Mosaiksteinchen

Eine historische Studie zum jüdischen Krankenhaus beleuchtet zugleich das Gesundheitswesen in Köln

Die Erforschung jüdischer Schicksale der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird meist erschwert durch den Verlust von Urkunden, Korrespondenzen, biografischen Dokumenten und anderen Quellen. Oft sind diese, wie die Menschen selbst, dem antisemitischen Terror der NS-Zeit zum Opfer gefallen.

Dies gilt auch für das bereits 1869 gegründete „Israelitische Asyl für Kranke und Altersschwache“, so der offizielle Name des auch bei nichtjüdischen Kölnern beliebten und damals hochmodernen „Jüddespidols“. Hier standen der Historikern Barbara Becker-Jákli, der langjährigen Mitarbeiterin im Kölner NS-Dokumentationszentrum, lediglich das Register von 1932 im Asyl Verstorbenen, ein Löffel und ein Teekännchen zur Verfügung. Hilfreich wäre da sicher das Archiv der Kölner Synagogen-Gemeinde gewesen.

Doch auch von diesem Archiv fehlt seit dem Pogrom vom 9. November 1938 jede Spur. Das Krankenhaus ließen die Kölner NS-Behörden 1942 räumen, Patienten, Ärzte und Pflegepersonal wurden in Konzentrationslager verschleppt. In die Gebäude des Asyls verlegte man das städtische Bürgerhospital.

Überlebende

Barbara Becker-Jákli stand vor einer schweren Aufgabe. Umso bemerkenswerter ist die Tatsache, dass der Wissenschaftlerin aufgrund akribischer Erforschung des Umfelds, das Überlebende in aller Welt mit einschließt, eine ebenso gründliche wie lebendige und an Bildmaterial reiche Darstellung gelungen ist. Die Biografien von über 100 Ärzten und 70 Schwestern gewinnen bei ihr Gestalt.

Besonders bemerkenswert ist das Schicksal des Chef-Gynäkologen Herbert Lewin, der nach einer Odyssee durch verschiedene KZs den Todesmarsch nach Theresienstadt überlebte und 1945 in Zusammenarbeit mit Oberbürgermeister Konrad Adenauer überlebende Häftlinge nach Köln zurückführte.

Nach 1945 wurde das teilweise zerstörte Asyl in der Ottostraße für einige Jahre Mittelpunkt der Jüdischen Gemeinde. Von 1951 bis 1995 diente es dem belgischen Militär als Hospital. 2003 begann dort die Synagogen-Gemeinde mit dem Bau eines mittlerweile vollendeten Zentrums für ihre sozialen Institutionen.

Pionierarbeit

Becker-Jákli forschte in in- und ausländischen Archiven und gelangte an Dokumente aus weit verstreutem Besitz. Die in die USA emigrierte Chirurgin Trude Schiff-Löwenstein übergab ihre gesamten Unterlagen zu Tätigkeit im Asyl und Exil. Eine besondere Kostbarkeit waren dabei die Fotografien ihres Mannes Hans Schiff, eines Schülers von Kölns berühmtem Fotografen August Sander. Auch die Krankenschwester Rosa Rauner hinterließ Fotografien und Unterlagen, die über 25 Jahre ihren Berufsalltag dokumentieren.

Das 528 Seiten starke Werk, das im Kern die Geschichte des jüdischen Krankenhauses beleuchtet, ist darüber hinaus einer der wichtigsten bisher erschienenen Beiträge zur Medizingeschichte und zum Gesundheitswesen in Köln. Dabei macht es auch auf Lücken aufmerksam – besonders im Blick auf die NS-Zeit. Es fehlen noch Biografien von Funktionsträgern und Medizinern, Detailstudien über Krankenhäuser und das Schicksal jüdischer Ärzte. Becker-Jáklis Buch stellt eine Pionierleistung dar, mehr als das: ein Standarswerk. Sie sollte Nachahmer in Deutschland finden. Denn ausführliche Darstellungen über jüdische Krankenhäuser gibt es bisher nur in Berlin und Breslau. Klaus Schmidt

Barbara Becker-Jákli: „Das jüdische Krankenhaus in Köln. Die Geschichte des Israelitischen Asyls für Kranke und Altersschwache 1869 bis 1945“. Emons Verlag Köln 2004, Euro 28,50