Wo die Kontrollen blühn

Italienische Behörden hindern deutsche Globalisierungskritiker an der Reise zum Sozialforum in Florenz. Bundeskriminalamt schweigt sich über Datenweitergabe aus

BERLIN taz ■ Zum Beginn des Europäischen Sozialforums (ESF) in Florenz haben die italienischen Behörden ihre Grenzkontrollen für Besucher aus Deutschland gestern erheblich verschärft. Einzelnen Personen verweigerte die Grenzpolizei die Einreise nach Italien. Busse, Gepäck und Pässe der zu dem Forum anreisenden Globalisierungskritiker wurden zum Teil stundenlang kontrolliert. Nach italienischen Zeitungsberichten wurden mehr als 1.000 Personen an den Grenzen zu Frankreich, der Schweiz und Österreich zurückgewiesen.

Für zwei Teilnehmern der Kölner Attac-Hochschulgruppe war die Fahrt nach Florenz am Schweizer Grenzübergang Chiasso zu Ende: Ihnen wurde die Einreise nach Italien verwehrt. „Eine Begründung dafür habe ich nicht erhalten“, sagt Armin Titze, einer der beiden Zurückgewiesenen. „Mir wurde nur mitgeteilt, dass ich die Sicherheit in Italien gefährde.“ Gegen die beiden Kölner Globalisierungskritiker verhängten die italienischen Behörden ein Einreiseverbot bis zum 10. November, dem letzten Tag des Sozialforums.

Auch am österreichischen Brenner-Grenzübergang sei eine Person aus einem Bus geholt und ohne Angabe von Gründen nach Deutschland zurückgeschickt worden, berichtet Teilnehmerin Hendrikje Reich. Italienische Zollbeamte hätten das Gepäck untersucht und die Pässe aller Gruppenmitglieder zur Kontrolle eingesammelt. „Ich gehe davon aus, dass unsere Daten registriert wurden“, sagt Reich. Der Bus der Hamburger Gruppe habe insgesamt drei Stunden am Grenzübergang gestanden.

Die globalisierungskritische Organisation Attac wirft im Zusammenhang mit den Grenzkontrollen der Bundesregierung vor, dass die deutsche Polizei „schwarze Listen oppositioneller Bürger“ an die italienischen Grenzbehörden weitergegeben habe. Das sei „ein weiterer Beweis, dass die Bundesregierung nicht an einem konstruktiven Ungang mit der globalisierungskritischen Bewegung interessiert ist“, sagte Hugo Braun vom Attac-Koordinierungskreis.

Ein Sprecher des Bundeskriminalamtes (BKA) erklärte auf Anfrage, über „strafrechtsrelevante Sachverhalte“ stehe das BKA „natürlich in ständigem Kontakt mit den italienischen Behörden“. Wenn „Gewalttaten zu erwarten“ seien, müsse die Polizei generell Informationen weitergeben. Ob das im konkreten Fall auch geschehen ist, wollte das BKA allerdings nicht mitteilen. Hans-Christian Ströbele, Fraktionsvize der Grünen im Bundestag, kritisierte unterdessen das Vorgehen der italienischen Behörden. Mit dem „Grundgedanken der Freizügigkeit in Europa“ seien „solche Schikanen nicht zu vereinbaren“. Ströbele will ab morgen an dem Forum in Florenz teilnehmen.

Die italienischen Behörden hatten schon während der Proteste gegen den G-8-Gipfel in Genua im Juli 2001 Wiedereinreiseverbote gegen Globalisierungskritiker verhängt. Diese sollten zunächst für fünf Jahre gelten, wurden dann aber auf einen „angemessenen Zeitraum“ eingeschränkt. Für den Zeitraum vom 1. bis zum 11. November hat die italienische Regierung das Schengen-Abkommen ausgesetzt, das den freien Reiseverkehr innerhalb Europas regelt. Damit will die italienische Regierung die Anreise von „Extremisten“ zum Europäischen Sozialforum verhindern. Laut Ministerpräsident Silvio Berlusconi bedeutet das Treffen vor allem für die Kunstschätze in Florenz „erhebliche Risiken“.

THOMAS GOEBEL