Unwürdige Hängepartie

Am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen gibt es schöne Worte, aber kein Geld: Ein Betreuungsprojekt der Kirche für Opfer von Frauenhandel und Zwangsprostitution ist gefährdet, der Prostituiertenverein Nitribitt hat die Mitarbeit aufgekündigt

„Die Frauen gelten als Opfer – oder als Täterinnen, illegale Prostituierte“

Heute ist der Internationale Aktionstag gegen Gewalt an Frauen. Die Vereinten Nationen haben das vor Jahren so beschlossen, und auch in Bremen wird daran erinnert, „dass die Erfahrung von Gewalt bitterer Bestandteil des alltäglichen Lebens von Frauen und Mädchen ist“, so Frauenbeauftragte Ulrike Hauffe. In diesem Jahr weist sie vor allem auf Frauenhandel und Zwangsprostitution hin. Doch die dringend und seit langem angemahnte unabhängige Fachberatungsstelle für Zwangsprostitution und Menschenhandel gibt es noch immer nicht – obwohl längst ein Beschluss der Bürgerschaft vorliegt. Politiker aller Parteien sagen, es müsse etwas getan werden – doch die Finanzierungsfrage ist ungelöst: „Das ist eigentlich unwürdig“, sagt Hauffe.

Immerhin hat der Innensenator bei der Polizei 12 Beamte abgestellt, die gegen Menschenhandel ermitteln und, so Hauffe, eine „ausgesprochen gute Qualifikation im Umgang mit traumatisierten Opfern“ aufwiesen. 2001 wurden in Bremen 16 Verfahren wegen Menschenhandel, Förderung der Prostitution oder Zuhälterei mit 31 Opfern eröffnet – darunter sechs Kinder unter 12 Jahren und drei Jugendliche.

Seit Februar gibt es außerdem ein Kooperationsprojekt der Evangelischen Kirche und des Diakonischen Werkes zur „niedrigschwelligen Betreuung für betroffene Frauen“. Sechs Stunden pro Woche betreut eine Sozialpädagogin vor allem Frauen aus Osteuropa, die für die Polizei als Zeuginnen in Betracht kommen. Solange sich die Verfahren dahinschleppen, werden die Duldungen der Migrantinnen alle vier Wochen verlängert. Die kirchliche Anschubfinanzierung für das Projekt läuft im Januar aus, wie es weiter geht, weiß niemand. „Noch im Dezember“, so Hauffe, werde eine Entscheidung des Senats erwartet, wie hoch der Etat sei – und welches Ressort ihn verantworte.

Bis Oktober hatte auch die Prostituierten-Beratungsstelle Nitribitt an dem Projekt mitgearbeitet. Weil jedoch die BSHG19-Stelle der zuständigen Mitarbeiterin nicht verlängert wurde, stieg der Verein aus der Kooperation aus. Nitribitt sicherte zu, „im Rahmen der verbleibenden Möglichkeiten“ weiterhin „in dem Schwerpunkt Migrantinnen in der Prostitution“ tätig zu bleiben.

„Wir sehen den ganzen Bereich, nicht nur explizite Opfer“, sagt Monika Heitmann von Nitribitt. Viele Frauen machten ihre Arbeit „durchaus freiwillig“. Der Blickwinkel der Kirche sei „auf Opfer verengt“. Man müsse Prostituierte hingegen „an ihren Arbeitsplätzen aufsuchen und dort mit ihnen reden.“

Sechs Kinder und drei Jugendliche waren 2001 in Bremen Opfer von Menschenhandel

Ebendas macht Filomena Beraldi für Nitribitt. Die 32-Jährige, die sich seit Jahren mit Prostitution von Migrantinnen beschäftigt und ihre Diplomarbeit zu dem Thema geschrieben hat, bietet „aufsuchende Hilfe“ für die Frauen in den 250 bis 300 Bremer „Model-Wohnungen“ an. Beraldi weist darauf hin, dass es in vielen Fällen erst aufgrund der rigiden deutschen Migrationsgesetzgebung zu Abhängigkeits- und Ausbeutungsverhältnissen komme. Ihre Forderung: Legalisierung der Migrantinnen-Prostitution. Bisher gebe es für die Frauen nur zwei Optionen: Entweder würden sie abgeschoben, oder die Polizei benötige sie als Zeuginnen: „Sie sind also Opfer von Menschenhandel – oder Täterinnen, illegale Prostituierte.“

Auch wenn Nitribitt „eine super Arbeit“ mache, wehrt sich die Frauenbeauftragte der Evangelischen Kirche, Jutta Schmidt, gegen die Vorwürfe des Vereins: Auch ihre SozialarbeiterInnen würden Prostituierte „ nicht als arme Hascherl“ sehen. „Wenn ich das Vorurteil höre, dass bei Kirche und Diakonie unprofessionelle Leute arbeiten, werde ich langsam sauer.“ Markus Jox