Der Retter in der Hölle ist da

Auf dem Friedhof Ruhleben weihte Obermeister Thich Nhu Dien das erste buddhistische Gräberfeld der Hauptstadt ein. Geprägt wird es durch eine vier Meter hohe Statue des Bodhisattwa Tian Tan

von PHILIPP GESSLER

Die Buddhisten kommen! Oder besser, sie schreiten uns entgegen, sanft, wie ihre Religion erscheint: In wenigen Wochen wird zum Beginn des neuen Berliner Schuljahres erstmals in Deutschland unter staatlicher Aufsicht buddhistischer Religionsunterricht gegeben. Gestern weihte der buddhistische Mönch und Obermeister Thich Nhu Dien auf dem staatlichen Friedhof in Ruhleben ein buddhistisches Gräberfeld ein, das einzige Berlins, das vierte der Bundesrepublik. „Ein großes Ereignis“, betonte Thich Nhu Dien.

Und es war eine schöne Zeremonie: Sie spielte sich am Nachmittag ab in einem ruhigen, etwas abseitigen Abschnitt des Friedhofs Ruhleben: In der Mitte eines mit jungem Gras bepflanzten Felds von der Größe eines halben Fußballplatzes hatte die Vietnamesisch-Buddhistische Gemeinde in Deutschland eine über vier Meter hohe Marmorstatue des Bodhisattwa Tian Tan errichtet. Dieser „Erleuchtete“, auch Dia Tang oder Ksitigarbha genannt, ist den Angaben Thich Nhu Diens zufolge ein Buddha, der aus Liebe zu allen Menschen erst einmal nicht ins Nirwana ging, um allen in der Hölle zu helfen – so lange, bis keine Menschen mehr in der Hölle leben: Deshalb die Statue dieses Bodhisattwa auf einem Friedhof, deshalb dieser fackelartige Hirtenstab in der Hand des Erleuchteten.

Zu der Zeremonie waren etwa 50 meist vietnamesische Gläubige und etwa ein Dutzend Nonnen und Mönche gekommen. Der Sockel, auf dem die Statue stand, wurde von den Nonnen und Mönchen mit Kerzen, Räucherstäbchen und Blumen geschmückt. Auf der Rückseite des Sockels drapierten sie Speisen, die den Toten geweiht waren. Geprägt war die geistliche Feier durch den Gesang der Nonnen, Mönche und normalen Gemeindemitglieder. Während der Zeremonie knieten die Gläubigen mehrmals vor der Statue nieder und berührten mit ihrer Stirn den Boden, ihre Hände mit gespreizten Fingern zum Gebet aneinander gelegt.

Der offensichtliche Höhepunkt der Feier war das Besprenkeln der Statue mit Wasser. Dabei tauchte der Obermeister eine Rose in Wasser und schüttelte sie dann sanft in Richtung der Statue und der vier Himmelsrichtungen aus, vergleichbar ähnlichen rituellen Handlungen in der katholischen Kirche.

In einer kurzen Ansprache, die vom Leiter der Friedhofsverwaltung erbeten worden war, drückte Helmut Krauß seine Hoffnung aus, dass sich auch die Hinterbliebenen der Toten anderer Religionen nach dem Vorbild der Buddhisten mehr um ein würdiges Gedenken der Verstorbenen kümmern sollten. Bodhisattwa Tian Tan könne auch ein Deutscher sein, sagte Obermeister Thich Nhu Dien in einer mystischen Andeutung. Erst einmal aber ist Tian Tan ein Berliner.