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Der doppelte Irrtum der Jungen UnionRenten lassen sich nicht kürzen

Ulrike Herrmann

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Ulrike Herrmann

Die Junge Union will ab 2031 das Rentenniveau absenken. Dabei reicht die Rente schon heute kaum noch. Das verprellt die WählerInnen.

Junger Mann, der altem Mann die Rente nicht gönnt: JU-Chef Johannes Winkler mit Kanzler Merz beim Deutschlandtag der Jungen Union Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

A uf den ersten Blick erscheint es verständlich, dass die Junge Union über den eigenen Kanzler entsetzt ist: Sie hat ausgerechnet, dass es 118 Milliarden Euro zusätzlich kosten würde, wenn die Renten auch nach 2031 bei mindestens 48 Prozent des Nettolohns liegen sollen. Denn klar ist, dass diese 118 Milliarden Euro von der jungen Generation aufgebracht werden müssen. Sie sind die künftigen Arbeitnehmer, die für die Alten zahlen.

Trotzdem liegt die Junge Union falsch, wenn sie jetzt den Aufstand probt. Der erste Irrtum ist rein strategisch: Die Union würde wichtige Wählergruppen verlieren, wenn sie bei der Rente kürzt. Bei der Bundestagswahl erzielte die Union bekanntlich nur 28,6 Prozent, aber gerade bei den Älteren schnitt sie besser ab. Bei den über 70-Jährigen kam die Union auf 43 Prozent und bei den 45- bis 69-Jährigen immerhin auf 33 Prozent. Bei diesen Älteren kommt es aber nicht gut an, wenn die Rente in Gefahr gerät.

Nun könnte man argumentieren, dass die heutigen Älteren gar nicht gemeint sind, wenn über denkbare Rentenreformen ab 2031 debattiert wird – weil die meisten dann längst in Rente sind. Aber diese feine zeitliche Unterscheidung ist vielen WählerInnen nicht zu vermitteln, wie die Erfahrung lehrt. Kanzler Merz ist daher alarmiert. Auf dem „Deutschlandtag“ der Jungen Union warnte er am Samstag: „Glaubt jemand ernsthaft, dass wir einen Unterbietungswettbewerb gewinnen? Wer bietet das niedrigste Rentenniveau?“

Die Junge Union irrt sich aber nicht nur strategisch, sondern auch rein faktisch, wenn sie bei den Renten kürzen will. Da lässt sich nämlich nichts sparen. Für Durchschnittsverdiener liegt die Rente derzeit nach 45 Versicherungsjahren und Vollzeitjob bei ganzen 1.500 Euro. Davon kann niemand leben. Würde die Rente noch weiter sinken, würde sich jede ArbeitnehmerIn verständlicherweise fragen, weswegen sie eigentlich einzahlen soll.

Merz hat recht: Statt an der eigenen Regierung zu sägen, sollte die Junge Union lieber Reformvorschläge machen, die tatsächlich funktionieren. Das könnte spannend werden.

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Ulrike Herrmann
Wirtschaftsredakteurin
Der Kapitalismus fasziniert Ulrike schon seit der Schulzeit, als sie kurz vor dem Abitur in Gemeinschaftskunde mit dem Streit zwischen Angebots- und Nachfragetheorie konfrontiert wurde. Der weitere Weg wirkt nur von außen zufällig: Zunächst machte Ulrike eine Banklehre, absolvierte dann die Henri-Nannen-Schule für Journalismus, um anschließend an der FU Berlin Geschichte und Philosophie zu studieren. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin der Körber-Stiftung in Hamburg und Pressesprecherin der Hamburger Gleichstellungssenatorin Krista Sager (Grüne). Seit 2000 ist sie bei der taz und schreibt nebenher Bücher. Ihr neuester Bestseller heißt: "Das Ende des Kapitalismus. Warum Wachstum und Klimaschutz nicht vereinbar sind - und wie wir in Zukunft leben werden". Von ihr stammen auch die Bestseller „Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ (Piper 2012), „Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen“ (Piper 2015), "Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung. Die Krise der heutigen Ökonomie - oder was wir von Smith, Marx und Keynes lernen können" (Piper 2018) sowie "Deutschland, ein Wirtschaftsmärchen. Warum es kein Wunder ist, dass wir reich geworden sind" (Piper 2022).
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1 Kommentar

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  • Als Rente müsste eigentlich mindestens das, was eingezahlt wurde, mit dem üblichen Zinssatz für 30-jährige Staatsanleihen verzinst, ausgezahlt werden. Im Prinzip könnte jeder für sich selbst ausrechnen, welche Rente dabei herauskäme, wenn man für die Dauer der Rentenzahlung die durchschnittliche Lebenserwartung bei Renteneintritt annähme. Die meisten werden wohl daran scheitern, so etwas mit Hilfe einer Tabellenkalkulation auszurechnen.

    Was mich aber bei der Jungen Union wundert: Eine Absenkung des Rentenniveaus wird ja irgendwann auch diejenigen treffen, die sich jetzt durch die Einzahlungen ins Rentensystem (über Beiträge oder Steuern) für besonders belastet halten. Wie wollen diejenigen dann ihre eigene Rente finanzieren? Meint da wer, alle könnten bis zum 75. Geburtstag gemütlich im Büro sitzen? Glaubt jeder von denen, zu den obersten 10% der Einkommensverteilung zu gehören und bis zum Renteneintritt seine erste Million zusammengespart zu haben? Da kann ich nur viel Glück wünschen. Ich würde eher höhere Rentenbeiträge akzeptieren und versuchen zu verhindern, dass zu viele Gutverdiener jetzt in den vorgezogenen Ruhestand geschickt werden, denn deren Geld wird fehlen.