Wahlen in den Niederlanden: Robs Meisterprüfung
Die linksliberale D66 gewinnt enorm hinzu und dürfte die Regierungsbildung bestimmen. Ganz unumstritten ist ihr Parteichef aber nicht.
M it einer Richtungsentscheidung hat die niederländische Wählerschaft dem Rechtspopulisten Geert Wilders Grenzen aufgezeigt. Sein Kabinett, ohnehin ein fragiles Bündnis, zerbrach nach wenigen Monaten am Dauerstreit über Migration. Am Mittwoch nun triumphierten die Parteien der Mitte – sie dürften nun die nächste Regierung stellen. Einig sind sie sich vor allem in einem Punkt: Mit Wilders’ Ein-Mann-Partei, die im Wesentlichen aus ihm selbst und einem X-Account besteht, soll es künftig keine Zusammenarbeit geben.
Am deutlichsten wurde Rob Jetten, Chef der linksliberalen D66, der die progressive Stimmung im kleinen Königreich derzeit am besten verkörpert. „Die Wähler:innen haben nach zwanzig Jahren genug von Miesepetrigkeit und Hass. Sie haben nichts erreicht“, hielt er dem wegen Diskriminierung verurteilten Wilders entgegen. Tatsächlich war das Land nach den politischen Morden an dem Rechtspopulisten Pim Fortuyn im Jahr 2002 und dem Filmemacher Theo van Gogh weit nach rechts gerückt. Wilders forderte Grenzkontrollen, die Schließung aller Asylunterkünfte und einen „Nexit“ aus der EU – inklusive Rückführung ukrainischer Geflüchteter.
Rückhalt bekam er von einer Phalanx rechter Medien. Rechtspopulistische Sender schießen seit Jahren im Dauerfeuer auf alles, was nach linksliberal riecht. Und der verschwörungsgläubige Kanal „Ongehoord Nederland“ verbreitet täglich pro-russische Narrative.
Das vergiftete Klima kulminierte zuletzt in rechtsextremen Ausschreitungen im Regierungsviertel von Den Haag: Eine Stürmung des Parlaments konnte verhindert werden, ein Polizeiauto brannte, und bei D66 flogen die Steine durch die Fenster.
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Eines der größten Talente seiner Generation
Eben diese D66 hat nun am meisten Stimmen hinzugewonnen und ihre Sitze in der zweiten Kammer des Parlaments verdreifacht. Einziger Wermutsropfen: Geert Wilders’ Partei liegt bei gleichzeitigen Verlusten in den Hochrechnungen inmmer noch fast gleichauf. Für Rob Jetten ist es dennoch die politische Meisterprüfung. Der 38-Jährige gilt als eines der größten Talente seiner Generation auf der progressiven Seite des politischen Spektrums. Er will mit Tatkraft die drängendsten Probleme des Landes – Wohnungsnot, Integrationsprobleme, Klimapolitik – anpacken und denkt dabei groß: Er will im Kampf gegen die Wohnungsnot zehn neue Städte bauen.
Gleichzeitig spricht er Klartext, auch über Migration – nicht immer elegant. Illegale Flüchtlinge bezeichnete er einmal als „verfaulte Äpfel“, die man aussortieren müsse. Nun steht er vor der wohl schwierigsten Aufgabe seiner Karriere: Die Linksliberalen, Christdemokraten, Rechtskonservativen und geschwächten Grünen an einen Tisch zu bringen – für ein Allparteien-Bündnis gegen Geert Wilders.
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