der Vizepräsidentin Julia Sebutinde und des israelischen ad-hoc-Richters Aharon Barak erlassen.



                Ganz grundsätzlich sind alle Gerichte keinen heiligen Institutionen, sondern können auch falsche Entscheidungen treffen. Sonst stimmte der Satz "Was damals Recht war, kann heute kein Unrecht sein."



                Jenseits der juristischen und moralischen Ebene gibt es auch eine militärische und strategische. Da sollte man die Kämpfe in Zeit und Raum mit vergleichbaren miltärischen Kampagnen vergleichen. Sie wollen dekretieren: "Finden Sie sich einfach damit ab." Ich bleibe dabei, wäre ein Genozid die Intention von Israel, wäre der Krieg noch ganz anders geführt worden. Es sind durch israelisches Militär Kriegsverbrechen begangen worden.



                Durch eine Verurteilung als "Genozid" hätte sich dort kaum etwas geändert. Der prekäre Waffenstillstand wurde von anderen vermittelt.

        • @Schalamow:

          Aber sie Schalamow sind natürlich die erste Adresse der Historiker, die D.A. Moses von ihrer Kanzel wegwischen können. Habe ich richtig verstanden?

          D. A. Moses wird btw. auch im Buch von Daniel Marwecki - Jude, Politikprofessor in Hongkong - "Absolution. Israel und die deutsche Staatsräson" zustimmend besprochen. Und Letzterer ist weit entfernt von einem Israelhasser oder Holocaustrelativierer.

          Übrigens mal wieder bezeichnend, dass sie NUR ad hominem argumentieren. Haben sie nicht noch ein echtes Argument?

          Und noch etwas dazu: Sie haben meinen Post weder richtig verstanden - ich gab ein Beispiel für ein Interview in der BRD was dem Niveau der internationalen medialen Diskussion nahekommt, noch haben sie die aussage voll erfasst: ich habe auch internationale Beispiele genannt nämlich E. Klein im interview mit P. Sands. Können sie dazu - jenseits von ad hominem - etwas Kritisches beitragen?

          Übrigens: Der Vorwurf der Holocaustrelativierung ist - wenn er nicht zutrifft - ist auch hauchzart an strafrechtlichen Vergehen wie Verleumdung grenzend und mit dem alltagssprachlichen "Rufmord" sehr treffend bezeichnet. Ich sage ihnen das nur mal so zum Nachdenken, nicht um sie zu erpressen.

  • Es ist gut, dass deutsche Medien anders berichten als Al-Djazeera; ein Sender in der öffentlichen Hand eines Staates, der beste Beziehung zur Hamas unterhält. Der Verweis auf die diffusen „internationalen Medien“ um vermeintliche Einseitigkeit der deutschen Presse herauszuarbeiten ist journalistisch doch etwas dünn. „Hass ist keine Meinung“ scheint meist dann nicht zu gelten, wenn es um Israel geht. E

  • Ah stimmt, man weiß ja wie integer und journalistisch einwandfrei internationale Medien im Bezug auf Nahost berichten. Bisweilen hat man das Gefühl, ein wenig mehr historisches Bewusstsein, oder meinetwegen auch "German guilt" täte den meisten ganz gut

    • @Axotono:

      Sie sollten sich nicht hinter einem "man" verstecken. Und womöglich ist es so, dass nicht die anderen den Fokus verlieren sondern dass ihrer zu eng ist.

      Zu dem Thema mit der Schuld ist es ganz leicht den passenden term beizusteuern: Menschenrecht ist universell.

    • @Axotono:

      Zum historischen Bewusstsein gehört mehr als ein deutscher Tunnelblick - gerade mit Blick auf den NO-Konflikt. Die deutsche Presselandschaft hat sich in den letzten zwei Jahren vor allem durch eine beharrliche Zurückhaltung ausgezeichnet, Verbrechen bis hin zum Völkermord auch als solche zu benennen - selbst wenn Sie live übertragen und von den Tätern nicht einmal geleugnet wurden. Was daran vorbildlich sein soll, bleibt Ihr Geheimnis.

      • @O.F.:

        Das ist doch gerade die geforderte Haltung und Nicht-Neutralität.

  • Eine kluge Frau und ein sehr gutes Interview.

    • @Offebacher:

      Die Klugheit der Dame vermag ich nicht zu beurteilen, das Interview hingegen finde ich ziemlich schlecht.

  • Neutralität ist etwas ganz Reales.



    Das zu bestreiten, riecht sehr nach billiger Ausrede.



    Im Kern ist das hervorragend durch das bekannten Friedrichs-Diktum "Ein guter Journalist darf sich mit keiner Sache gemein machen, auch nicht mit einer guten" zusammengefasst. Es geht nicht um ein "Gleichgewicht": Eine Journalistin muss darstellen, was Sache ist, was richtig und was falsch ist - eben auch, wenn mehrere Seiten lügen, u.U. in unterschiedlichem Maße. Das erfordert Kenntnisse in der jeweiligen Sache.



    Einflussnahme und Schreiben aus konkretem Interesse ist kein Journalismus, sondern vielmehr Meinung, Kommentar, Lobbyismus oder Aktivismus.



    Und dafür braucht man keinen eigenen Berufszweig - das kann bekanntlich in den sozialen Medien jede/r. Sachlich neutral berichten können hingegen (in jedem Gebiet) nur wenige.

    • @Frauke Z:

      Neutralität und Objektivität sind Konzepte.



      Jede:r Berichterstatter:in sollte nach diesen streben.



      Nur vollständig erreichbar sind diese nicht.

      Menschen sind nicht frei von Einflüssen wie Gefühlen, Vorurteilen, Erfahrungen, sozialen Erwartungen und natürlich auch finanziellen Interessen (Stichwort Klickbait).

      Das hat Einfluss auf das "wie" und das "worüber" berichtet wird, ganz ohne "Aktivismus" oder "Agenda".

      "Salchlich neutral berichten" kann NIEMAND, es kann auch NIEMAND einen Artikel wirklich sachlich neutral lesen, danach streben sollte wie gesagt JEDE:R.

      Man muss die eigegen Vorurteile und toten Winkel regelmäßig hinterfragen

    • @Frauke Z:

      Verwechseln Sie da teilweise vielleicht Neutralität mit Objektivität?

      Beide Begriffe haben für journalistische Ethik eine Bedeutung, werden aber bei Debatten um die Presse leider allzu oft durcheinander geworfen.

  • „ Teils vermeiden sie in Kontrast zu Teilen der internationalen Berichterstattung juristische Fachbegriffe wie „Völkermord““

    Was doch auch völlig richtig ist, wenn sie keine Fachjuristen sind und kein Gericht entschieden hat, dass ein Völkermord vorliegt. Gerade so etwas ist doch keine Meinungssache.

    • @Suryo:

      Ist es nicht. Der Vorwurf steht im Raum. Anklage ist zugelassen. Es gibt Haftbefehle und Aufforderung alles zu unterlassen, was diesen Genozid herbeiführen/fortsetzen könnte. Es gibt x Einschätzungen von Fachleuten auf der ganzen Welt - viele jüdische Intellektuelle unter ihnen und von Leuten am IGH die mit solchen Verfahren befasst sind z.B. der Ankläger (Anwalt) P. Sands sowie Gutachten von Kommissionen von Völkerrechtlern wie das von N. Pillay - die sagen dass es ein Genozid ist.

      Die Menschheit muss - dem dient das Völkerrecht - Genozide unterbinden, nicht gucken und dann irgendwann sagen "es war ein Genozid/es war kein Genozid". Um Letzteres geht es heute nicht. Heute zählt die Verhinderung.

      Es ist jedenfalls erlaubt und mindestens geboten, von einem "möglicherweise stattfindenden Völkermord" inbezug auf die israelische Kriegsführung in GAZA zu sprechen. Mindestens. Und dieses Minimum wird in der BRD selten - im ÖRR vor allem aber auch in den großen nationalen Zeitungen - erreicht.

      Das müsste es. Falsch verstanden ist Neutralität wie "Israel sagt X" und "Palästinenser sagen Y" inbezug auf das Geschehen - wo (Fakt) Tötung, Zerstörung, Hunger v.a. eine Seite verantwortet.

      • @JK83:

        Dann kann ein Journalist aber eben auch nur auf die entsprechenden Aussagen verweisen und sollte auch entsprechend anderslautende nicht verschweigen. Der Journalist ist nun mal in der Regel kein Völkerrechtler und auch kein Richter.

        • @Suryo:

          Dabei muss dann aber auch aufgepasst werden, dass kein false Balance entsteht.

          Wenn der größte Teil klare Indizien für Völkermord sieht, ein weiterer großer Teil bissher "nur" schwere Kriegsverbrechen als erwiesen sieht und nur ein verschwindent kleiner Teil weder an das eine, noch an das andere glaubt, sollte das nicht in gleichen Teilen repräsentiert werden.