Jazz wie Klassik

Mucksmäuschen still war es, als der Pianist Marc Copland spielte und für konzentrierte Stimmung im Sendesaal von Radio Bremen sorgte

Die konzentrierte Stirnfalte dominierte den Ausdruck. Der Auftritt des Jazz-Pianisten Marc Copland (54) im Sendesaal von Radio Bremen glich mehr einem klassischen Konzert als einem typischen Jazzauftritt: Alles schwieg, nur der Flügel nicht. Und Applaus gab’s erst am Schluss.

Variationen des Klassikers „My favorite things“ bestimmten das erste von zwei suitenartig angelegten Sets, ähnlich wie auf Coplands letztjähriger Einspielung „Haunted Heart & Other Ballads“. Der 54-Jährige pflegt eine sehr reduzierte, manchmal geradezu nackte Spielweise, zerlegt Melodien und Themen bis auf die essentiellen Harmonien, um diese dann neu ins Verhältnis zu setzen. So wirkt sein Spiel oft fragmentarisch, auch spröde. Der gläserne, durchscheinende Klang, der im Sendesaal besonders im ersten Set vorherrschte, verstärkte diesen Eindruck noch.

Deutlich kontrastreicher und dynamischer, sowohl in den Klangfarben wie im Anschlag, kam Coplands Spiel dagegen im zweiten Set herüber. Neben den Eigenkompositionen „Blackboard“ und „Not going gently“ verarbeitete er darin den Gershwin Standard „I loves you Porgy“ sowie Hancocks „Dolphin Dance“ und „Someday my Prince will come“ von Miles Davis.

Copland, der zwar schon seit Jahrzehnten in der Jazzszene aktiv ist, aber erst in den vergangenen beiden Jahren breitere Aufmerksamkeit erregte, wird oft mit Bill Evans oder Keith Jarrett verglichen – nicht, weil seine Spielweise diesen ähnele, sondern weil sie ebenso herausragend und einzigartig sei. Der Auftritt bei Radio Bremen verdeutlichte hingegen, dass der Jazz-Pianist aus Philadelphia eine ganz eigene Spielweise entwickelt hat: geprägt von einem besonderen Gespür für die Bedeutung jedes einzelnen Tones.

Arnaud