Generationswechsel mit Stilbruch

Polit-Rambo Ralf Stegner will heute zum SPD-Vorsitzenden in Schleswig-Holstein gewählt werden. Der Nachfolger des an der Basis hochgeschätzten Claus Möller hegt große Ambitionen. Geliebt wird er von seiner Partei aber nicht

Eigentlich müsste alles glatt gehen, wenn die schleswig-holsteinische SPD heute ihren neuen Parteichef wählt: Als einzig ernsthafter Kandidat tritt Ralf Stegner an, Finanzminister im rot-grünen Kabinett von Heide Simonis, Innenminister der schwarz-roten Regierung von Peter Harry Carstensen. Aber die Nord-SPD spielt sich selbst manchmal böse Streiche: Beim Parteitag 2003 wurde der damalige Landesvorsitzende und einzige Kandidat Franz Thönnes niedergestimmt, und auch die missglückte Wiederwahl von Heide Simonis als Ministerpräsidentin vor zwei Jahren steckt der Partei noch in den Knochen.

Darum hatte Claus Möller, der 2003 eigentlich in den politischen Ruhestand gehen wollte und nach der Klatsche für Thönnes spontan den Vorsitz übernahm, bereits vor gut einem Jahr angefangen, nach einem Nachfolger zu suchen. Gemeldet hatte sich einzig Stegner.

Zwar warf zu Jahresbeginn Stephan Frey, Krankenpfleger und heute Student, seinen Hut in den Ring. Im Februar zog er „aus gesundheitlichen Gründen“ wieder zurück, nun will er doch wieder. Den Parteitag wolle er jedoch „boykottieren“, kündigte er an. Ernsthafte Bewerber hätte Möller sich durchaus gewünscht: „Es wäre kein Beinbruch, wenn es zwei oder drei wären.“

Nun, da es keine anderen gibt, lobt er Stegner als „eine unserer größten politischen Begabungen“. Er halte ihn „für den geeigneten Kandidaten“. Zwar sei der ausgebildete Fußballschiedsrichter ein anderer Typ als er, aber das schade in einer Volkspartei ja nicht. Immerhin spielt Stegner gern Skat.

Dennoch wäre Stegners Wahl, so denn alles glatt läuft, ein Stil- und Generationswechsel: Möller ist gerade 65 geworden, er ist der „letzte 68er und letzte 88er“ – Mitglied der Engholm-Regierung – im Landesvorstand. Er stammt aus Schleswig-Holstein und spricht Platt, er hat bei der Bahn gearbeitet, bevor er in die Politik ging. Da gibt es durchaus Ähnlichkeiten zum gelernten Landwirt Peter Harry Carstensen, der vor kurzem 60 wurde. Möller und Carstensen haben die große Koalition aus der Taufe gehoben.

Der gebürtige Pfälzer Ralf Stegner, 47, Kennzeichen Dreiteiler und Fliege, hat unter anderem in Freiburg und Harvard studiert und mag durchaus von Karrieren außerhalb von Schleswig-Holstein träumen. Dafür aber braucht er Erfolge: Ein deutliches Votum heute mit mehr als 80 Prozent, ein gutes Ergebnis der Partei bei den Kommunalwahlen 2008 und möglichst einen Sieg bei der Landtagswahl 2010. Jede dieser Aufgaben ist schwierig.

Zwar stehen wichtige Gruppen und Gremien der Partei hinter Stegner, aber an der Basis, gerade in den Reihen der Kommunalpolitiker, gibt es viel Ärger wegen der Verwaltungsstruktur- und Kreisreform. Auch Stegners manchmal schroffe Art, die ihm den Kosenamen „Polit-Rambo“ einbrachte, polarisiert. Auf einem Parteitag im vorigen Sommer fühlte der Saal sich gar vom Podium herab gerüffelt.

Auch die Kommunalwahlen werden ein schwerer Gang. Zuletzt war die CDU in Schleswig-Holstein glatt durchmarschiert und stellt heute sogar in traditionellen roten Hochburgen die Bürgermeister. Den Trend umzukehren wird nicht leicht sein. Claus Möller fiel als Trost nur ein: „Bei allen Schwierigkeiten – die Probleme der CDU sind noch größer.“ Esther Geißlinger