Kommentar Lobbyistenjob: Politische Hygiene

30 Jahre hat Joschka Fischer gegen das Establishment und für politische Moral gekämpft. Dass er sich jetzt von der undurchschaubaren Energiebranche vor den Karren spannen lässt, enttäuscht.

Es gehört mittlerweile zur Normalität in der Berliner Republik: Ehemalige Spitzenpolitiker, Beamte und Funktionäre wechseln das Lager und heuern mit lukrativen Verträgen als Lobbyisten in der Wirtschaft an. Bahn-Gewerkschaftsboss Norbert Hansen tat es ebenso wie Gerhard Schröder, Exwirtschaftsminister Werner Müller und viele andere. Nun lässt sich auch die Grünen-Ikone Joschka Fischer Ansehen und Kontakte aus alten Tagen mit seinem Beraterjob für die Nabucco-Pipeline vergolden.

Auch wenn Joschka Fischers neuer Job rechtlich wohl nicht zu beanstanden ist, stößt sein Entschluss doch bitter auf. Ausgerechnet Fischer, der einst als militanter Linksradikaler gegen das Establishment kämpfte und sein politisches Leben mit den Themen Umweltschutz und erneuerbare Energien bestritt, lässt sich nun vor den Karren der mächtigen und undurchschaubaren Energielobby spannen. Fischers Wandelbarkeit seiner politischen Positionen vom grünen Urgewächs zum Oberrealo hat schon in seiner aktiven Grünen-Zeit Fragen aufgeworfen. Sein neuer Job als Energielobbyist dürfte seine Glaubwürdigkeit allerdings endgültig erschüttern. Dabei geht es auch um Fragen der Integrität, denn man kann den Leuten nicht 30 Jahre etwas von einer gerechten Welt predigen, um sich als Politrentner dann selbst die Taschen vollzustopfen.

Wahrscheinlich ist es auch zu viel verlangt, Politiker mit höheren moralischen Maßstäben zu messen als andere. Doch als öffentliches Vorbild sollten sie ein Gespür dafür besitzen, wie ihr Handeln auf andere wirkt. Es entschuldigt Fischer nicht, dass viele seiner Kollegen so handeln wie er. Sein Wandel zum Lobbyisten ist aber Beleg dafür, dass eine kritische Diskussion der Verfilzung zwischen Wirtschaft und Politik längst überfällig ist. Denn dabei geht es um nichts anderes als um eine legale Form der Korruption.

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