Landesgruppenchef Ramsauer: "Die CSU ist voller Wunder"

Peter Ramsauer überlegt noch, wen er für den CSU-Vorsitz wählen soll. "Mein Oberhirn hat mein Unterbewusstsein noch nicht befragt", sagt er - und bedauert den Abgang Stoibers.

Als CSU-Landesgruppenvorsitzender völlig zufrieden: Peter Ramsauer. Bild: dpa

taz: Herr Ramsauer, was machen Sie, wenn Edmund Stoiber am Samstag auf dem CSU-Parteitag wieder antritt?

Peter Ramsauer: Dann bin ich einer von vielen, bei denen das einen Überraschungseffekt auslöst. Aber die CSU war immer schon für Überraschungen gut. Das wäre zweifellos eine der größten in ihrer Geschichte.

Name: Peter Ramsauer Geburtstag und -ort: 10. Februar 1954, München

Beruf: Müller, Diplomkaufmann, seit 2005 CSU-Landesgruppenchef im Bundestag Lebensumstände: Verheiratet, vier Töchter

Besondere Kennzeichen: Trägt seit seiner Zait im Internat den Spitznamen "Ramses"

ENDSPURT IM MACHTKAMPF

Es ist ein Einschnitt in der bayerischen Geschichte: Am kommenden Wochenende wählt die CSU, die das Land seit Jahrzehnten mit absoluter Mehrheit regiert, einen neuen Parteivorsitzenden. Damit geht - aller Voraussicht nach - die lange, erfolgreiche Ära von Edmund Stoiber zu Ende, der seit 1993 bayerischer Ministerpräsident und seit 1999 auch CSU-Chef war. Der große Patriarch wurde im Januar zum Rückzug aus seinen Ämtern gedrängt. Zuvor hatte die Fürther Landrätin Gabriele Pauli eine "Stoiber muss weg!"-Kampagne gestartet und Bespitzelungsvorwürfe gegen Mitarbeiter Stoibers erhoben. Nun wird die Macht im Freistaat neu verteilt. So gut wie sicher ist, dass der bisherige Innenminister Günther Beckstein im Oktober Stoibers Nachfolge als Ministerpräsident antritt. Der 63-jährige Franke wurde bereits im Sommer von der CSU-Landtagsfraktion nominiert. Andere Kandidaten für das Amt des Regierungschefs gibt es nicht. Für den Parteivorsitz jedoch treten drei BewerberInnen an: Der bayerische Wirtschaftsminister Erwin Huber, Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer und Pauli. Eine Kampfabstimmung also: Eine Situation, die für die CSU neu und deshalb unkalkulierbar ist. Als Favorit gilt Huber - auch weil er von Beckstein unterstützt wird

Eine erfreuliche?

Ernsthafterweise kann niemand von einer solchen Entwicklung ausgehen, also verbietet sich auch jedes hypothetische Weitertheoretisieren.

Aber aus der CSU hört man nur noch überschwängliches Lob für Stoiber. Da fragt man sich doch automatisch: Wieso muss der gute Mann aufhören?

Das ist die hochgradige Dialektik, mit der die Partei mit manchen Dingen umgeht. Man kann das als Teil der politischen Kultur der CSU bezeichnen. Meine Partei steckt voller Wunder. Aber wenn man das alles mal wegtut, kann man nur sagen: Statt ihn jetzt mit Lobeshymnen zu überschütten, wäre es vielleicht besser gewesen, wenn man Edmund Stoiber die Gelegenheit gegeben hätte, seinen erfolgreichen Kurs in beiden Ämtern fortzusetzen.

Stoiber hätte also Ministerpräsident und Parteichef bleiben sollen?

Ich habe immer zu dem Beschluss gestanden, dass Stoiber in seinen Ämtern bleiben soll, den wir Anfang Januar im Parteipräsidium gefasst haben - so lange, bis die Grundlage für diesen Beschluss von der CSU-Landtagsfraktion in Bayern zertrümmert wurde.

So tauscht die CSU jetzt einen bewährten, mehrfachen Wahlsieger gegen zwei Landespolitiker aus, die auch schon über 60 sind. Wird das nicht unweigerlich zu einem Bedeutungsverlust für die Partei führen?

Nein. Wenn jetzt Günther Beckstein kommt als Ministerpräsident und Erwin Huber oder Horst Seehofer als Parteivorsitzender, ist in beiden Ämtern für gute Kontinuität gesorgt. Beckstein steht für das, was von der CSU als letzter verbliebener wirklich großer Volkspartei erwartet wird: Er hat eine bürgerliche Grundorientierung. Er steht für Sicherheit, Law and Order, ist konservativ und trotzdem fränkisch-liberal. Huber oder Seehofer haben beide außergewöhnlich hohe bundespolitische Kompetenz. Im Übrigen hat die CSU in ihrer Geschichte schon sehr gute Erfahrungen mit einer Ämtertrennung gemacht

worauf Sie bereits Anfang Januar hinwiesen, als Stoiber noch beide Ämter behalten wollte. Damit haben Sie ihn doch auch demontiert.

Nein. Das war erst unmittelbar nach Stoibers Bekanntgabe am 18. 1. 2007, dass er seine Ämter zur Verfügung stellen würde.

Nun ja, ich hatte nach Lektüre der Bild am Sonntag vom 7. Januar einen anderen Eindruck. Wie auch immer: Wissen Sie schon, wen Sie jetzt am Samstag als neuen Parteichef wählen werden?

Mein Oberhirn hat mein Unterbewusstsein noch nicht befragt, aber ich bin ziemlich sicher, dass dort eine gute Entscheidung für mich vorbereitet wird.

Da wären jetzt die Kriterien interessant. Seehofer wirbt mit seiner sozialen Kompetenz und warnt die CSU davor, dieses Feld zu vernachlässigen. Ist die Wahl eine Richtungsentscheidung?

Nein, da übertreiben Sie. Seehofer hat mit seinem Hinweis genauso recht wie Huber, wenn dieser sagt, man darf die Wirtschaftskompetenz nicht vernachlässigen. Es mag da oder dort unterschiedliche Nuancen geben. In der Summe stehen beide für eine CSU, in der sich der gewerkschaftsorientierte Arbeitnehmer genauso zu Hause fühlt wie der marktliberale Unternehmer.

Aber als die Union um die Gesundheit stritt, hat nur Seehofer gegen Merkels Kopfpauschalen gekämpft. Von Huber war da nichts zu hören.

Seehofer hatte damals als Gesundheitspolitiker in Berlin eben eine andere Funktion als Huber. Er musste den Mund aufmachen. Und bei genauer Betrachtung hat er ja nicht ganz unrecht behalten. Von Kopfpauschalen redet keiner mehr. Wenn ich die Positionen der CDU heute sehe im Vergleich zum Leipziger Parteitag 2003, dann ist die CDU jetzt da, wo Seehofer damals schon war.

Sie selbst positionieren sich oft als strikter Marktwirtschaftler. Spricht da der gelernte Müllermeister, der Mittelständler in Ihnen?

Ich habe natürlich eine Grundprägung als Kaufmann, als Unternehmer. Das wurde aber ergänzt durch die Erfahrungen in acht Jahren Arbeits- und Sozialausschuss, wo ich kennengelernt habe, wie viel Armut und auch verschämte Armut es in Deutschland gibt. Wichtig ist eine vernünftige Synthese von wirtschaftlichem und sozialem Denken. Sonst wäre ich auch nicht seit Jahren in Führungspositionen.

Sie sagen Nein zum Mindestlohn. Ist es für Sie in Ordnung, dass viele Menschen, die den ganzen Tag arbeiten, weniger als Hartz IV verdienen?

Wir haben ja Instrumente, um diesen Menschen zu helfen. Der Lohn wird aufgestockt. Das ist nicht ideal, aber was nützt ein politischer Mindestlohn, wenn Arbeitsplätze zu dem festgelegten Entgelt nicht zur Verfügung gestellt werden? Ein solcher Lohnanspruch geht ins Leere. Dann fallen Jobs weg, dann müsste die öffentliche Hand sogar den vollen Lebensunterhalt der Menschen zahlen.

Sie meinen, wenn ein Mindestlohn eingeführt wird, bleibt die Arbeit liegen, die schlecht bezahlte Menschen heute machen?

Nehmen Sie ein banales Beispiel: Ein Kunde geht alle vier Wochen zum Frisör, bei dem ein Haarschnitt zehn Euro kostet. Steigen die Löhne, steigt der Preis. Dann fährt der Kunde vielleicht nicht gleich in die Tschechei, aber er geht nur noch alle fünf Wochen zum Frisör. Das bedeutet einen Nachfrageausfall. Damit ist demjenigen, der mehr verdienen will, auch nicht gedient.

Meinen Sie, mit Ihren Argumenten kommen Sie im Wahlkampf gegen die SPD durch?

Ich glaube, man kann unsere Position sehr gut erklären. Ich habe das in den letzten Monaten öfter mal in Bierzelten probiert. Da wird man zwar nicht bejubelt, aber die Menschen verstehen, dass es klüger ist, bei Gewerkschaften und Arbeitgebern die Verantwortung zu belassen, als einen politischen Lohn im Bundestag zu beschließen.

In der Familienpolitik haben Sie das Wort "Wickelvolontariat" erfunden, mit dem Sie die Vätermonate beim Elterngeld titulierten. War das auch fürs Bierzelt gedacht?

Nein, das ist mir damals in Berlin spontan eingefallen, und ehrlich gesagt bin ich ganz froh, dass es nicht zum Unwort des Jahres erkoren wurde. Das war ja ganz anders gemeint, als es manche dargestellt haben.

Wie denn?

Ich wollte als erfahrener Familienvater, der selber vier kleine Kinder gewickelt hat, einen Anstoß geben für alle jungen Väter, sich diesen Reiz der kleinkindlichen Familienphase nicht entgehen zu lassen. Es schadet keinem Mann, solche Tätigkeiten zumindest eine Zeit lang durchzuführen. Und siehe da, das Elterngeld ist eine Erfolgsstory, übrigens vor allem in Bayern, wo der Prozentsatz der "wickelvolontierenden" Väter deutlich am höchsten ist. Darauf bin ich stolz.

Inzwischen setzen Sie sich vor allem für ein Betreuungsgeld ein, das Eltern bekommen sollen, die länger als ein Jahr zu Hause bleiben. Ist der Ausbau der Kinderbetreuung nicht dringender?

Im Vordergrund steht natürlich zunächst einmal der Ausbau der Betreuungsplätze auf 35 Prozent. Aber wir kümmern uns auch um die anderen. 35 Prozent heißt ja umgekehrt, dass 65 Prozent eben nicht in die Einrichtungen gehen. Das wird viel zu wenig gesehen. Der Einzige, den ich darüber reden höre, bin ich selber.

Umso mehr wurde im CSU-Wahlkampf über Seehofers außereheliches Baby geredet. Macht es Ihnen Angst, wenn Sie sehen, wie stark die Berichte über Seehofers Privatleben seine Karriere belasten?

Ich habe mich nie zu all diesen Vorgängen geäußert. Ich halte es für eine gute deutsche Tradition, wenn zwischen politischen Dingen und dem Privatleben getrennt wird, getreu dem Motto "Bier ist Bier und Schnaps ist Schnaps".

Inwieweit kann sich ein Politiker gegen so etwas wehren?

Tja, nur sehr eingeschränkt. Ich glaube, die Medien sind aber vorsichtiger geworden. Wenn Vorhaltungen aus der Luft gegriffen sind, dann haben sich einschlägige Medien in den letzten Jahrzehnten immer häufiger die Finger verbrannt.

Wie sehr hat die Affäre Seehofers Wahlchancen geschmälert?

Ich glaube, die Delegierten des Parteitags sind klug genug, um hier vernünftig abzuwägen.

Für weniger klug halten Sie Gabriele Pauli. Was die Kandidatin zur Ehe auf Zeit gesagt hat, interessiere Sie "weniger als der Dreck unter Fingernägeln", ließen Sie verlauten. Warum reagieren Sie so angefressen auf diese Frage?

Weil wir dauernd danach gefragt werden. Es ist schon ein Stück Verkommenheit der öffentlichen Diskussion, mit welcher Akribie und Energie man sich mit so einem absurden Vorschlag beschäftigt. Es wäre besser, man würde mit derselben Kraft wichtige Zukunftsthemen unseres Landes diskutieren.

Trotz allem hat Pauli auf einen eklatanten Mangel in der CSU hingewiesen: Es gibt keine Frauen in der obersten Führungsspitze.

Das stimmt so nicht. Ich finde, dass wir immer mehr tüchtige Frauen in Führungsfunktionen auf allen Ebenen haben, und was noch nicht ist, das kann ja noch werden.

Wie wäre es mit einer neuen Generalsekretärin statt Markus Söder?

Da warten wir jetzt mal ab, wen der neue Parteivorsitzende dann vorschlägt.

Für Sie geht mit dem Parteitag eine schöne Zeit zu Ende: Während des Machtvakuums ohne Chef in München sind Sie mehr wahrgenommen worden und Sie konnten sagen, was Sie wollen.

Wenn Sie das als schöne Zeit bezeichnen, vertreten Sie ein merkwürdiges politisches Schönheitsideal. Ich bin froh, dass es solche Umbruchphasen in der CSU Gott sei Dank nicht allzu häufig gibt. Und wenn man nur deshalb stärker wahrgenommen wird, weil es irgendwo ein Vakuum gibt, wäre das auch ein eher beklagenswerter Zustand, so will ich das nicht sehen. Ich sehe auch kein Vakuum, im Gegenteil, alle Welt wundert sich doch darüber, mit welch quirliger Aktivität Edmund Stoiber seine Ämter bis zum letzten Tag ausfüllt.

Warum wollen Sie ihn eigentlich nicht selbst beerben?

Ich glaube, es gibt jetzt wirklich genug Bewerber. Und für mich kann ich mir im Augenblick kein erfüllenderes Amt vorstellen, als Landesgruppenvorsitzender der CSU zu sein.

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