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Ostermontag abschaffen?Ohne wirklichen Nutzen

Simon Poelchau

Kommentar von

Simon Poelchau

Eine bekannte Unternehmerin will den Ostermontag abschaffen – eine alte Forderung. Doch Feiertage sind nicht das Problem, sondern mangelnde Innovation.

Die Trumpf-Chefin will an Ostern ran Foto: Hassan Ammar/ap

D ie Ma­na­ge­r*in­nen und Lob­by­is­t*in­nen des Landes sind echt nicht kreativ. Geht es um Lösungsvorschläge für die Wirtschaftskrise, kommt von ihnen immer die alte Leier: Neben niedrigeren Steuern, Bürokratie- und Energiekosten wünschen sie sich vor allem eines – ihre Beschäftigten sollen mehr arbeiten. So verwundet es nicht, dass wieder einmal die Forderung nach der Abschaffung eines Feiertages die Runde macht.

Geht es nach Nicola Leibinger-Kammüller, dann soll mit dem Ostermontag ausgerechnet einer der höchsten christlichen Feiertage im Namen der deutschen Industrie dran glauben. Das forderte die Chefin des Maschinenbauers Trumpf in einem Interview mit den Stuttgarter Nachrichten, in dem sie auch den umstrittenen Verband die Familienunternehmer wegen dessen Flirt mit der AfD in Schutz nahm. Dafür bekam der Lobbyverband viel Gegenwind auch aus der Wirtschaft.

Nichtsdestotrotz ist Leibinger-Kammüllers Forderung nach Abschaffung eines Feiertages durchaus eine ernstzunehmende Drohung für die Beschäftigten des Landes. So sprechen sich auch die DIHK oder die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer dafür aus.

Doch wäre deren Effekt aufs Wirtschaftswachstum maximal überschaubar. Selbst nach Berechnungen des arbeitgebernahen Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) bringt ein zusätzlicher Werktag lediglich 0,2 Prozent mehr Wirtschaftswachstum. Das gewerkschaftsnahe Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung hingegen sieht in einer Studie überhaupt gar keine Belege, dass weniger Feiertage die Wirtschaft stärken.

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Schließlich gibt es gerade in einem Technologieland wie Deutschland weitaus wichtigere Faktoren fürs Wirtschaftswachstum als die reine Arbeitszeit. Weniger Feiertage können sogar die Produktivität senken, weil die Beschäftigten weniger Zeit zur Erholung haben. Vor allem aber bedarf es für ein nachhaltiges Wachstum technischer Innovationen. Doch da müssen die Kon­zern­len­ke­r*in­nen erst mal selbst liefern. Die Wirtschaft ist ja auch in der Krise, weil sie die Transformation verschlafen haben. Ihre Beschäftigten sollten sie Ostermontag also lieber mal ausschlafen lassen.

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Simon Poelchau
Redakteur
ist für Ökonomie im taz-Ressort Wirtschaft und Umwelt zuständig.
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24 Kommentare

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  • Wir benötigen mehr Feiertage und mittelfristig ist eine Viertagewoche gesund für Unternehmen, Handel und alle Bürger!



    Es gibt in der Richtung viel Erfahrung, der "Deutschlandfunk" hat dazu Sendungen gemacht und das Ergebnis ist recht klar: eine Viertagewoche ergibt nicht weniger Umsatz sondern gesündere und zufriedenere Mitarbeiter! Zumindest wenn man es richtig macht. Beispiel in einer DLF Sendung war ein mittelständischer Handwerksbetrieb, der nur noch Mo-Do arbeitet und alle sind zufrieden damit...



    "Mehr arbeiten" ist eine genauso kurzsichtige und blödsinnige Forderung wie die nach "mehr Überwachung"! Da wird kein grundlegendes Problem damit gelöst, sondern Aktionismus ausgelöst. Manche können das nicht unterscheiden.

  • Für die Pflegeversicherung wurde bereits ein Feiertag abgeschafft.

  • "So verwundet es nicht..." :-D

    Genau. Wir sind weder verwundert noch verständnisvoll.

  • Bezahlt werden sollte die Mehrarbeit aber natürlich nicht, denn dann würde ja das ganze hübsche Wachstum wieder für gestiegene Lohnkosten draufgehen. Das wäre schrecklich!

  • Hier irrt der Autor leider. Wir haben eine Nachfragekrise, weil der Privatsektor spart und andere (Staat, Ausland) nicht gleich viel Schulden machen. Mit Schulden ist dabei nicht Geldleihen gemeint sondern Geldschöpfung. Diese findet sowohl bei Gewährung von Bankkrediten statt wie auch bei regulären Staatsausgaben.



    www.pufendorf-gese...d-mit-der-tastatur



    Das Wichtigste wären also nicht Innovationen sondern ein fettes staatliches Konjunkturprogramm, also möglichst vielen Menschen mehr Geld in die Hand geben: Mehr Grundsicherung, mehr Kindergeld, mehr Rentenzuschuss, klimafreundliche Kaufprämien usw. Unternehmen und Haushalte in D sparen jedes Jahr ca. 250 Mrd €. Da niemand sie daran hindern kann, muss der Staat in der gleichen Höhe jedes Jahr ein Defizit machen.



    www.relevante-oekonomik.com/



    Bei einer Nachfragekrise ist dabei auch keine höhere Inflation zu befürchten.

  • Nicht nur moralisch fragwürdig sondern auch kaum wirtschaftlich nachvollziehbar. Bayern hat die meisten Feiertage in Deutschland, ist trotzdem das wirtschaftlich stärkste Bundesland.



    Das längere Arbeiten ist kein Selbstzweck, sondern die Effizienz der Arbeit ist zu hinterfragen.



    Offenbar mal wieder ein Schwarzer-Peter-Spiel der Unternehmer, die viele Fehler in der Führung ihrer Geschäfte begangen und Erfolge eingebüßt haben. Wer ist schuld? Natürlich der faule Arbeitnehmer, nach dem Flüchtling und dem Bürgergeldempfänger der dritte in der Schwachheitspyramide, dem es natürlich auf Kosten anderer viel zu gut geht.

  • Wenn man unbedingt Feiertage abschaffen will dann bitte welche die nicht bundesweit gelten um es etwas einheitlicher zu machen und vor allem fair für alle im ganzen Land.

  • Warum auch nicht noch den Mindesturlaub kürzen? 20 Tage sind im Vergleich zu den USA und Japan doch viel zu viel! Offenbar ist die Produktivität der deutschen Arbeiter und Angestellten in den letzten 2 Jahren so dramatisch gesunken, dass jetzt jeder Arbeitgeber irrwitzige Forderungen stellen kann - ohne den Fehler bei sich zu suchen.

  • Ein Land, das schon immer am Exportüberschus erkrankt ist, braucht Binnennachfrage und Binneninvestition in die Zukunft (Infrastruktur des ÖPNV, Energie, Digitalisierung, ...).



    Und keine ideenlose Lohnsenkung durch die Hintertüre. Bayern mit seinen meisten Feiertagen macht es bekanntlich vor, wohin es auch gehen könnte.



    Nicht nur Ostern, auch Western!

  • Was man wirklich mal anpassen sollte ist die unterschiedliche Anzahl von Feiertagen. Es sollte bundeseinheitlich die gleichen sein. Denn die Nebeneffekte, dass Einkaufswütige dann in Nachbarbundesländern einfallen oder Firmen dort wegen Feiertag nicht arbeiten können braucht man auch nicht.

  • Ich habe kein Problem mit der Abschaffung einiger Feiertage. Diese sind an christliche Traditionen angelehnt, da diese aber in weiten Teilen der Bevölkerung abgelehnt werden, bzw. gar nicht gewusst wird WARUM es diesen Feiertag überhaupt gibt, können zumindest einige davon ruhig abgeschafft werden. Warum es dabei ausgerechnet den Ostermontag treffen soll, verstehe ich aber nicht. Dies ist in der Tat der höchste christliche Feiertag des Jahres, noch vor den Weihnachtsfeiertagen. Da gibt es andere Tage, die sich deutlich eher eignen würden...

    • @MarsiFuckinMoto:

      Sie können doch einfach freiwillig an unerwünschten Feiertagen weiter arbeiten und dann auch vollkommen selbstbestimmt auswählen, welche sich am besten eignen.

    • @MarsiFuckinMoto:

      Protestanten werden eher Karfreitag nennen, Katholiken eher Ostersonntag. Der Montag ist wie bei Pfingsten durchaus ansprechbar.



      Wir brauchen aber insgesamt eher mehr als weniger frei Tage zur gemeinsamen Besinnung oder für Familienbesuche oder was auch immer.



      Etwa der 8. März bundesweit wäre doch schön.

  • Bayern hat die meisten Feiertage aller Bundesländer und ist trotzdem das mit abstand produktivste. Also kann es nicht an den Feiertagen liegen !

    • @Günter Witte:

      Die produktivsten Bundesländer sind Hamburg und Bemen gefolgt von Hessen und Baden Württemberg. Generell schneiden Bundesländer mit größeren ländlichen Regionen bei dieser Art der Auswertung erwartbar schwächer ab, so auch das gute Bayern, obwohl man sich dort wie in ihrem Kommentar zu begutachten für den Nabel der Welt hält.

  • Jaja, schon schwer zu ertragen, wenn man seinen Shareholdern - und sich selbst - mal keine Millionenboni zahlen kann, da muss dann halt der nächste Feiertag dran glauben. Oder wir machen jetzt doch endlich mal ernst mit Digitalisierung, Modernisierung und Neuaufstellung im Weltmarkt. Denn sonst wird es frühestens in drei Jahren besser, vorausgesetzt, die USA hat bis dahin noch freie Wahlen.

    • @ANonnyMouse:

      Trumpf muss keine Investoren an der Börse glücklich machen. Insofern läuft Ihr Kommentar ins Leere.



      Was schlagen Sie vor, wie "wir" jetzt doch "endlich mal ernst mit Digitalisierung, Modernisierung und Neuaufstellung im Weltmarkt" machen?



      Viele deutsche Unternehmen tun das vermutlich bereits. Nur nicht mit Investitionen in Deutschland.

  • Selbst wenn alle 16 Stunden an 7 Tagen pro Woche für 10€/h arbeiten, wird das nur die Reichen noch reicher machen.

    Die Manager wollen nur abkassieren, möglichst schnell möglichst viel. Dazu ist jedes Mittel recht. Der Wirtschaftsstandort Deutschland ist denen so egal wie der sagenumwobene Sack Reis.

    Denn sonst würden die ManagerInnen massiv gegen die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung kämpfen und massiv in zukunftsorientierte Technologien investieren.

    Aber es geht nur ums melken der Kuh so lange es geht.

    • @Gnutellabrot Merz:

      Der Kapitalismus - also im Klartext die Gier - läuft beim Umweltschutz, Klimaeinwirkung, Arbeitszeit un d Löhne, Sozial- und Gesundheitswesen - also in jeder Hinsicht zur Höchstform auf,

  • Ist das nicht die, die Arbeitsplätze abgebaut hat? Wie verträgt sich das rein logisch damit? Genau: mit Profitmaximierung bis das Blut spritzt. Es geht nicht um mangelnde Arbeitskraft, es geht darum, die Angestellten noch mehr auszubeuten.

    Das Problem ist ja, dass die Deutschen sich wirklich alle Arbeitnehmerrechte nehmen lassen (daher heißt es vermutlich Arbeit"nehmer", obwohl wir ja die Arbeit geben). Ich beobachte das auch jetzt noch in meiner Firma schon seit Jahren. Obwohl die Firma uns immer mehr wegnimmt - seit Anfang des Jahres das Jobticket - und jetzt auch noch Arbeitsplätze nach Indien verlagert, haben wir eine gewerkschaftliche Organisation von nicht mal 10%. Woraufhin unsere Firma nun die Tarifverhandlungen bombardiert und uns mit mehrjährigen Nullrunden und Urlaubsgeldverzicht beglücken will.

    Es ist zum Heulen wenn man bedenkt, mit wie viel Blut, Schweiß und Tränen diese Rechte mal erkauft wurden. Ich glaube, in Frankreich würden sich die Arbeit"nehmer" nicht so ruhig zur Schlachtbank führen lassen.

  • Und immer wieder die alte Laier vom Wirtschaftswachstum.



    Es ist nicht mehr zu ertragen.



    Weiter wie bisher, koste es, was es wolle.



    Und wenn nicht so, dann ebnet man schon mal den Weg für die "Alternative", wie 1933 mit den Nazis.

  • nicht nur mangelnde Innovation, auch mangelnde Kaufkraft. Denn wenn in Gänze die Kuafkraft gering ist, istr auch der Absatz innovativer Produkte gering, es kann lediglich zu Verschiebungen von Konsumausgaben führen, aber nicht zu Wachstum.



    Ohne steigende oder wenigstens gleichbleibende Kaufkraft kann auch keine Wirtschaftsbelebung erfolgen.



    Dass der Export schwächelt und auch nicht wieder ansteigen wird, kommt noch dazu...

    • @nutzer:

      Mit der Kaufkraft sprechen Sie einen guten Punkt an. Ich bin seit neun Jahren in der Schweiz. Hier ist auch nicht alles Gold, was glänzt. Aber verglichen mit der Schweiz ist der deutsche Staat erschreckend teuer für die Leute, die den Staat am Leben erhalten.



      Als junger Mensch, der nicht gerade eine Perspektive aufs obere Management hat, würde ich mir sehr genau überlegen, ein Leben lang in Deutschland hart zu arbeiten mit der Aussicht auf Grundsicherung im Alter, oder ob ich mir eine andere Perspektive suche.



      Das schliesst auch gut qualifizierte Einwanderer ein, für die Deutschland immer mehr zum Durchlauferhitzer zum Erwerb einer EU-Staatsbürgerschaft mutiert.

    • @nutzer:

      Völlig richtig! Wenn man aber auf die AfDP- und oder cdU-Baumschule für Ökonomie gegangen ist, versteht man sowas nicht.