„Die nettesten Männer habe ich in der SPD getroffen“

PARTEIEN Rebecca Niazi-Shahabi hat das Flirtverhalten von Mitgliedern Berliner Ortsvereine getestet. Heraus kam ein Buch, das Charakterstudien der Parteibasen liefert

Rebecca Niazi-Shahabi, geboren 1970 in Bremen, stammt aus einer deutsch-israelisch-iranischen Familie. Heute lebt sie in Berlin, wo sie als freie Journalistin und Werbetexterin arbeitet. Bei Rowohlt sind gerade zwei Bücher von ihr erschienen, der Roman „Leichte Liebe“ und das Datingbuch „Bündnispartner gesucht. Eine Frau auf der Suche nach dem richtigen Mann im 5-Parteien-System“. Auf keinen Fall möchte sie im Interview nach Franz Müntefering und seiner 40 Jahre jüngeren Freundin gefragt werden. Sie interessiert das Paarungsverhalten in den Ortsvereinen, nicht das Liebesleben der Spitzenpolitiker: Sind die Grünen Frauenversteher und die Liberalen Draufgänger? Wie sympathisch ist das Lebensmodell der Christdemokraten, wie patriarchal die SPD? Und können die Linken charmant sein? Ein Selbstversuch, der witzig aufgeschrieben ist, aber keineswegs repräsentativ sein will.

INTERVIEW VON HEIKE KAREN RUNGE

taz: Frau Shahabi, andere Frauen suchen in Clubs oder im Internet nach dem richtigen Mann. Sie sind ein Jahr lang durch die Berliner Kreisverbände der Parteien gezogen. Sind Arbeitskreise und Stammtische die neue Fisch-sucht-Fahrrad-Party?

Rebecca Niazi-Shahabi: In Parteien gibt es mehr Männer als Frauen und deshalb sind sie für die weibliche Partnersuche schon mal prinzipiell geeignet. Man hat gemeinsame Interessen und Ziele und kommt schnell miteinander ins Gespräch.

Sie outen sich in Ihrem Buch als grün. Wären die Berliner Grünen dann nicht Ihr natürliches Jagdrevier gewesen?

Das wäre ja langweilig geworden. Außerdem fand ich die Grünen dann extrem anstrengend. Mir ging es außerdem um den Parteienvergleich: Welche Männer stecken jeweils hinter den ausformulierten politischen Einstellungen? Wie ticken die privat? Warum etwa macht jemand die Umwelt zu seinem Thema – hat das mehr mit Naturliebe oder mit Angst um das eigene Leben zu tun?

Was hat Sie eigentlich stärker interessiert – das Innenleben der Ortsvereine oder die dort organisierten Männer?

Ich bin auf die Veranstaltungen gegangen mit der Fragestellung im Hinterkopf, wie wäre es, wenn ich mir hier einen aussuchen müsste? Die Partnersuche war für mich der besondere Dreh bei der Recherche. Das hat mir erlaubt, eine ganz subjektive Perspektive auf die Leute von der Parteibasis einzunehmen.

Was ist typisch Ortsverein?

Es gibt dieses Feeling von Ernsthaftigkeit an der Basis. Die Männer in den verschiedenen Parteien haben dann auch mehr Gemeinsamkeiten als Trennendes. Es gibt überall die Idealisten, auch bei der FDP, auch bei der CDU, das ist kein Monopol der linken Parteien, aber sie sind in jeder Partei in der Minderzahl. Statistisch ist es so, dass die parteipolitisch engagierten Leute einen vergleichsweise höheren Bildungsgrad haben. Wenn ich aber zum Kreisverband in Neukölln kam, saßen da vor allem diejenigen, die Zeit haben, also Rentner und Arbeitslose. Die dritte große Fraktion stellen Leute, die unglaublich nerven.

Was hat genervt?

Der Umgang mit Zeit. Da wird auf jeder Sitzung versucht, demokratisch zu agieren, was dann bedeutete, dass jeder, der wollte, sich äußern durfte. Viele Leute sitzen einfach nur deshalb in den Arbeitskreisen, weil sie sich sonst nicht äußern können und dieses Forum für ihre Selbstdarstellung nutzen. Das sind Leute, auf die man im Freundeskreis genervt reagiert. In der Partei wird solches Verhalten eher gefördert als sanktioniert. Der Ortsverein ist eine Gemeinschaft, in der niemand ausgeschlossen werden kann.

Bei einer Ausstellungseröffnung im Willy-Brandt-Haus lernen Sie einen SPDler kennen, Sebastian, einen hygienesüchtigen Zahnarzt, mit dem Sie eine längere Affäre haben. War der Mann nun typisch für die Berliner Sozialdemokratie?

Er war übrigens kein Zahnarzt, Namen und Beruf habe ich geändert, damit nicht jeder gleich weiß, wer da gemeint ist. Typisch war er insofern, als ich die nettesten Männer tatsächlich in der SPD getroffen habe. Bei der SPD war das soziale Klima mit Abstand das angenehmste. Ob das jetzt die Defa-Ausstellung im Willy-Brand-Haus oder die Reihe „Thierse trifft?“ war. Anders als bei den kleinen Parteien wurde nicht alles politisch missbraucht. Wenn es um die Defa geht, spricht man über die Filme, nicht über das Parteiprogramm. Es gibt da eine herzliche Großzügigkeit. Niemand hatte ein Problem damit, dass ich Grüne bin. Bei der CDU übrigens auch nicht. Als ich zur FDP in Kreuzberg kam und mich als Grünen-Wählerin vorstellte, hieß es dagegen gleich: Bei uns ist es anders als bei den Grünen, bei uns lassen wir einander ausreden.

Welche Klischees über die Parteien haben sich bestätigt, welche nicht?

Die CDU ist keine Ansammlung dickbäuchiger Currywurstesser. Aber klar, ich habe dort viele verheiratete Familienväter getroffen. Ich wurde mit Neugier betrachtet. Ich komme dort rein und ich bin erst mal ein Kontrast. Und weil die Männer in der CDU auf keinen Fall als spießig gelten wollen, war ich für sie irgendwie interessant. Es ist ja ein großes Thema in den Berliner Bezirken, dass man urban, modern und auf keinen Fall als bieder gelten will. Frauen werden in der CDU dann auch sehr wohlwollend gefördert, und manchmal habe ich mich schon an diese Helmut-Kohl-Geste erinnert gefühlt: „Ach, nun geben Sie doch der Frau die Stimme, ich bitt’ Sie.“

Der Ortsverein ist eine Gemeinschaft, in der niemand ausgeschlossen werden kann

Haben sich Ihre Sympathien für die Grünen durch die Recherchen abgekühlt?

Nein, politisch bleibe ich den Grünen verbunden, auch wenn mir die Stimmung dort nicht besonders gefallen hat. Noch unwohler habe ich mich bei den Linken gefühlt. Inhaltlich war ich meist einverstanden, aber der Ton war aggressiv, rechthaberisch und extrem unfreundlich.

Hat Sie das überrascht?

Nicht besonders. Ich komme aus einem linken Elternhaus mit einer politisch aktiven Mutter. Zu Hause hing ein großes Rosa-Luxemburg-Plakat: „Die Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden“. Doch bei uns ging es ganz streng zu, da war nichts mit Freiheiten.

Und wo haben Sie am Ende jemanden kennen gelernt?

Bei einer privaten Party.