Bewerter unter Kontrolle

REGULIERUNG Bundestag debattiert über Gesetz zur staatlichen Aufsicht über Ratingagenturen. Opposition hält die vorgeschlagenen Regelungen für zu lasch

Die Fragen von Haftung und Entlohnung beantwortet das Gesetz nicht

VON HANNES KOCH

Ratingagenturen gehören zu den mächtigsten Akteuren im weltweiten Finanzgeschäft. Wenn sie gute Bewertungen geben, steigen die Preise von Aktien, Wertpapieren und Staatsanleihen. Senken die Agenturen jedoch den Daumen, fallen die Kurse. Das kann Unternehmen und Staaten, wie aktuell Griechenland, in massive Schwierigkeiten bringen.Weil die Regierungen der 20 wichtigsten Wirtschaftsnationen in falschen Ratings für Wertpapiere eine Ursache der Finanzkrise sehen, wollen sie die Ratingagenturen einer gewissen staatlichen Aufsicht unterstellen. Ihr entsprechendes Gesetz brachte die Bundesregierung am Donnerstag in den Bundestag ein, wo es die Opposition als zu wenig schlagkräftig kritisierte.

Drei Ratingfirmen kontrollieren den internationalen Markt: Standard & Poor’s, Moody’s und Fitch. Ihre Zentralen sitzen in New York und London. Mit ihren Ratings geben sie den Investoren Anhaltspunkte über den Wert von Aktien und Staatsanleihen. Obwohl die privaten Agenturen damit über eine ungeheure Macht verfügen und auch die Handlungsfähigkeiten von Regierungen beeinflussen, unterliegen sie bislang kaum einer öffentlichen Kontrolle.

Diesen Umstand kritisiert der finanzpolitische Sprecher der Grünen, Gerhard Schick. In seinen Augen sind mit dem Gesetz weder das „Problem der Marktmacht gelöst noch die Fragen von Haftung und Entlohnung beantwortet“. Auch künftig müssten die Ratingfirmen für falsche Bewertungen nicht haften. Zudem würden sie weiterhin von den Unternehmen bezahlt, über deren Schicksal sie entschieden, Interessenkonflikte seien damit weiterhin vorprogrammiert.

Eine Lösung dieser Missstände ist seit der Finanzkrise verstärkt in der Diskussion, wird aber nicht umgesetzt. Am Donnerstag schlug SPD-Fraktionsvize Joachim Poß wieder einmal vor, eine „europäische Ratingagentur“ unter Beteiligung der Staaten oder zumindest unter stärkerer öffentlicher Aufsicht zu gründen. Diese könne ein Gegengewicht zu den angelsächsischen Bewertungsfirmen schaffen. Um keinen Streit mit der US-Regierung vom Zaun zu brechen, ist dieser Weg bislang nicht beschritten worden. Entsprechende Kritik ist auch aus Kreisen der deutschen Bankenaufsicht zu hören.

In seinem Gesetzentwurf regelt Bundesfinanzminister Schäuble (CDU) nun, dass die Mitarbeiter der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) den Ratingagenturen Kontrollbesuche abstatten können. Außerdem müssen die Agenturen den Aufsehern bestimmte Unterlagen zur Verfügung stellen, die Rückschlüsse auf ihre Geschäfte zulassen.

Das deutsche Gesetz setzt zudem eine Verordnung der EU um. Darin werden die Agenturen verpflichtet, Interessenkonflikte zu vermeiden. Sie dürfen künftig die Unternehmen, deren Aktien sie bewerten, nicht mehr beraten. Und es wird ihnen verboten, Wertpapiere, die sie im Auftrag von Banken entwickelt haben, später selbst mit lobenden Ratings zu versehen.