While my Guitar gently weeps

Les Paul oder Stratocaster? Alle Gitarristen stehen irgendwann vor dieser Gretchenfrage. Die Ausstellung „Strom-Gitarren“ im Technikmuseum bietet Anschauungsmaterial: Sie präsentiert die Geschichte der E-Gitarre und Fotos von Linda McCartney

VON GUIDO KIRSTEN

„I fucked you in New York“, soll sie der Legende nach Mick Jagger an den Kopf geworfen haben. Mit der wohl witzig gemeinten Frage „Kennen wir uns nicht irgendwoher?“ hatte der Stones-Sänger Linda McCartney auf einer Party Anfang der Siebziger begrüßt. Ihre Replik spiegelt sexuelle Libertinage und einen Rollenwechsel, durch den sich Frauen verstärkt auch als aktiven Part verstanden. Linda, die Paul McCartney 1969 heiratete, war zuvor eins der bekanntesten Groupies – und eine der wichtigsten Musik-Fotografinnen ihrer Zeit.

Ihre Fotografien begleiten die Ausstellung „Strom-Gitarren“, die jetzt im Deutschen Technikmuseum zu sehen ist. Ein glücklicher Zufall: Ursprünglich wollten die Organisatoren der Ausstellung nur ein paar ihrer Bilder präsentieren, die die Beatles bei den Aufnahmen zum „White Album“ zeigen. Schließlich wurde es dann doch das ganze Paket ihrer Fotos aus den Sechzigerjahren. Das hat der Ausstellung gut getan. So wird sie dem eigenen Anspruch gerecht, die Technikgeschichte der Kultur mit einer Kulturgeschichte der Technik zu verbinden. Intime Porträts von Helden der Gitarre wie Jimi Hendrix erzählen eben nicht nur sachlich vom Siegeszug des Instruments.

Die verschiedenen Stationen der Entwicklung der elektrifizierten Gitarre sind in großen, hängenden Schaukästen dokumentiert, die neben den Modellen auch ihre Erfinder und die – teilweise von Linda McCartney fotografierten – künstlerischen Nutznießer präsentieren. Der erste Kasten zeigt unter anderem die Rickenbacker „Frying Pan“ von 1932, die den Namen tatsächlich ihrer visuellen Ähnlichkeit mit einer Bratpfanne verdankt – eine mit Tonabnehmern ausgestattete Hawaii-Gitarre, die liegend gespielt und mit einem Metallröhrchen traktiert wurde.

Nach dem Erfolg der Rickenbacker folgte Gibson, eine Firma aus Michigan, die sich schon mit akustischen Gitarren einen Namen gemacht hatte. Ihre ersten elektrischen Modelle orientierten sich äußerlich noch stark am Vorbild der klassischen Konzertgitarre, obwohl der Resonanzkörper dank der Tonabnehmer-Technik überflüssig geworden war. Irgendwann wurde der in den Vierzigerjahren populäre Gitarrist Les Paul bei Gibson mit der Idee einer bauchlosen Gitarre vorstellig. Doch der damalige Firmenchef hatte nichts übrig für seinen Vorschlag.

Seine Ignoranz brachte die kalifornische Konkurrenz von Leo Fender ins Spiel. 1950 präsentierte der ursprüngliche Elektronikhersteller eine revolutionäre Gitarre: Die genial einfach gebaute Fender Esquire, heute als „Telecaster“ bekannt. An einen robusten Körper mit zwei Tonabnehmern war ein Hals angeschraubt, über den die Stahlsaiten gespannt waren. Das Modell war billig zu produzieren und einfach zu reparieren. Und dementsprechend erfolgreich.

Gibson war gezwungen, zu reagieren, und rief Les Paul zurück. Aus der Zusammenarbeit entwickelte sich 1952 die mittlerweile weltbekannte „Gibson Les Paul“. Diese Gitarre stellt bis heute neben der „Fender Stratocaster“ von 1954 den unhintergehbaren Standard der E-Gitarre dar. Praktisch alle Gitarristen stehen irgendwann vor der Gretchen-Frage: Les Paul oder Stratocaster? Nicht immer wird sie klar entschieden. Eric Clapton zum Beispiel popularisierte einerseits die Les Paul – und ist inzwischen bekannter und gesponserter Stratocaster-Spieler.

In den Sechzigerjahren folgten dann nur noch mehrsaitige und doppelhälsige Experimente, die nie über ein Nischendasein hinausgekommen sind. Und danach: Kuriositäten aus transparenten Körpern und eine Gitarre mit integriertem Verstärker und Lautsprecher, die schon aufgrund ihres Gewichts kein Verkaufsrenner wurde. Trotzdem ist es nett, diese fragwürdigen Innovationen in den Schaukästen bewundern zu können.

Weiterhin bietet die Ausstellung Räume, die den Club als typischen Auftrittsort der neuen, elektrisch verstärkten Musik zeigen. Hier spielte der Jazzer Charlie Christian die ersten E-Gitarren-Soli, hier startete der Siegeszug des Rhythm & Blues, der schließlich im Rock ’n’ Roll mündete. Im nächsten Raum wird der Bau eines E-Basses nachgezeichnet und dahinter Apparaturen zur Perfektionierung der Klangqualitäten vorführt. Der so genannte „Shop“ schließlich, in dem historische, aktuelle und ausgefallene Exemplare ausprobiert werden können, macht die Ausstellung für die Gitarristen im Publikum vollends zum Fest.

Ein nicht kleiner Teil von diesen wird wahrscheinlich in den Sechzigerjahren sozialisiert sein, zweifellos dem erfolgreichsten Jahrzehnt der E-Gitarre, dem ja auch die Bilder Linda McCartneys nachgehen. Dieser Dekade folgten Tendenzen des Verschwindens: Immer mehr Bands tauchten auf, die programmatisch auf Gitarren verzichteten und auf Synthesizer und später Computer umstiegen. Diese Tendenz eröffnete – neben dem Punk – auch Musikerinnen größere Spielräume. Verstärkt waren Frauen nun nicht mehr nur vor, sondern auch auf den Bühnen zu finden.

Für die Swingin’ Sixties aber gilt beides: sexuelle Befreiung einerseits, männlich dominierte Musik andererseits. Auch diese Ambivalenzen werden im Deutschen Technikmuseum durch die Fotografien und die Geschichte der Linda McCartney dokumentiert.

Bis 15. Dezember. Deutsches Technikmuseum Berlin, Trebbiner Str. 9, Kreuzberg