Lieder der Mafia

Musik, die hinter Gitter muss: „Mimmo Siclari ed i Cantori di Malavita“ singen Blutrünstiges im Schlachthof

Die Lieder der kalabresischen Mafia, der „Ndrangheta“, sind leidenschaftlich, die Texte blutrünstig. Vielleicht hat Mimmo Siclari deshalb die Bühne des Schlachthofs für sein Konzert gewählt. In Italien sind diese Lieder verboten, zu blutrünstig und subversiv sind die Texte des „Canto di Malavita“, des Gesanges vom Verbrecherleben. Denn seit dem Ende des 19. und dem Beginn des 20. Jahrhunderts, als die ersten dieser Lieder geschrieben wurden, gilt bis heute die unmissverständliche Aufforderung zur Verschwiegenheit. „Wenn es jemand wagt zu plaudern“, singen Mimmo Siclari und seine Cantori di Malavita in „U mastru di lu Sonu“, „für den werde ich meine Klinge schleifen.“

Die achtköpfige Band wurde vor knapp zwei Jahren gegründet, ihr Kopf ist Mimmo Siclari – Fan, Sammler, Produzent und Sänger. In einem kleinen Studio in Reggio Calabria begann er in den siebziger Jahren damit, die alten Lieder mit befreundeten Sängern neu aufzunehmen – streng geheim natürlich: Die Tapes wurden in Kalabrien unter dem Ladentisch gehandelt, nur vor ausgewähltem Publikum sang man von Blutrache, Ehre und Verschwiegenheit. Die Lieder sind der gesungene Ehrenkodex der Mafia – leidenschaftlich und eindringlich. Da wird aus einem Wiegenlied die Aufforderung der Mutter, den Mord am Vater zu rächen. Hinreißend gesungen wird es von der 19-jährigen Saveria, die beweist das der Canto di Malavita nicht allein den Männern vorbehalten ist. Die sorgen indes mit Gitarre, Akkordeon, Maultrommel und Geige für den Klangteppich und bringen die vollen, teilweise klagenden Stimme perfekt zur Geltung.

Die Sänger und Sängerinnen dieser Lieder, die teilweise im Gefängnis entstanden, traten lange Zeit nur im Verborgenen, im kleinen Kreis von Fans, aber auch der Angehörigen der „Ndrangheta“ auf. An Auftritte auf großer Bühne war nie zu denken und bis jetzt legen die meisten der virtuosen Stimmen Wert darauf, ihre Nachnamen nicht publik werden zu lassen. Nur wenige treten unter ihren echten Vornamen auf – die meisten unter falschen, um es dem Staatsanwalt nicht zu einfach zu machen. So auch die Sangeskollegen Mimmo Siclaris, die in- und außerhalb Kalabriens mittlerweile Kultstatus genießen. Knut Henkel

Donnerstag, 21 Uhr, Schlachthof