Formel 1 demnächst rauchfrei

Gegen den deutschen Willen beschließt der EU-Ministerrat ein weitgehendes Verbot von Tabakwerbung. Anzeigen in der Presse, im Internet, im Rundfunk und das Sponsoring von Radioprogrammen und Großveranstaltungen ab Juli 2005 untersagt

aus Brüssel DANIELA WEINGÄRTNER

Schlechte Nachrichten für Rennsportfreunde: Die EU hat gestern einen weiteren Anlauf genommen, die Tabakwerbung in Printmedien und bei grenzüberschreitenden Großveranstaltungen wie Autorennen zu verbieten. Gegen die Stimmen von Deutschland und Großbritannien beschloss der zuständige Rat der Gesundheits- und Verbraucherminister, die Richtlinie mit den vom EU-Parlament angefügten Änderungen abzunicken.

Ende Oktober hatte der Internationale Automobilverband FIA beschlossen, wegen des in Belgien seit 1999 geltenden Werbeverbots den „Großen Preis von Belgien“ im kommenden Jahr in ein anderes Land zu verlegen. Ab 2005, wenn die EU-Richtlinie in Kraft tritt, wird es möglicherweise überhaupt keine derartigen Großveranstaltungen mehr in der EU geben. Denn Tabakwerbung ist eine wichtige Einnahmequelle für die Veranstalter von Autorennen.

Verbraucherkommissar David Byrne zeigte sich damals entrüstet über die Entscheidung der FIA: „Ist das beschmutzte Geld der Tabakproduzenten für den Formel-1-Apparat wichtiger als der Geist des Sports?“, fragte er. Mit der gleichen Frage wird sich nun auch die Bundesregierung konfrontiert sehen, die die Richtline gestern gemeinsam mit Großbritannien zu stoppen versuchte.

Allerdings gibt es neben der moralischen noch die juristische Seite des Konflikts, der nun schon mehrere Jahre andauert. 1998 hatte die EU bereits ein Tabakwerbeverbot beschlossen und ihre Zuständigkeit damit begründet, dass unterschiedliche nationale Vorschriften zur Tabakwerbung den grenzüberschreitenden Warenverkehr und den fairen Wettbewerb behindern könnten. Tatsächlich ging es damals wie heute um die Gesundheitsvorsorge. Doch wusste die EU-Kommission, dass sie nur unter dem Vorwand, für harmonisierte Binnenmarktregeln zu sorgen, tätig werden konnte. Der Europäische Gerichtshof akzeptierte den Etikettenschwindel nicht. Im Oktober 2000 stellte er fest, es sei der Kommission in Wahrheit um die Volksgesundheit gegangen – und in der Gesundheitspolitik habe die EU nur sehr eingeschränkte Kompetenzen.

Dass sich an der Grundargumentation der EU-Kommission nichts geändert hat, wurde vorletzte Woche im Europaparlament bei der ersten Lesung des Richtlinienentwurfs deutlich. Das Werbeverbot solle helfen, den Zigarettenkonsum zu verringern, „indem die Botschaft, dass Rauchen cool ist, beseitigt wird“, sagte der Verbraucherkommissar. Mehr als eine halbe Million Menschen stürben jährlich in der Union an den Folgen des Tabakkonsums.

Die Worte werden in Berlin aufmerksam gehört worden sein. Denn auch wenn der neue Richtlinientext versucht, die Kritik des Gerichts zu berücksichtigen und das Argument eines freien Warenverkehrs nach einheitlichen Regeln deutlicher hervorzuheben, geht es in Wahrheit auch dieses Mal nicht um Binnenmarkt, sondern um Gesundheit. Schließlich gibt die Kommission in ihrer auf drei Jahre angelegten „Feel free to say no“-Kampagne Millionen für die Botschaft aus, Rauchen sei uncool.

Formel-1-Fans, die nächstes Jahr auf den Großen Preis von Belgien verzichten müssen, haben wahrscheinlich eine Galgenfrist, bevor neue Enttäuschungen anstehen. Denn wie schon vor Jahren, wird auch diese Fassung vom Europäischen Gerichtshof geprüft werden.

Was die wirtschaftliche Seite der Debatte angeht, lohnt ebenfalls ein Blick ins Land der Flamen und Wallonen: Ein Rückgang des Tabakkonsums, so melden Statistiker, sei dort seit Beginn des Werbeverbots nicht zu verzeichnen.