Lieber Bernie Ecclestone …

Offener Brief an den Formel-1-Zampano zur Absage des Rennens im belgischen Spa

Sie, Bernie Ecclestone, sind doch nicht etwa ein hartherziger Geselle oder gar ein Lump?

… Wie allgemein bekannt ist, hat die Kommission des Automobil-Weltverbandes FIA kürzlich entschieden, dass der auf den 31. August 2003 terminierte Große Preis von Belgien in Spa wegen der vorgezogenen Einführung des „Tabakwerbeverbots“ durch die belgische Regierung nicht stattfinden und ersatzlos gestrichen wird. Ich wiederhole: nicht stattfinden wird. Das heißt, wenn ich das, Herr Ecclestone, richtig verstanden habe: nächstes Jahr – kein Spa. Weder für mich noch für meine Freunde. Weder für hunderttausende an der malerischsten gleichwie aufregendsten Rennstrecke der Welt. Noch für zehntausende Leser dieser Zeitung. Spa fällt aus, Spa fällt ins Regenwasser der Ardennen.

Und das, Herr Ecclestone, weil die Einnahmen aus der Tabakwerbung entfallen und Ihnen, dem seit 1997 allein herrschenden „Vermarkter“ der Formel 1, ein paar Kröten entgehen würden. Ich schlucke an dieser Kröte, die Sie mir zu schlucken geben, und ob ich sie – die Kröte, nicht Sie! – jemals verdauen werde, bezweifle ich stark.

Können Sie, Herr Ecclestone, eigentlich nur ansatzweise ermessen, was die Streichung des Rennens in Spa bedeutet? Eines Traditionslaufs, der bisher 36-mal stattgefunden hatte? In dem Moment, in dem ich 1997 zum ersten Mal ein Formel-1-Rennen besuchte, den Großen Preis von Belgien in Spa nämlich, war ich vom Formel-1-Virus infiziert. Und weil ich meine Begeisterung grundsätzlich nicht für mich behalten kann, schrieb ich seit 1998 in dieser aufgeschlossenen Zeitung insgesamt fünf (!) Berichte von meinen Spa-Wochenenden, einfühlsame, so habe ich mir versichern lassen, Impressionen vom impulsiven Leben an der und rund um die Rennstrecke. Eine schöne, gute und mittlerweile auch angenehm alte Tradition habe ich in dieser Zeitung zu etablieren vermocht, gegen den erbitterten Widerstand der Redakteure, und jetzt schlagen Sie mir einfach so mein Mittel der Rebellion gegen die automobilsportliche Verbohrtheit der Redaktion dieser Zeitung aus der Hand? Ich bin empört, Herr Ecclestone. Und entsetzt.

Ein Zweites, Herr Ecclestone: Soll ich Ihnen sagen, wie viele Säcke voller im Angesicht meines Schweißes und durch Artikel wie diesen süßsauer verdientem Geld ich nach Spa getragen und vor Ihren Füßen ausgeschüttet habe? Durchschnittlich 135 Euro kostete das Stehplatzticket, hunderte Dosen desjenigen Biers, das Ihre Vermarktungsgesellschaft verkauft, habe ich weggetrunken. Und jetzt, wo ich mir für 2003 350 Euro vom fusseligen Mund abgespart (und schon überwiesen) hatte, um endlich auf der Gold-3-Tribüne an Start/Ziel zu sitzen, wird Spa auf Ihr Geheiß ausgespart! Herr Ecclestone, sind Sie ein hartherziger Geselle? Sie, der 1930 aus einer kleinen Arbeiterfamilie in Ipswich hervorgegangene „Formel-1-Macher“ (www.sport1.de), Sie, der Sie einst Ihr Leben mit niedrigen Tätigkeiten bei den Stadtwerken von Bexleyheath bestreiten mussten, Sie sind doch nicht etwa ein Lump, oder?

Warum bringen Sie uns, zum Dritten, Herr Ecclestone, um den Genuss, die Formel-1-Boliden auch fürderhin durch die Kurve der Kurven, die Eau Rouge, brettern zu sehen, über jenes Stück erhaben-gefährlichen Asphalt, „which separates men from boys“?

Herr „Formel-1-Zampano“ Ekelstone! Ich glaube nicht, dass Sie ein Mann sind! Wenn ich ehrlich bin, so glaube ich, dass Sie eine steinkalte Strohpuppe sind, die die Strippen zieht, an denen die „Fans“ hängen, die Sie lustvoll ausnehmen. Lassen Sie sich dieses „ehrliche Manneswort“ (H. Kohl) einmal gesagt sein.

In diesem traurigen Sinne, im Namen meiner Spa-Freunde und im Namen der Leser dieser Zeitung verbleibe ich hochverachtungsvoll: JÜRGEN ROTH