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Brandmauer bei LandwirtenNiedersächsischer Bauernverband lädt AfD zu Diskussion ein

Das Landvolk, Niedersachsens größter Bauernverband, hat ein Podium angekündigt, auf dem auch ein AfD-Politiker sprechen soll. Trägt das zur Normalisierung der Partei bei?

Rechte schmeißen sich gern an Landwirte ran: Mann mit AfD-Weste bei Bauernprotest Foto: Imago

Der größte Bauernverband in Niedersachsen, das Landvolk, hat einen AfD-Politiker zu einer Podiumsdiskussion auf seiner Mitgliederversammlung eingeladen. In der Einladung zum „Polit-Talk“ am Donnerstag in Hannover steht neben den agrarpolitischen Sprechern der Landtagsfraktionen von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen auch der AfD-Politiker Alfred Dannenberg. In der Runde solle die „Agrarpolitik in Niedersachsen beleuchtet“ werden, heißt es in dem Schreiben, das der taz vorliegt.

„Solche Auftritte normalisieren eine Partei, die der Verfassungsschutz in Niedersachsen als rechtsextremen Verdachtsfall führt“, kritisierte der Agrarsprecher der Grünen im Landtag, Pascal Leddin. Die Strategie, die AfD in derartigen Diskussionen inhaltlich zu stellen, funktioniere nicht. Die Partei leugne sogar den Klimawandel. „Mit denen ist keine faktenorientierte Diskussion möglich. Mit der AfD zu diskutieren ist, wie einen Pudding an die Wand zu nageln.“

Er hätte die Veranstaltung am liebsten gemeinsam mit CDU und SPD boykottiert, sagte Leddin. „Aber nachdem klar war, dass die CDU bei der Zusage bleiben würde, wäre das Podium faktisch zu einer AfD-CDU-Runde geworden und das kam für mich nicht infrage.“ Das Landvolk hätte die AfD nicht einladen müssen, so der Grüne. Die Partei regiert in Niedersachsen nicht, sondern ist die kleinste Oppositionsfraktion. Das Landvolk hatte zuvor erklärt: „Unser Umgang mit der AfD beschränkt sich auf das protokollarisch gebotene Maß.“ „Protokollarisch geboten ist es, in einem Landtagsausschuss auf Fragen der AfD zu antworten. Aber nicht, sie einzuladen“, so Leddin.

Auch die agrarpolitische Sprecherin der SPD im Landtag, Karin Logemann, forderte das Landvolk auf, „den AfD-Vertreter vom Podium zu nehmen.“ Logemann wäre es auch am liebsten gewesen, die Veranstaltung gemeinsam mit CDU und Grünen zu boykottieren – wenn „wir uns einig gewesen wären“.

Keine Kritik von der CDU

Aber ein Sprecher der CDU-Landtagsfraktion schrieb nur, diese entscheide nicht über die Gäste der Landvolk-Mitgliederversammlung. Die CDU überlasse „die Deutungshoheit über die Zukunft der niedersächsischen Landwirtschaft nicht anderen“.

Mit der Kritik konfrontiert, teilte eine Sprecherin des Landvolks mit, der Verband habe „zu einigen Veranstaltungen“ zum Beispiel die agrarpolitischen Sprecher der im niedersächsischen Landtag vertretenen Parteien eingeladen – also ebenfalls die AfD.

Auch der Deutsche Bauernverband (DBV), bei dem das Landvolk Mitglied ist, hat schon die AfD zu Podien wie seinem „Agrarpolitischen Jahresauftakt“ 2023 und 2024 eingeladen. Der DBV antwortete nicht auf die Frage der taz, ob er die AfD weiterhin für die Veranstaltungsreihe einplant.

Der Verband der Familienunternehmer hatte vor Kurzem viel Kritik kassiert, weil er zu einem Parlamentarischen Abend die AfD eingeladen und seine bisherige „Brandmauer-Strategie“ aufgegeben hatte. Schließlich bezeichnete die Organisation die Einladung als Fehler.

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7 Kommentare

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  • Diese (Bauern) sind keine Getäuschten, sie machen mit.

  • Ich habe als Veranstalter eine Podiumsdiskussion, die live im Lokalfernsehen übertragen wurde, auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise 2015 eine Vertreterin der AfD eingeladen. Mit auf dem Podium war einer der bekanntesten Flüchtlingsbürgermeister Deutschlands, ein Flüchtling aus Afghanistan, der als vereidigter Dolmetscher bei Gericht arbeitete und ein ehemaliger Migrant aus Italien. Letzterer war am Intolerantesten.

    Pikanterweise war die AfD-Frau zugleich Mitglied von Amnesty International und zu dieser Zeit Kreisvorsitzende dieser Partei.

    Wenn ich mir heute im Rückblick diese Aufzeichnung anschaue, klang sie damals nicht anders als viele aus SPD und Union heute.

    Würde ich sie nochmals zu einem solchen Format einladen? Auf keinen Fall. Schaut man sich die Diskussion damals an und vergleicht sie mit den Auftritten einer Alice Weidel oder eines Timo Chrupalla, wird man gewahr, welche unheimliche Radikalisierung stattgefunden und wie der Hass Raum gewonnen hat.

  • Ein Plan analog zum project2025 liegt auch in einer Erfurter Schublade.



    Wer der afd eine Bühne bietet, fällt auf die Strategie der Partei rein, stellenweise Anschlussfähigkeit anzubieten, aber bei Regierungsbeteiligung dann die großen Räder der Demokratie zurückdrehen zu wollen

  • Es zeigt sich immer klarer: eine anti-demokratische Partei kann man nicht mit demokratischen Mitteln schlagen. Entweder man riskiert das Parteiverbot, oder nimmt ein Ende der FDGO in Kauf.

  • Ein Boykott der demokratischen Parteien wäre der richtige Weg gewesen, schade dass die CDU sich nicht dazu durchringen kann. Offenbar möchte sie sich die Option AfD weiter erhalten. Dieser CDU über den Weg zu trauen, ist kaum noch möglich.

  • Jetzt haben wir seit Jahren die Brandmauer und was hat es gebracht? Die Blauen spielen die Opferkarte und gewinnwen die Wähler.



    Olaf Palmer auch in seinem Wahlkampf mit dem Kandidaten der Afd diskutiert und die Wahl haushoch gewonnen.



    Wer immert das gleiche tut und ein anderes Ergebniss erwartet ist ein Idiot lt Einstein.

  • Auch hier hilft ein Blick in die Geschichte. Wenn man es wissen will, dann weiß man es auch.