Der Klimawandel hat längst begonnen

Kaum ein Forscher zweifelt noch daran, dass sich die Atmosphäre tatsächlich erwärmt – und dass der Mensch schuld ist

BERLIN taz ■ Nach einer langen Reihe von besonders heißen Sommern ereilt uns jetzt ein besonders nasser. Hitze, Gewitterstürme und Flutwellen: Ist das schon der Treibhauseffekt? Die Antwort lautet: Ja und nein.

Nein, denn das aktuelle Wetter lässt keinen direkten Schluss auf das Klima zu. Klima und Wetter verhalten sich zueinander wie Wald und Bäume. Wer vor einem Baum steht, kann daraus nicht schließen, dass er in einem Wald steht. Genauso macht ein stürmischer Sommer noch keinen Treibhauseffekt.

Klar ist aber, dass ein wärmeres Klima automatisch mehr Unwetter nach sich zieht. Die Klimaforscher der Versicherungen zählen seit den Fünfzigerjahren viermal häufiger „extreme Wetterereignisse“ wie Dürren, Stürme, Überschwemmungen oder Kältewellen. Aus vielen Bäumen entsteht ein Wald.

„Wir sind mittendrin in einer Klimaveränderung“, sagt daher Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „Und ein großer Anteil ist menschengemacht.“ Um knapp ein Grad stieg die globale Durchschnittstemperatur im vergangenen Jahrhundert. Rund zwei Drittel davon gehen nach Einschätzung der Klimaforscher auf das Konto des Menschen.

Lange war die Schuld des Menschen, ja der Treibhauseffekt als Ganzes unter Forschern umstritten. Nach der Theorie vom Treibhauseffekt heizt sich die Erde auf, weil viele vom Menschen ausgebrachte Abgase, wie Kohlendioxid und Methan, zwar Sonnenlicht durchlassen, aber die von der Erde ausgehende Wärmestrahlung zurückhalten. So wie die Fensterscheiben eines Gewächshauses.

Kritiker brachten vor, für die Erwärmung seien nicht die Abgase, sondern die Schwankungen der Sonnenstrahlung verantwortlich – und die würden sich schon wieder einpendeln. Andere wiesen auf Satellitenmessungen hin, die auf eine Abkühlung der Atmosphäre hindeuteten. Wieder andere mokierten sich über die große Bandbreite der Vorhersagen für die Klimaerwärmung, die zudem mehrfach nach unten korrigiert wurden.

Doch inzwischen sind fast alle Argumente der Skeptiker widerlegt. Die geringe Schwankung der Sonnenstrahlung allein kann die Erderwärmung nicht erklären. Die so gerne angeführten Daten der US-Wettersatelliten erwiesen sich als falsch ausgewertet. Tatsächlich bestätigen sie den Treibhauseffekt. Und die Prognosen für die Klimaerwärmung wurden im letzten Bericht der Vereinten Nationen wieder nach oben korrigiert. Um 1,4 bis 5,8 Grad soll demnach die Temperatur im 21. Jahrhundert steigen.

Natürlich sind die Klimamodelle noch sehr ungenau, das wissen auch die Klimaforscher selbst. Schließlich muss das Wettergeschehen eines ganzen Planeten mit dem Computer simuliert werden. Doch dank leistungsfähigerer Chips werden immer mehr Faktoren in diese Simulationen integriert. Und nichts konnte die Kernaussage in Frage stellen: Unser Planet heizt sich kontinuierlich auf.

„Eigentlich gibt es niemanden mehr, der die Klimamodelle noch ernsthaft in Frage stellt“, resümiert der Potsdamer Klimaforscher Gerstengarbe. Und auch Mojib Latif vom Hamburger Max-Planck-Institut für Meteorologie ist sich sicher: „Spätere Generationen werden sagen, um die Jahrtausendwende waren die ersten Anzeichen für den Klimawandel zu sehen.“

Derweil ändert diese Generation ihre Vorstellung vom Treibhauseffekt. Was schadet ein bisschen mehr Wärme?, erklärte bislang so mancher Spötter. Doch mehr Wärme bedeutet mehr Kondensation von Wasser – und damit auch heftigeren Regen. Höhere Temperaturen bedeuten auch höhere Temperaturunterschiede – und damit heftigere Unwetter. MATTHIAS URBACH