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Die FamilienunternehmerDeutschlands gefährlichste Lobbyorganisation

Erik Peter

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Erik Peter

Schon lange vor der Hinwendung zur AfD hat der Verband der Familienunternehmer Demokratie und Sozialstaat untergraben. Gut, dass nun hingeschaut wird.

Die Familienunternehmer sind gut vernetzt, bis in die hohe Politik. Hier Friedrich Merz mit der Präsidentin Marie-Christine Ostermann im Juni 2025 Foto: Political Moments/imago

E s ist eine gute Nachricht: Der Verband der Familienunternehmer hat die Brandmauer zur AfD offiziell eingerissen. Bei einem parlamentarischen Abend im Oktober hatte die Lobbyorganisation erstmals einen Abgeordneten der rechtsextremen Partei eingeladen. Das bis dato existierende „Kontaktverbot“ auf Bundesebene sei damit aufgehoben worden, so Verbandspräsidentin Marie-Christine Ostermann. Mit einem Hauch an Rest-Scham erklärte sie, man wolle die Partei inhaltlich „stellen“ und wünsche sich „keine Regierung mit AfD-Beteiligung“. Ernst nehmen muss man diese Aussage freilich nicht.

Man kann an dieser Stelle empört aufschreien und darauf verweisen, wie sich die deutsche Wirtschaft Anfang der 1930er Jahre Hitler unterwarf. Man kann, ja muss darauf verweisen, wie groß auch heutzutage die Gefahr ist, dass ein Bündnis von Konzernen und Faschisten die Demokratie in die Zange nimmt.

Aber man kann auch die positive Seite des Tabubruchs sehen: Endlich wird über einen Verband geredet, der nicht erst mit seiner Hinwendung zur AfD, sondern seit jeher daran arbeitet, Demokratie und Sozialstaat zu untergraben. Der Verband der Familienunternehmer ist eine der schädlichsten Lobbyorganisationen des Landes. Öffentlich wahrgenommen oder gar kritisch beäugt wurde er dagegen bislang kaum.

Das liegt nicht zuletzt an der Anmaßung des Namens, der suggeriert, als wären hier Friseurgeschäfte und Dönerläden versammelt. In voller Aufplusterung wird behauptet, man repräsentiere 180.000 Unternehmen, dabei sind nur 6.500 tatsächlich Teil des Verbandes – 0,2 Prozent der familiengeführten Betriebe. Eine Million Euro Jahresumsatz ist die Voraussetzung für die Mitgliedschaft.

Versammeltes Großkapital

Während der Verband der Familienunternehmer seine Strukturen zu verhüllen versuchen, haben zivilgesellschaftliche Recherchen zu Tage befördert, dass ein großer Teil der vermeintlich mittelständischen Mitgliedsunternehmen Milliardenumsätze haben. Dabei sind fast alle gängigen Marken einer deutschen Fußgängerzone, von Deichmann über Fielmann, aber eben auch Henkel oder Dr. Oetker. Das Großkapital, getarnt als ehrliche Mittelständler. Dass nun einige austreten, wie etwa Rossmann, Vorwerk oder Fritz-Kola ist immerhin ein Anfang.

Die Politik hat sich diesen Etikettenschwindel seit jeher gefallen lassen. Ruft der Verband etwa zu seinen Familienunternehmer-Tagen, defilieren Ver­tre­te­r:in­nen von CDU bis Grüne demütigst vorbei. Zum nächsten Treffen dieser Art im kommenden Jahr sind allein drei Mi­nis­te­r:in­nen der Bundesregierung sowie die Spitzenkandidaten für das Amt des baden-württembergischen Ministerpräsidenten angekündigt.

Noch im Juni hatte Kanzler Friedrich Merz (CDU) auf dem Verbandstreffen das Engagement des Verbandes gewürdigt. In seiner Rede beklagte er die „steuerlichen Lasten“, versprach, die „Wettbewerbsfähigkeit“ der Unternehmen zu stärken und beklagte zugleich die außer Kontrolle geratenen „Lasten durch die sozialen Sicherungssysteme“. Merz als Kanzler der Reichen, nicht der Bür­ge­r:in­nen – zum Skandal taugte das nicht.

Zu den Dauergästen gehörte seit Jahren auch der ehemalige FDP-Chef Christian Lindner, der nie verheimlichte, für wessen Interessen er Politik betrieb. Dass beim aktuellen Bedeutungsverlust der Neoliberalen nun die AfD diesen Platz einnimmt, ist aus Logik des Verbandes folgerichtig. Wirtschaftspolitisch unterscheiden sich beide Parteien kaum, beide folgen einem aggressiven Neoliberalismus, der die Umverteilung von unten nach oben befördert. Für die Familienunternehmer ist eine immer stärker werdende AfD keine Bedrohung, sondern Verheißung.

Verhinderer von Erbschafts- und Vermögenssteuer

Was sich die Politik von der Wirtschaftslobby hat diktieren lassen, ist derweil ein Teil der Erklärung für den Aufstieg der AfD. So waren es vornehmlich die Familienunternehmer sowie die von ihnen unabhängige, aber nicht weniger problematische Stiftung Familienunternehmen, die mit aggressivem Lobbying dafür sorgten, dass seit der Erbschaftsteuerreform 2008 schwerreiche Industrielle ihr Vermögen ganz leicht steuerfrei vererben können. Auch im Kampf gegen die Vermögensteuer, gegen Umweltstandards oder das Lieferkettengesetz macht der Verband seinen gesellschaftsschädigenden Einfluss, abseits demokratischer Kontrolle, fortwährend geltend.

Die reichsten Deutschen, die fast alle aus Unternehmerdynastien stammen, sichern sich über diese Lobbyarbeit ihre Privilegien und sorgen somit dafür, dass der so ausgeplünderte Staat letztlich bei Bildung, Integration und sozialer Sicherung kürzen muss. Neiddebatten, die sich stets nach unten orientieren, der Verlust kollektiver Strukturen und Solidarität sind die Folge und bilden die Grundlage für den Aufstieg der AfD.

Wer sich nun also über einen gefährlichen Tabubruch des Verbandes beklagt, darf dabei nicht stehen bleiben. Gefährlich ist auch der Verband selbst, und zwar schon lange, mit allem, was er tut.

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Erik Peter
Politik | Berlin
Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".
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5 Kommentare

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  • Dr. Oetker ist nicht Mitglied in dem Verband - auch wenn das in den letzten Tagen häufig so berichtet wurde. Bitte ändern!

    www.oetker.com/de/...amilienunternehmer

  • Man "wünsche sich „keine Regierung mit AfD-Beteiligung“. Vielleicht bin ich einfach nur ein total misstrauischer Mensch - aber ich glaube der Dame in Pink kein Wort. Ich bin über den Kuschel-Kurs dieses Verbandes auch nicht besonders verwundert oder gar erschüttert. Was mich aber erschüttert ist, dass die Wähler dieser Partei nicht kapieren wollen, dass sie es sind, die bei einer "Machtübernahme" durch die AfD besonders werden leiden müssen.

  • Wieso war Fritz Cola überhaupt in diesem Verein?

  • "Man kann an dieser Stelle empört aufschreien und darauf verweisen, wie sich die deutsche Wirtschaft Anfang der 1930er Jahre Hitler unterwarf. "

    "Die deutsche Wirtschaft" - lässt man mal zur Beschreibung der tatsächlichen Kräfteverhältnisse diese Pauschalisierung stehen -

    unterwarf sich nicht Hitler.

    Sie waren, wofür Hitler nor die Projektionsfläche war.

  • Danke für den Artikel! Wenn man der Meinung ist, dass in Deutschland etwas grundsätzlich nicht in Ordnung ist und dringenst geändert werden muss, dann ist es das Hofieren der Reichen. Die Parteien, für die Gerechtigkeit ein Schimpfwort ist, solange es die anderen betrifft, haben das bisher nicht kapiert und sind wesentlich mit Schuld am Abstieg von Land und Gesellschaft. Kapiert haben das bisher auch auch von ihren Wählern nur die von der FDP. Die SPD sägt gerade am eigenen Ast und wann merken die CD/SU-Wähler, dass sie gegen ihre eigenen Interessen votieren? ...