Abschiebegefängnis in Deutschland: Die Zivilgesellschaft protestiert
In Mönchengladbach soll ein neues Abschiebegefängnis mit 140 Plätzen entstehen. Der bisher größte solche Anstalt in Deutschland hat 175 Plätze.
Noch Anfang 2024 war von einer neuen Justizvollzugsanstalt (JVA) in Mönchengladbach mit 140 Plätzen die Rede. Mittlerweile ist klar: Statt eines regulären Gefängnisses soll ein Abschiebegefängnis entstehen. Das Gelände des ehemaligen Nato-„Joint Headquarters“ (JHQ) in Mönchengladbach-Rheindahlen könnte bald zum Standort einer zweiten Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige (UfA) in Nordrhein-Westfalen werden.
Am 17. Januar 2025 bestätigte Fluchtministerin Josefine Paul (Grüne) die Pläne der schwarz-grünen Regierung von NRW. Der Neubau soll Kapazitäten für bis zu 140 ausreisepflichtige Personen schaffen und die bereits bestehende Einrichtung in Büren im Kreis Paderborn, mit 175 Plätzen die größte Abschiebehaftanstalt in Deutschland, entlasten.
In Mönchengladbach regt sich Kritik an dem Projekt. Grüne und Linke kritisieren das Abschiebegefängnis, die katholische Citykirche plant eine Veranstaltung mit Kritikern der Haftanstalt. „Die geplanten 300 Millionen Euro für das Abschiebegefängnis könnten deutlich sinnvoller eingesetzt werden“, erklärte Ute-Helene Becker, Vorsitzende des Mönchengladbacher Flüchtlingsrates, gegenüber der taz. „Statt in ein Haftsystem zu investieren, könnten diese Mittel für den Ausbau von Schulen, soziale Infrastruktur, Integrationsangebote, Sprachkurse und Rückkehrberatung genutzt werden.“
Eine Inhaftierung von Menschen, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen, sei nicht akzeptabel, argumentieren der Verein „Hilfe für Menschen in Abschiebehaft“ und das Bündnis „Abschiebegefängnis verhindern – in Düsseldorf, Mönchengladbach und überall“. Abschiebehaft erfolge oft unter zweifelhaften juristischen und humanitären Bedingungen und nur aus organisatorischen Gründen.
Mehr Abschiebungen erwartet
Gleichzeitig bemängelt das Bündnis „Abschiebegefängnis verhindern“ die Informationspolitik der Landesregierung: Eine per Informationsfreiheitsgesetz angeforderte Akte umfasste nur 17 Seiten, viele davon weitgehend geschwärzt. Auch die Antwort auf die Frage, wie die Landesregierung mit erwarteten Protesten aus der Bevölkerung umgehen wolle, sei unkenntlich gemacht worden.
Die schwarz-grüne Landesregierung rechtfertigt den Bau der neuen Abschiebehaftanstalt mit einem erwarteten Anstieg der Rückführungen und verweist auf ein Maßnahmenpaket zur inneren Sicherheit, das nach dem Attentat von Solingen im August 2024 geschnürt wurde. Bei dem Anschlag wurden drei Menschen getötet. Der mutmaßliche Täter hätte vor der Tat abgeschoben werden sollen – dieses Ereignis wird nun von Teilen der Politik als Legitimation für schärfere Abschiebepolitik genutzt.
In Mönchengladbach könnte die neue Einrichtung künftig Menschen unabhängig vom Geschlecht inhaftieren – eine Neuerung im Vergleich zu Büren, wo ausschließlich Männer untergebracht werden.
Stadt nur wenig involviert
Für Irritation sorgte die Art und Weise, wie das Projekt bisher kommuniziert wurde. Eine stadtweite Information oder gar eine Bürgerbeteiligung zur geplanten Abschiebehaft hat bislang nicht stattgefunden. Auch ein konkreter Bauzeitplan wurde bislang nicht veröffentlicht. Gegenüber der taz erklärte Felix Heinrichs (SPD), der Oberbürgermeister von Mönchengladbach, dass die Stadt bei den Gesprächen zwischen den beteiligten Ebenen lediglich in Bezug auf die Schaffung von Planungsrecht einbezogen werde.
29. Oktober 2025, 18 Uhr: Infoabend zum geplanten Abschiebegefängnis – mit Austausch, Diskussion und Einblicken in bestehende Einrichtungen.
Citykirche Mönchengladbach, Edmund-Erlemann-Platz
Gefragt, wie er persönlich zum Abschiebegefängnis stehe, antwortete Heinrichs, solche Einrichtungen seien „Teil des rechtsstaatlichen Prozesses“. Wenn es ein Landesinteresse an einer weiteren solchen Einrichtung in NRW gebe und das ehemalige JHQ-Gelände dafür ein geeigneter Standort sei, halte er es „nicht für opportun, Steine in den Weg zu legen. Es gilt, rechtsstaatliche Prozesse zu ermöglichen und auch die Bedingungen für die Menschen in so einer Unterbringungseinrichtung zu verbessern.“
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