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Auswertung von AfD-Reden im LandtagAuf 390 Seiten gegen die Verfassung

Die bayerischen Grünen haben Reden der AfD ausgewertet. Das Ergebnis spricht aus Grünen-Sicht für ein Verbot der Partei, „bevor aus Worten Taten werden“.

Zwei der Beteiligten der 390 Seiten hier im Bild: Landtagsmitglied Christoph Maier und Katrin Ebner-Steiner (3. und 4. v. l.) Foto: Daniel Löb/dpa
Dominik Baur

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Dominik Baur aus München

Schon beim Anblick des Schriftstücks, das einem die Grünen-Mitarbeiterin am Montagmorgen in die Hand drückt, gruselt es einen: In Frakturschrift prangen dort auf der Titelseite Vokabeln: „Volksfeindlich“, „Scheinasylanten“, „Bevölkerungsaustausch“, „Massenvergewaltiger“, „multiethnische Besiedlungszone“. Die Begriffe sind dem entnommen, was die Mitglieder der AfD-Fraktion im bayerischen Landtag zwischen 2018 und 2023 von sich gegeben haben, also in ihrer ersten Legislaturperiode.

Zu einer Zeit also, als Teile der Fraktion bisweilen noch als „gemäßigt“ bezeichnet wurden. Damals gab es einen erbitterten Streit, den die Anhänger des Thüringer Rechtsextremisten Björn Höcke rund um Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner gewannen. Seit Herbst 2023 besteht die Fraktion praktisch nur noch aus dieser Gruppe. Zwei der Abgeordneten werden derzeit vom Verfassungsschutz beobachtet.

Das 390 Seiten dicke Buch ist nun im Wesentlichen nichts anderes als eine kommentierte Zitatesammlung. 21.880 Seiten Plenarprotokolle hat eine kleine Gruppe von Grünen rund um den Landtagsabgeordneten Toni Schuberl dafür ausgewertet. Die Herausgeberin, die Grünen-Fraktion im bayerischen Landtag, will es als Beitrag zur Debatte um ein Verbot der AfD verstanden wissen. „Die AfD sollte verboten werden“, so die Warnung, „bevor aus Worten Taten werden“.

Verfassungsschutz beobachtet nicht im Plenarsaal

Das Buch trägt denn auch den Titel „Aus Worten werden Taten“. Mit dem Werk, so Schuberl am Montag im Pressegespräch, schließe man eine Lücke, denn der bayerische Verfassungsschutz habe es bislang unterlassen, Äußerungen auszuwerten, die im Parlament fielen – zum „Schutz des freien Mandats“. Das Bundesverfassungsgericht habe aber bereits klargestellt, dass gerade Aussagen, die in den Parlamenten fallen, zentral für ein Parteiverbotsverfahren seien.

Und es ist ja nicht so, dass die AfD-Abgeordneten sich im Parlament handzahm geben. Im Gegenteil: Oft, scheint es, richten sich ihre Landtagsreden gar nicht an das vor ihnen versammelte Parlament, sondern sind nur dafür konzipiert, die eigenen Kanäle in den sogenannten sozialen Medien möglichst passgenau zu bespielen.

Alle Beiträge sind auch auf der Website des Landtags als Protokoll nachzulesen oder im Video nachzuschauen. Da kann man dann etwa den Parlamentarischen Geschäftsführer Christoph Maier über den drohenden „Bevölkerungsaustausch“ schwadronieren hören: „Sie haben sich damit politisch kastriert und unser Land kampflos den Globalisten und Multikulturalisten übergeben. (…) Biodeutsche werden ersetzt durch Neudeutsche, was auch immer das sein mag. Ein Volk soll einfach ausgetauscht werden.“

Oder der Abgeordnete Oskar Atzinger: „Bis vor nicht allzu langer Zeit bekamen auch die deutschen Familien genügend Kinder, um den Fortbestand des Volkes zu gewährleisten. Seit einigen Jahrzehnten aber ist dies nicht mehr der Fall. Stattdessen importiert man hierzulande inzwischen Menschen und überlässt das Kinderkriegen lieber den Migranten.“

Verwandtschaft mit dem frühen Nationalsozialismus?

Für Schuberl steht fest: Die AfD-Fraktion vertritt ein geschlossen rechtsextremes Weltbild. „Da ist nicht einem mal was rausgerutscht, das erstreckt sich über die ganze Fraktion.“ Die Zeit der Ausreden sei daher vorbei.

Der Jurist sieht auch eine Wesensverwandtschaft mit dem frühen Nationalsozialismus. So tauche der Verschwörungsmythos des Bevölkerungsaustauschs bereits in Hitlers „Mein Kampf“ auf. Und wenn beispielsweise der AfD-Abgeordnete Maier Deutsche, die mindestens einen Elternteil haben, der nicht in Deutschland geboren sei, als Nichtdeutsche klassifiziere, erinnere ihn das doch sehr an die Nürnberger Rassengesetze der Nazis.

Die Unterscheidung von Deutschen und „Nichtdeutschen“ erinnere an die Rassengesetze der Nazis

Die Grünen fordern nun die Einsetzung einer Bund-Länder-Kommission mit dem Ziel, ein Verbotsverfahren auf den Weg zu bringen.

Die bayerische AfD selbst indes war am vergangenen Wochenende mal wieder mit sich selbst beschäftigt. Bei ihrem Parteitag in Greding fand ein Antrag, acht Vorstandsmitglieder abzuwählen, nicht die nötige Zweidrittelmehrheit. Die Parteispitze steht somit erst im kommenden Jahr zur Wahl respektive Abwahl. Die Kluft ist allerdings keine inhaltliche. Teilen des Vorstands wurde beispielsweise vorgeworfen, mangelndes Engagement für die Kommunalwahlen im März zu zeigen.

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16 Kommentare

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  • Die AfD wusste schon warum sie die Presse nicht bei ihren Parteitagen haben wollte. Die müssen da denn immer regelrecht Kreide fressen. Wie die Leute sonst miteinander um gehen konnte



    man ja vor ein paar Wochen bei einer Bürgerbefragung in Seesen bewundern.



    Und ja auch bei anderen Parteien gibt es so was aber nicht in dem Ausmaß.

  • Eine Partei hat also nach Auswertung der Reden einer Opostionspartei festgestellt, dass diese besser verboten werden soll. Kennt man die Bedeutung des Attributs parteiisch? Für die Beurteilung, ob eine Institution verfassungsfeindlich ist, hat man in der Demokratie die Gewaltenteilung erfunden.

    • @fleischsalat:

      Zwischen beiden Parteien gibt es einen gravierenden Unterschied. Die eine ist gesichert rechtsextrem, die andere steht zu den Werten unserer Verfassung. Die Schlussfolgerung, die AfD endlich zu verbieten, liegt da auf der Hand.

    • @fleischsalat:

      Natürlich darf eine Partei sagen das eine andere

      • @Captain Hornblower:

        Natürlich darf eine Partei sagen das eine andere verboten werden soll nur tun darf sie es nicht.



        Die AfD wollte auch dauernd die Grünen verbieten.

  • Und trotz solcher Aussagen sind über 20% bereit die Partei zu wählen. Oder ist es gerade deswegen? Sind die erst mal an der Macht ist es zu spät. Auf was wird gewartet?

    • @Captain Hornblower:

      Darauf, dass es zu spät ist.

  • Nicht nur aus radikaldemokratischer Sicht ist die Verfassung veränderlich, auch nach dem Grundgesetz sind Änderungen daran möglich. Nur der unveränderliche Kern, das sind die Gliederung des Bundes in Länder, die grundsätzliche Mitwirkung der Länder bei der Gesetzgebung oder die in den Artikeln 1 und 20 niedergelegten Grundsätze, ist gemäß Artikel 79 Absatz 3 besonders geschützt:

    Andere Änderungen der Verfassung sind mit ausreichenden Mehrheiten also möglich und es ist völlig legal sich für solche Veränderungen einzusetzen. Erst Anfang des Jahres hat die alte parlamentarische Mehrheit eine Abwandlung der im Grundgesetz festgelegten Schuldenbremse beschlossen. Man müsste der Afd oder anderen also nachweisen, dass sei sich mit illegalen Mitteln für eine erzwungene Verfassungsänderung einsetzen und damit die geltende Verfassung brechen. Gegen derartige „Umsturzpläne“ sieht das Gesetz andere Schutzmaßnahmen vor.

    Die (Alt-)Parteien sollten ihren Herrschaftsanspruch nicht hinter dem Grundgesetz verstecken und die „linken“ Parteien stattdessen legale Spielräume für eine Demokratisierung von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft einsetzen.

  • "Bevor aus Worten Taten werden" ist allerdings der entscheidende Punkt. Vielfach wird ja angeführt, ein Verbot bringe ja nicht das Gedankengut aus den Köpfen. Politische Pädagogik ist aber nicht das Ziel eines Parteiverbots. Diese Leute mögen denken, was sie wollen,. Man muss sie jedoch daran hindern, ihre Gedanken in die Tat umzusetzen.

    • @PeterArt:

      Damit genau diese menschenverachtende Gedankengut nicht wieder an die Macht kommt, ist das Parteienverbot gedacht. Den Verfasser:innen des Grundgesetzes war durchaus bewusst, dass Faschismus und Nationalsozialismus nicht über Nacht aus den Köpfen der Menschen verschwinden würden und glaubten deshalb ein Instrument geschaffen zu haben, um diese zumindest von der Macht fernzuhalten. Offenbar hat man die Rechnung ohne die Union gemacht.

  • Sehr schön, dann wird es sicher nur noch wenige Jahre dauern, bis tatsächlich jemand etwas in die Wege leitet?!



    Es wird höchste Zeit. Darum sollten wir vielleicht "von unten" etwas mehr Unterstützung suchen. Nico Semsrott hat eine, meiner Meinung nach gut durchdachte Kampagne, gestartet:



    wonderl.ink/@pruef



    Die Idee ist, sich auf das Prüfen zu fokussieren, da das Verbot sowieso dem Verfassungsgericht überlassen ist. Denn dafür, dass nun endlich geprüft wird, ob eine Partei unter Verdacht (AfD oder auch andere) verfassungsfeindlich ist, sollte doch wirklich niemand falsch finden.



    Seht euch einfach mal das 30minütige Erklärvideo zur Idee an.

  • Seriös beurteilt man eine Partei nach ihrem Parteiprogramm. Danach nach den Anträgen ihrer Fraktionen in den Parlamenten, sowie den Aussagen ihrer gewählten Parteivorsitzenden und Parteisprechern.



    Ein Verbotsverfahren ist etwas ganz anderes als ein Verfassungsschutz-Gutachten. Zumal das letzte Verfassungsschutz-Gutachten nur aus öffentlichen Zitaten bestand. Bei einem rechtstaatlichen Verbotsverfahren bekämen alle Beteiligte Gelegenheit ihre Positionen darzustellen, und es müssen bei der abschließenden Bewertung auch entlastende Tatsachen berücksichtigt werden

  • Ehrlich gesagt, kann ich das Gerede vom Verbot nicht mehr hören. Vielleicht sollte man ja damit noch warten, bis Alice Weidel Kanzlerin ist?

    Spaß! Hätte man ein derartiges Verfahren vor Jahren angeschoben, als es diese ganzen Äußerungen ja auch schon gab, vielleicht wäre es dann jetzt so weit, dass die ihren Laden dichtmachen müssten.

    Man muss sich eben die Frage stellen, was es nach sich ziehen könnte, wenn man eine Partei verbietet, die in Sachsen-Anhalt bei 40 Prozent liegt. Sagen die Anhänger, Mitglieder und Funktionäre dann, na ja, kann man nichts machen, oder drehen die durch?

    Wer eine vernünftige Antwort weiß, kriegt ein Hähnchen von City-Chicken aus der Sonnenallee.

  • Das ist ja das absurde an der Diskussion um das Verbot der gesichert rechtsextremen Partei. Die Menschen- und Verfassungsfeindlichkeit wir allein schon in den öffentlichen Reden und Stellungnahmen ihrer Vertreter in allen Gremien von Bundestag bis hin zum Ortsrat offenbar, dass nur zu erahnen ist, was nichtöffentlich gesprochen wird.

    Warum bisher kein Verbotsverfahren angestrengt wurde, erschließt sich mir nicht. Selbstverständlich kann dies scheitern und die AfD bleibt erlaubt, ohne Verfahren bleibt sie aber in jedem Fall.

    Auch das Argument, es würde der AfD nützen, schlüge das Verfahren fehl, hat in meinen Augen keine Gültigkeit. Den größten Nutzen hat die AfD bisher aus der Übernahme ihrer Positionen durch vor allem die Union aber auch die anderen Parteien gezogen.

    • @Flix:

      Das Hauptproblem ist der fehlende politische Wille der Union, präziser: der derzeitigen Unionsspitze. Man fürchtet den Zorn der AfD-Anhänger, die ihre geliebte Nazibutze dann nicht mehr wählen können. Leider ist die Thematik der Verfassungsfeindlichkeit nicht relevant, sondern es geht rein um Parteitaktik. Leider ist die Union auch hier einmal mehr komplett auf dem Holzweg, Opfer ist ohnehin so gut wie jeder AfD-Anhänger und -wähler.



      Und wie gut das angebliche Wegregieren mit ach so plausibler Unionspolitik funktioniert sieht man ja in den Umfragen.

      • @FtznFrtz:

        Sehe ich ähnlich, ich wobei ich nur noch darauf warte, dass irgendjemand aus der Union die AfD durch Einbindung zum Quietschen bringen möchte.