„Die Politik trägt die Schuld“

Umweltverbände machen die staatliche Misswirtschaft für den Mangel verantwortlich

taz: Die schlimmste Trockenheit seit 70 Jahren sei schuld am Wassermangel in Süditalien – dies ist die in den letzten Wochen immer wieder zu hörende Auskunft. Was sollte die Politik an den Wetterverhältnissen ändern können?

Roberto Della Seta: Wir von Legambiente sind mit dieser Sicht absolut nicht einverstanden. Dass in den letzten Jahren die Niederschlagsmenge in Süditalien abgenommen hat, ist unstreitig. Und es ist mehr als wahrscheinlich, dass der Rückgang eine Folge der globalen Klimaveränderungen, des Treibhauseffekts, ist.

Aber es ist einfach nicht wahr, dass wir dieses Jahr mit einer besonderen Dürre zu kämpfen haben. In diesem Winter hat es in Süditalien genauso stark geregnet wie den acht oder neun Jahren zuvor. Der Hauptgrund für den Wassermangel ist nicht die Trockenheit – die hat bloß als Verstärker gewirkt. Der Hauptgrund ist schlicht die miserable Politik auf dem Feld der Wasserversorgung, die wir in ganz Italien, vor allem aber in Süditalien, seit Jahrzehnten beobachten können.

Wo hapert es?

Wir haben ein uraltes Leitungsnetz, in dessen Instandhaltung nie investiert wurde – entsprechend hoch sind die Wasserverluste. An Instandhaltung war nichts zu verdienen, wenigstens nicht auf dem illegalen Feld der Schmiergelder. Im Süden haben wir zudem das Problem der Wassermafia: Das Wasser ist da, aber es wird von der Mafia als Geschäftszweig monopolisiert. Das gilt für Sizilien genauso wie für Kampanien.

Und beim Wasserverbrauch – wie sieht es da aus?

Das ist das zweite große Problem. Wir haben mit enormer Verschwendung zu tun. In Italien wird ein Großteil der Wasserressourcen von der Landwirtschaft verbraucht, für die Bewässerung von Feldern genauso wie für die Tränkung des Viehs. Mehr als 50 Prozent des Wassers gehen in die Landwirtschaft – und die nutzt oft genug Trinkwasser statt Brauchwasser, weil den Bauern verschwindend niedrige Preise abverlangt werden. Dieses Wasser steht dann für die Versorgung der Bürger nicht mehr zur Verfügung. Kurzum: Die gegenwärtige Trockenheitsperiode kommt in meinen Augen erst an dritter oder vierter Stelle, wenn wir nach den Gründen der katastrophalen Wasserversorgung fragen. Italien wird auch in den nächsten Jahren regelmäßig mit diesem Problem zu kämpfen haben.

Beim gegenwärtigen Niveau der Niederschlagsmenge wäre also eigentlich eine ausreichende Wasserversorgung sicherzustellen?

Ohne jeden Zweifel. Wenn die nötigen Eingriffe vorgenommen würde, wenn die enorme Verschwendung bei der Wasserbereitstellung ebenso wie beim Verbrauch endlich wirkungsvoll bekämpft würde, wenn das Wasser von allen Kunden – angefangen bei der Landwirtschaft – zu realistischen Preisen bezahlt würde, wenn zudem etwa in Sizilien endlich die Legalität in der Versorgung hergestellt würde: Dann hätten wir überhaupt kein Wasserproblem.

INTERVIEW: MICHAEL BRAUN