REINHARD WOLFF ÜBER NORWEGENS RECHTSRUCK UND SKANDINAVIEN
: Moralisch zweite Liga

Ausgerechnet Norwegen. Was dem französischen Front National oder der Dänischen Volkspartei noch nicht gelungen ist, hat die ausländerfeindliche Fortschrittspartei in Norwegen geschafft. Sie wird voraussichtlich mitregieren. Die Konservativen bekommen sonst keine Mehrheit zusammen und in Norwegen gilt die Partei mittlerweile als kabinettstauglich. Und das nicht, weil sie ihre politische Agenda geändert hätte.

Ihre rassistische Rhetorik etwas herunterzufahren – das hielt die Partei nach dem Massenmord durch ihr Exmitglied Anders Breivik zwar für angebracht. Die Parteivorsitzende Siv Jensen sieht nun keine „islamische Flut“ mehr heranrollen. Sie warnt vor „schleichendem Islamismus“. Und Ausländer als „Parasiten“ oder „Neandertaler“ zu beschimpfen überlässt man dem niederen Parteivolk.

Aber wenn in Norwegen kaum noch jemand bezweifelt, dass die Rechtspopulisten in eine Regierung passen, liegt das nicht an solchen Äußerlichkeiten. Ihre stramme ausländerpolitische Linie deckt sich – von wenigen Forderungen abgesehen – mit der einer Parlamentsmehrheit. Norwegen fehle nur noch „eine Mauer an den Grenzen, mit einbetonierten Glasscherben obendrauf“, klagt der Schriftsteller Jan Kjaerstad – nach acht Jahren Mitte-links-Regierung. Einst eine solidarische Gesellschaft, sei das Land zu einer Firma verkommen, die vor allem ihren auf Öl gegründeten Reichtum mehren und verteidigen wolle. Die Menschlichkeit bleibe auf der Strecke, moralisch spiele das Land nur noch in der zweiten Liga.

Mit dem Erfolg der Fortschrittspartei fällt nun auch die Schranke für Regierungsbeteiligungen anderer skandinavischer Parteien mit rigider Einwanderungspolitik – wie den Wahren Finnen, den Schwedendemokraten oder der Dänischen Volkspartei.

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