Unionsstreit um Rückkehr nach Syrien: Wadephul konterkariert den Migrationskurs der CDU
Die heftige Kritik an Außenminister Wadephul zeigt, wie nervös die Union ist. Nichts läuft rund und man findet kein Mittel dagegen.
E ine Woche lang hat die Union jetzt über eine Äußerung ihres Außenministers diskutiert. Klug war diese Äußerung nicht. Nicht, weil sie nicht stimmt. Natürlich ist mehr als fraglich, ob ein großer Teil der Menschen, die vor dem Bürgerkrieg in Syrien nach Deutschland geflohen sind, zeitnah zurückkehren kann und will.
Große Teile von Syrien sind zerstört, die Sicherheitslage ist ungewiss, politisch ist das Land instabil. Johann Wadephul hat in einer verwüsteten Vorstadt von Damaskus nur das Offensichtliche ausgesprochen.
Auch ist im Konkreten innerhalb der Union der Dissens eher klein. Dass die Bundesregierung versuchen will, zunächst Straftäter und Gefährder nach Syrien abzuschieben, ist im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Wadephul steht dahinter, er hat auch eine Einladung an den neuen syrischen Machthaber überbracht. Das Ziel: diese Abschiebungen möglich zu machen.
Der Konflikt ist viel gravierender. Wadephul hat mit der Benennung des Offensichtlichen die Strategie von Friedrich Merz, der CSU und großen Teilen der CDU konterkariert: der AfD mit größtmöglicher Härte in der Migrationspolitik das Wasser abzugraben. Und wenn das bislang nicht funktioniert, so die Überlegung, dann muss man eben noch mehr Härte zeigen. In diese Strategie passt Wadephuls Äußerung nicht. Und nicht nur das: Der ganze Mann fügt sich da nicht so recht ein. Wadephul ist ein eher liberaler Christdemokrat, einer der leisen Töne, kein Rumholzer wie Merz, Alexander Dobrindt oder Jens Spahn.
Wo ist die Außenpolititik aus einem Guss?
Die Heftigkeit der Kritik an Wadephul zeigt, dass sich einiges aufgestaut hat. Dass Wadephul von einer „Zwangssolidarität“ mit Israel gesprochen hatte und die Kritik an der Netanjahu-Regierung schrittweise verschärfte, kam besonders bei der CSU und der Jungen Union nicht gut an.
Auch die Äußerung, eine Entsendung deutscher Soldaten in die Ukraine würde die Bundeswehr überfordern, als Merz gerade mit Trump über die Ukraine sprach, hielten viele für fehlplatziert. Und dann hatte er noch ohne Absprache rausgehauen, dass Deutschland hinter Trumps Fünf-Prozent-Plan für die Nato stehe.
Wadephul drückt sich zudem immer wieder unpräzise aus, manchmal auch falsch. Das wirkt dann nicht wie die „Außenpolitik aus einem Guss“ mit dem Kanzleramt, die versprochen war.
Die heftige Kritik zeigt aber vor allem, wie nervös die Union ist. Die Regierung läuft nicht rund, die Wirtschaft springt nicht an, die Umfrageergebnisse sind mies – und man findet kein Mittel dagegen. Da will man nicht zulassen, dass auch noch bei der Migrationspolitik Zweifel aufkommen, wo hier doch vermeintlich geliefert wird.
Weil dieser Eindruck entstehen konnte, war Wadephuls Äußerung in der Logik der Union unklug. Die scharfen Reaktionen, die die Debatte erst groß machten, waren es allerdings auch. Und das viel zu späte Eingreifen des Kanzlers sowieso. Kommunikativ also ein Desaster. Und viel verschwendete Zeit. Die hätte man besser zur überfälligen Überprüfung der eigenen Strategie eingesetzt.
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