Der doppelte Irrtum der Jungen Union: Renten lassen sich nicht kürzen
Die Junge Union will ab 2031 das Rentenniveau absenken. Dabei reicht die Rente schon heute kaum noch. Das verprellt die WählerInnen.
A uf den ersten Blick erscheint es verständlich, dass die Junge Union über den eigenen Kanzler entsetzt ist: Sie hat ausgerechnet, dass es 118 Milliarden Euro zusätzlich kosten würde, wenn die Renten auch nach 2031 bei mindestens 48 Prozent des Nettolohns liegen sollen. Denn klar ist, dass diese 118 Milliarden Euro von der jungen Generation aufgebracht werden müssen. Sie sind die künftigen Arbeitnehmer, die für die Alten zahlen.
Trotzdem liegt die Junge Union falsch, wenn sie jetzt den Aufstand probt. Der erste Irrtum ist rein strategisch: Die Union würde wichtige Wählergruppen verlieren, wenn sie bei der Rente kürzt. Bei der Bundestagswahl erzielte die Union bekanntlich nur 28,6 Prozent, aber gerade bei den Älteren schnitt sie besser ab. Bei den über 70-Jährigen kam die Union auf 43 Prozent und bei den 45- bis 69-Jährigen immerhin auf 33 Prozent. Bei diesen Älteren kommt es aber nicht gut an, wenn die Rente in Gefahr gerät.
Nun könnte man argumentieren, dass die heutigen Älteren gar nicht gemeint sind, wenn über denkbare Rentenreformen ab 2031 debattiert wird – weil die meisten dann längst in Rente sind. Aber diese feine zeitliche Unterscheidung ist vielen WählerInnen nicht zu vermitteln, wie die Erfahrung lehrt. Kanzler Merz ist daher alarmiert. Auf dem „Deutschlandtag“ der Jungen Union warnte er am Samstag: „Glaubt jemand ernsthaft, dass wir einen Unterbietungswettbewerb gewinnen? Wer bietet das niedrigste Rentenniveau?“
Die Junge Union irrt sich aber nicht nur strategisch, sondern auch rein faktisch, wenn sie bei den Renten kürzen will. Da lässt sich nämlich nichts sparen. Für Durchschnittsverdiener liegt die Rente derzeit nach 45 Versicherungsjahren und Vollzeitjob bei ganzen 1.500 Euro. Davon kann niemand leben. Würde die Rente noch weiter sinken, würde sich jede ArbeitnehmerIn verständlicherweise fragen, weswegen sie eigentlich einzahlen soll.
Merz hat recht: Statt an der eigenen Regierung zu sägen, sollte die Junge Union lieber Reformvorschläge machen, die tatsächlich funktionieren. Das könnte spannend werden.
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